FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2018

334 www.fondsprofessionell.de | 1/2018 fonds & versicherung I idd Foto: © Gabriele Rohde | stock.adobe.com, Christof Rieke D ie deutsche Versicherungswirtschaft war ratlos. Kurz vor Weihnachten kam aus Brüssel die Nachricht, dass die EU-Kommission die Anwendung der Versi- cherungsvertriebsrichtlinie IDD verschieben möchte. Statt schon am 23. Februar 2018 soll- te sie erst ab Oktober ihre Kraft entfalten. Am Starttag Ende Februar hielt die Behörde aber fest – zunächst. Einige Wochen später wurde der IDD-Beginn dann auf den 1. Juli verscho- ben. Damit sollten die EU-Staaten, die damals noch kein nationales Umsetzungsgesetz ver- abschiedet hatten, sowie die Versicherer mehr Zeit für die Implementierung bekommen. Das Bundeswirtschaftsministerium verkündete aber schnell, dass das im Sommer 2017 verabschie- dete deutsche Umsetzungsgesetz wie vorge- sehen am 23. Februar in Kraft treten wird. Die Verwirrung war komplett: Hat Brüssel oder Berlin das letzte Wort? „Für die deutschen Versicherer und die Vermittler gilt seit 23. Fe- bruar das, was im IDD-Umsetzungsgesetz steht“, stellt Rechtsanwalt Norman Wirth fest, geschäftsführender Vorstand des AfW Bun- desverbandes Finanzdienstleistungen. Wissen Vermittler nun, wo sie rechtlich stehen? Leider nein: „Sehr viele Punkte im Zusammenhang mit der IDD-Umsetzung sind für Vermittler noch nicht abschließend ge- klärt“, sagt Matthias W. Kroll, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Hambur- ger Kanzlei Dr. Nietsch & Kroll Rechtsanwäl- te. „Die Situation ist für sie derzeit in weiten Teilen rechtlich unklar.“ FONDS professionell erläutert das juristische Dilemma für Vermitt- ler und nennt die Vorschriften, bei denen sie jetzt schon möglichst im Sinne der neuen Ge- setze handeln sollten, weil sonst womöglich Schadenersatzklagen drohen. IDD-Gesetz gilt für Versicherer Die Krux des IDD-Umsetzungsgesetzes ist aus Vermittlersicht, dass der größte Teil der Vorschriften für Versicherer gilt. „Für Makler sind sie streng genommen nach demWortlaut nicht anzuwenden“, erklärt Kroll. Zu den wenigen Ausnahmen zählen die Beratungs- pflichten bei einer Online-Vermittlung gemäß Paragraf 6 Absatz 6 Versicherungsvertragsge- setz (VVG) und das seit Juli 2017 bestehende Provisionsabgabeverbot. Makler dürfen ihre Courtage nicht an Kunden auskehren. Die übrigen Vorschriften erlangen für Mak- ler erst über drei Verordnungen Gültigkeit, konkret die Versicherungsvermittlungsverord- nung (VersVermV) und zwei europäische „Delegated Acts“. Die eine dieser EU-Verord- nungen regelt Details zu Versicherungsanla- geprodukten (CDR EU 2017/2359), die ande- re konkretisiert Vorgaben zum Zielmarkt (CDR EU2017/2358). Hinzu kommt das überarbeitete Bafin-Rundschreiben „Hinweise zum Versicherungsvertrieb“. Dieses hat zwar keinen Gesetzescharakter, in ihm erläutert die Behörde aber, wie sie die Vorschriften konkret verstanden wissen möchte. Die VersVermV und das Bafin-Rundschreiben liegen aber erst als Entwurf vor. Wann die Endfassung ver- öffentlicht wird, ist offen (siehe Kasten nächs- te Seite). Und bei den EU-Verordnungen ist strittig, ob sie bereits jetzt gelten oder erst mit dem offiziellen IDD-Start im Juli. Aufsichtsrechtlich ist das alles kein Pro- blem. Die Behörden werden vermutlich das Inkrafttreten der neuen VersVermV abwarten, bevor sie gegen Vermittler vorgehen, meint Kroll. „Allerdings könnten etwa bei Nicht- einhalten der Standards der Delegated Acts zur Vermittlung von Versicherungsanlagepro- dukten Kunden auf die Idee kommen, im Nachhinein als unpassend angesehene Pro- dukte mit Verweis hierauf rückabwickeln zu wollen – und Schadenersatz fordern“, warnt er. Vermittler, die auf Nummer sicher gehen möchten, sollten die schon veröffentlichten Regeln und Standards daher bereits befolgen. Versicherungsanlageprodukte Dieser Rat gilt besonders für die Versiche- rungsanlageprodukte. Unter diese von der EU neu geschaffene Gruppe fallen alle kapitalbil- denden Lebensversicherungen, eingeschlossen Fondspolicen und Hybridprodukte. Für deren Vermittlung gelten neuerdings weitgehend die gleichen Vorschriften wie bei Fonds. Das be- deutet, dass vor einer Vermittlung eine Geeig- netheits- oder zumindest eine Angemessen- heitsprüfung stattfinden muss (Details zu die- sen Punkten finden Sie in FONDS professio- nell 3/2017, Seite 338). Wichtig ist auch, dass das deutsche IDD-Gesetz bei Versicherungs- anlageprodukten regelmäßige Überprüfungen und Berichte vorsieht (lesen Sie dazu auch den Artikel ab Seite 330). Insbesondere sollten Vermittler momentan bei allen Versicherungsanlageprodukten min- Das deutsche IDD-Umsetzungsgesetz ist in Kraft. Für Vermittler gibt es wegen fehlender Verordnungen aber weiterhin jede Menge juristischer Fragezeichen. Auf Sicht agieren Wenn die klare Sicht fehlt, ist es ratsam, besonders vorsichtig zu agieren. Das gilt nicht nur für Autofahrer im Nebel, sondern auch für Versicherungsvermittler, auf die neue regulatorische Anforderungen zukommen.

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