FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2018

D iesmal soll es zum Schwur kommen – und zwar schnell. Mitte März hat die neue Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Katarina Barley (SPD) einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Musterfeststellungsklage in die Ressortabstim- mung gegeben. Den überarbeiteten Entwurf hat das Kabinett Anfang Mai beschlossen. Am 1. November 2018 soll das Gesetz in Kraft treten. Wenn Barley zur Eile mahnt, dann aus gutem Grund: Ende des Jahres verjähren in der Dieselaffäre die Ansprüche geschädigter Verbraucher. Vorher soll die Musterfeststel- lungsklage gesetzlich verankert sein. Der Gesetzentwurf ähnelt in seinen Grund- zügen dem, den Barleys Vorgänger Heiko Maas (SPD) im Dezember 2016 vorgelegt hat. Diesen haben die CDU-geführten Res- sorts jedoch abgelehnt, da er zu wirtschafts- feindlich erschien. Barleys Entwurf ist im Ver- gleich zu dem von Maas vorgeschlagenen Re- gelwerk in einigen Punkten allerdings sogar noch schärfer. Mitte April hat außerdem die Europäische Kommission ihren „New Deal for Consumers“ präsentiert, ein Maßnahmen- paket, das bestimmten Institutionen ebenfalls die Möglichkeit eröffnen soll, für viele Ge- schädigte kollektiv vor Gericht zu ziehen (sie- he Kasten auf Seite 323). Damit geistert er nun wieder einmal durch die Medien – der gefürchtete Begriff „Sammelklage“. Nicht zum ersten Mal „Sammelklagen sind in Deutschland schon öfter diskutiert worden“, sagt Matthias Kroll, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Part- ner der Hamburger Kanzlei Dr. Nietsch & Kroll Rechtsanwälte. Bereits im Jahr 2005 sorgte dieses Wort vor allem bei börsennotier- ten Gesellschaften für Unsicherheit. Damals brachte die Bundesregierung das Kapitalanle- ger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) auf den Weg. Während das KapMuG es mutmaß- lich geschädigten Anlegern erleichtert, kollek- tiv Schadenersatzansprüche durchzusetzen, greift der Vorschlag von Katarina Barley viel weiter. Im Sinne des Verbraucherschutzes will die Bundesministerin dafür sorgen, dass Kun- den von Unternehmen aller Branchen über Musterfeststellungsklagen leichter an ihr Recht kommen. Damit sind auch Banken, Sparkassen und Versicherer im Spiel. Ähnlich wie das KapMuG und der Entwurf von Heiko Maas sieht Barleys Vorschlag ein Klageregister vor, in dem Verbraucher, die sich geschädigt fühlen, ihre Ansprüche anmel- den können. Klageberechtigt sollen sogenann- te „qualifizierte Einrichtungen“ sein. Ein Mus- terverfahren dürfen sie dann anstoßen, wenn zunächst mindestens zehn Personen einen gleich gelagerten Schaden „schlüssig und glaubhaft“ geltend machen. Tragen sich in einem zweiten Schritt innerhalb von zwei Monaten insgesamt 50 Verbraucher in das Klageregister ein, startet das Verfahren. „Die zentrale Frage ist nun aber, wer zu den qualifizierten Einrichtungen zählen soll, wer also Klagebefugnis erhält“, sagt Stephan Wernicke, Chefjustiziar des Deutschen Indus- trie- und Handelskammertages (DIHK) in Berlin. An dieser Frage hatte sich im April auch ein Streit zwischen den Koalitionären entzündet, denn die Kriterien des Gesetzent- wurfs waren vor allem einigen Unionspoliti- kern nicht streng genug. Ursprünglich war vorgesehen, dass alle Verbände einen Muster- feststellungsprozess anstrengen dürfen, die auch jetzt schon berechtigt sind, Unterlas- sungsklagen einzureichen. Dafür müssen die Einrichtungen mindestens ein Jahr bestehen und 75 Mitglieder zählen. Hier hat die SPD inzwischen eingelenkt. Statt 75 müssen die Verbände nun mindestens 350 Mitglieder oder als Dachverband zehn Mitgliederverbände vorweisen. Seit ihrer Gründung müssen mindestens vier Jahre ver- gangen sein. Dies soll verhindern, dass ein Verbraucherschutzverband nur gegründet wird, um nach Ablauf der Frist von zwölf Monaten ganz gezielt eine Musterklage zu erheben. Nach deutschem Recht sind Streit- fälle nach drei Jahren verjährt. Ein neuer Verband, der aktuell eine Musterfeststellungs- klage in einem bestimmten Fall imAuge hät- te, käme nach vier Jahren also zu spät. DIHK-Chefjustiziar Wernicke sieht in den Nachbesserungen wichtige Klarstellungen, al- lerdings keinen wesentlichen Fortschritt. „Die Möglichkeit einer Musterfeststellungsklage steht ja immer noch auch privaten Vereinen offen“, erklärt er. Solange aber nicht gesetz- lich definiert ist, dass ausschließlich öffent- Ein Gesetzentwurf von Justizministerin Katarina Barley hat die Diskussion um Sammelklagen erneut entfacht. Diesmal könnte es auch für Vermittler ungemütlich werden. Ein Urteil für alle Viele Geschädigte, eine Entscheidung: Der neue Gesetzentwurf für Musterfeststellungsklagen soll zügig abgesegnet werden. Ziel ist, dass das Gesetz bereits am 1. November 2018 in Kraft tritt. Foto: © sebra | stock.adobe.com, DIHK 322 www.fondsprofessionell.de | 2/2018 steuer & recht I musterfeststellungsklagen

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