FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2018

W enn man im angelsächsischen Raum über einen möglichen Handelskon- flikt zwischen den USA und dem Rest der Welt diskutiert, fällt bemerkenswert oft das Wort „Chicken“. Das hat zwei Ursa- chen. Zum ersten eine historische. Denn oft werden beim Blick zurück die Ereignisse rund um Strafzölle auf Hühnerfleisch analysiert. Die Ge- schichte lief so ab: In den frühen 60er- Jahren fuhr die EU die Zölle für Hüh- nerimporte aus den USA hoch, die Vereinigten Staaten schlugen zurück, das Ganze schaukelte sich hoch, bis die Nordamerikaner letzten Endes Ta- rife von 25 Prozent auf kommerziell genutzte Kraftfahrzeuge verhängten. Die „Chicken Tax“ ist inzwischen längst abgeschafft, der Zoll auf Pick- ups ist aber nach wie vor aufrecht. Kritiker meinen, dass die Qualität die- ser Fahrzeuge in den USA aufgrund mangelnder Konkurrenz suboptimal sei, was die Abnehmer schlechter stellt – für die US-Autokonzerne hat sich der Hühner-Handelskrieg aber ausge- zahlt. 80 Prozent der Autos, die in Detroit pro- duziert werden, sind besagte Klein-Lkw – das nennt man dann Marktmacht. Dass das Huhn so oft im Zusammenhang mit Handelskonflikten erwähnt wird, hat aber auch mit der Strategie Donald Trumps zu tun, die an das spieltheoretische Szenario „Game of Chicken“ angelehnt sein dürfte. Unter die- sem „Spiel“ versteht man ein Setting, in dem zwei Autofahrer in vollem Tempo aufeinander zufahren. Derjenige, der als Erster weglenkt und somit „das Chicken“ – ein umgangs- sprachlicher Ausdruck für Feigling – ist, lan- det im Straßengraben und verliert. Es gibt di- verse Lösungsmöglichkeiten, darunter: A lenkt zur Seite, B fährt durch. Das Resultat: Fahrer B gewinnt. In Donald Trumps Vorstellung ist er Fahrer B und der auf Lebenszeit gewählte chinesische Präsident Xi Jinping Fahrer A. Es gibt aber auch das Szenario, in dem weder A noch B zur Seite fahren. Dann knallt es – und es ist egal, wer Fahrer A und wer Fahrer B ist. Im schlimmsten Fall werden auch noch Pas- santen erfasst. Das nennt man dann Kollate- ralschaden und ist das, wovor man sich in Europa am meisten fürchtet. Die Argumentation bei der Verhängung von Strafzöllen auf Stahl und Aluminium und wei- tere Produkte in einem Gesamtausmaß von 150 Milliarden US-Dollar ist ökonomisch an- greifbar und steigert in Europa die Sorge über einen unvorhersehbaren Ausgang der schwe- lenden Auseinandersetzung: Wenn die Ursa- che unberechenbar ist, ist es das Resultat ebenso. Dass die Drohung tatsächlich nur in zweiter Linie ökonomisch be- dingt ist – und die weiteren Motive Trumps somit schwer berechen- bar sind –, er- kennt man, wenn man sich die Ein- fuhrstatistik genauer ansieht (siehe Grafik links): Demnach müsste eigent- lich Kanada von Trump am stärksten ins Visier genommen werden. Wie wir wissen, ist das Gegenteil der Fall: Der nördliche Nachbar wurde gleich zu Beginn von möglichen Strafzöllen ausgenommen. Konsequenz fürs Portfolio Doch was bedeutet das Szenario eines Handelskonfliktes eigentlich für die Märkte? Wie schätzen Fondsma- nager die Situation ein, und wie rea- Wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines Handelskonfliktes ist, weiß niemand – vereinzelt passen Asset Manager ihre Portfolios und Analysen jedoch bereits an. Von Hühnern & Handelskriegen US-Präsident Donald Trump muss man zugute halten, dass er tatsächlich versucht, seine Wahlversprechen zu halten. Der Ausgleich des Handelsbilanzdefizits war eines davon. Die Frage ist, ob die eingesetzten Mittel sinnvoll sind. Eigentlich ist es ja Kanada, … … das den US-Markt mit Metall flutet, China eher weniger. Hätte Donald Trump rein ökonomische Interessen im Sinn, müsste er vor allem Kanada mit Strafzöllen belegen. Macht er aber nicht. Quelle: J.P. Morgan 0 2 4 6 8 Sweden Kanda Exporte in die USA in Mrd. USD Mexiko Brasilien China Korea Russland Türkei Japan Deutschland Niederlande Italien Frankreich Indien UK Australien Spanien Aluminium Stahl Foto: © Ty Wright | Bloomberg 114 www.fondsprofessionell.de | 2/2018 markt & strategie I handelskonflikt

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