FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2018

4 www.fondsprofessionell.de | 2/2018 brief der herausgeber S eit Ende Januar der bis dahin fast schon unheimlich gleichför- mig verlaufende jüngste Anstieg der Börsen beendet wurde, befinden wir uns an den Aktienmärkten in einer Korrekturpha- se. Derartige Gegenbewegungen sind völlig normal und können von den unterschiedlichsten Dingen ausgelöst werden. Einmal ist es ein Wahlergebnis, ein anderes Mal ein Terroranschlag oder aber eine Delle im Konjunkturverlauf, die bewirkt, dass Anleger nervös und Aktien wieder billiger werden. Sobald sich die Aufregung gelegt hat, können die Märkte wieder zulegen. Nur, wenn sich herauskristalli- siert, dass der Rückschlag bei Aktien fundamental begründet ist, wird aus der Korrektur ein längerfristiger Abwärtstrend. Daher ist auch in der aktuellen Phase die Frage zu stellen, ob die Gefahr besteht, dass sich die konjunkturelle Situation deutlich verschlechtert beziehungs- weise ob eine Rezession droht. Die Antwort darauf ist naturgemäß nicht einfach zu finden. Auch Wirtschaftsforschungsinstitute, die lau- fend alle verfügbaren Daten einsammeln, um zeitnah ein möglichst exaktes Bild der wirtschaftlichen Entwicklung zeichnen zu können, scheitern dabei immer wieder. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Ansatz der Internet- seite econ p.i. (www.econpi.com) . Sie versucht den jeweiligen Status der (amerikanischen) volkswirtschaftlichen Situation anhand von 19 Wirtschaftsindikatoren abzubilden. Die Bandbreite reicht von der Konsumentenstimmung über die Industrieproduktion bis hin zum Zinsabstand zwischen US-Anleihen mit drei Monaten und zehn Jah- ren Laufzeit. Diese Daten werden in ein Koordinatensystem einge- geben und dabei ein Mittelwert der Koordinaten (Mean of Coordi- nates, MoC) aller Einzelfaktoren berechnet. Dieser Mittelwert kann dabei in vier Zonen (Quadranten) landen, wobei er sich idealerweise im sogenannten Expansions-Quadranten befinden sollte. Das klingt komplizierter, als es ist. Stellen Sie sich eine Uhr vor, deren Zifferblatt geviertelt wird. Das obere rechte Viertel (Expansions-Quadrant) ist ideal, im oberen linken Viertel verschlechtern sich die Konjunktur- daten tendenziell, das Wachstum lässt nach. Wandert der MoC in das untere linke Viertel, kontrahiert die Wirtschaft (Rezession). Nach einer Trendwende muss der „Erholungs-Quadrant“ – das ist das untere rechte Viertel – durchquert werden. Bemerkenswert ist daran, dass dieses Konzept für alle drei Konjunkturzyklen der US-Wirtschaft seit 1991 (91–01, 01–07, 09–18) funktioniert. Wie sieht es also aktuell aus? Seit 2012 befindet sich der MoC- Wert in der günstigsten Zone, wobei er in der ersten Jahreshälfte 2016 kurzfristig Schwäche zeigte. Manche haben es vielleicht schon ver- gessen, aber ab Mitte 2015 bis zum ersten Quartal 2016 sahen die Aktienmärkte ebenfalls eine nicht unbeträchtliche Korrektur, der Dax sank von 12.000 auf 9.000 Zähler. Der beste Wert seit 2009 wurde im vierten Quartal 2017 erreicht, im ersten Quartal dieses Jahres schwächte sich der MoC ab, blieb aber innerhalb des „Wachstums- Quadranten“. Auf Basis dieses – allem Anschein nach – relativ zuverlässigen Konjunkturbarometers gibt es aktuell noch keine bedrohlichen Zeichen dafür, dass eine Rezession in den USA im Anmarsch wäre. Der Entwickler des Systems, David Rice, hat in einem aktuellen Artikel analysiert, wie sich durch Rezessionen ausgelöste Aktien- marktkorrekturen von solchen unterscheiden, die nicht durch Kon- junktureinbrüche verursacht werden. Seit den 1970er-Jahren konnte er jeweils sechs Fälle solcher Korrekturphasen identifizieren. Standen sie im Zusammenhang mit einer Rezession, dauerten sie im Durch- schnitt 13 Monate (maximal 30 Monate), und der Aktienmarkt büßte rund 33,5 Prozent (maximal 56,4 %) an Wert ein. Die Korrekturen, die unabhängig von Rezessionen stattfanden, dauerten im Schnitt 4,7 Monate (maximal 9 Monate), und die Kursverluste lagen bei 17,3 Prozent (maximal 33,2 %). Zur Erinnerung: Auch der 33-Prozent- Crash des Jahres 1987 war nach vier Monaten überwunden. Rice sieht die derzeitige Lage so: „Ich glaube, es ist zulässig zu sagen, dass der MoC hilft, Korrekturen mit Rezession und Kor- rekturen ohne Rezession zu unterscheiden. Und derzeit gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich die aktuelle Korrektur zu einem stärkeren Rückschlag beziehungsweise einer Rezession entwickelt.“ Wir wünschen Ihnen und uns, dass der Mann recht behält, und Ihnen, dass Sie einen erfolgreichen und erholsamen Sommer haben. Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Eine US-Finanzseite analysiert laufend den Status der Konjunktur, und wenn ihr Ansatz, der für die letzten 40 Jahre funktioniert, diesmal korrekt ist, droht aktuell keine Rezession. Rezession? Unwahrscheinlich. Foto: © Marlene Fröhlich Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi

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