Zinsschritt der Fed: Das sagen die Experten
Die amerikanischen Währungshüter setzen ihren Kurs fort. Sie heben die Leitzinsen deutlich an – wenngleich nicht so hoch, wie mitunter spekuliert wurde. Dennoch zeige Fed-Chef Powell Entschlossenheit, die Inflation einzuhegen – aber zu einem hohen Preis, meinen zahlreiche Beobachter.


"Die wirklich falkenhafte Botschaft lag in den aktualisierten Wirtschaftsprognosen", meint Christian Scherrmann, US-Volkswirt der DWS. Er verweist darauf, dass Fed-Chef Powell frühere Fehler der US-Geldpolitik vor Augen habe. "Die Geschichte zeigt, dass eine verfrühte Lockerung der Geldpolitik mit noch höheren Kosten verbunden sein kann als die Beibehaltung der restriktiven Zinssätze für einige Zeit", so der Volkswirt. "Insgesamt zeigt die US-Notenbank einmal mehr, dass sie bereit ist, das Notwendige zu tun: die Nachfrage zu bremsen, indem die Zinsen länger höher bleiben – selbst wenn dies Wachstum und Arbeitsplätze kostet."

"Spätestens mit diesem Schritt hat die Fed nun den restriktiven Bereich erreicht", kommentiert Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka, die Entscheidung. In der anschließenden Pressekonferenz habe Fed-Chef Powell deutlich gemacht, dass sich die Fed dem Erreichen des Inflationsziels verpflichtet fühle. Daher wäre im Zweifel auch eine Rezession zu tolerieren. "Aus unserer Sicht gibt es durchaus Anzeichen für ein nachlassendes Inflationsumfeld im kommenden Jahr."

"Die Politik der Fed ist nicht länger als neutral, sondern als konjunkturdämpfend anzusehen", hält Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust, fest. "Es war angesichts der aktuellen Konjunkturschwäche und rückläufiger Inflationserwartungen für 2023 richtig, dass die Fed das Tempo des Zinsanstiegs nicht durch einen größeren Schritt um einen Prozentpunkt verschärft hat." Die abgesenkten Wachstumserwartungen würden zeigen, dass die Notenbank auch eine milde Rezession und einen gewissen Anstieg der Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen werde. "Es ist das kleinere Übel im Vergleich zu einer Verfestigung der Inflation, die nur um den Preis einer sehr tiefen Rezession zu einem späteren Zeitpunkt zu beseitigen wäre."

"Die Prognosen der Fed für die Arbeitslosigkeit und das Wachstum scheinen angesichts des Umfangs der geldpolitischen Straffung optimistisch zu sein – inwieweit es sich dabei jedoch um Wunschdenken handelt, wird sich erst mit der Zeit zeigen."

"Es spricht Bände darüber, wie stark die Erwartungen an den Zinsschritt der Fed gestiegen sind, dass eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte inzwischen Konsens ist", sagt Michael Metcalfe, Leiter Makro-Strategie bei State Street Global Markets. "Die Falken innerhalb der Fed dürften den Gipfel ihres Einflusses erreicht haben. Nur ein zusätzlicher Inflationsschock könnte bewirken, dass der Leitzins noch höher als schon erwartet steigen wird."

"Die Fed hat zwar darauf verzichtet, die Märkte mit einem 100-Basispunkte-Zinsschritt zu schocken. Dafür hat die Wahrscheinlichkeit eines vierten 75-Basispunkte-Schrittes in Serie Anfang November noch einmal zugenommen", meint Thomas Altmann von der Investmentboutique QC Partners. "Diejenigen, die für heute den letzten 75-Basispunkte-Schritt erwartet haben, werden bitter enttäuscht. Und das sind nicht gerade wenige." Erwähnenswert sei zudem die erneute Geschlossenheit innerhalb der Fed. "Mit der erneuten Einstimmigkeit der heutigen Zinsentscheidung unterstreicht die US-Notenbank, dass der Kampf gegen die Inflation oberste Priorität hat."

"Die US-Notenbank weiß, dass ihre harte Gangart der Wirtschaft schadet, aber sie hat keine andere Wahl, wenn sie die hartnäckige Inflation mittel- bis langfristig wieder in Richtung zwei Prozent drücken will", kommentiert Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst CMC Markets, die Entscheidung. "So waren dann gestern auch nicht die nächsten 75 Basispunkte Zinserhöhung das Problem. Es war stattdessen die Tatsache, dass die Fed ihr Programm weiter stur durchziehen wird und damit die Hoffnungen auf ein geldpolitisches Entgegenkommen enttäuscht hat."
Die US-Notenbank Fed hat die Leitzinsen angehoben. Mit dem Schritt um 0,75 Prozentpunkte rangiert der Leitsatz nun in einer Spanne von 3,00 bis 3,25 Prozent. Mit der neuerlichen Anhebung wollen die amerikanischen Währungshüter die hohe Inflation bändigen. Die Teuerungsrate für den August hatte in den USA die Marke von 8,3 Prozent erreicht – und war damit über die Prognosen hinausgeschossen. Die Fed hat in diesem Jahr nun die Zinsen bereits fünf Mal und zum dritten Mal um 0,75 Prozentpunkte angehoben. Mitunter war über eine Anhebung um einen Prozentpunkt spekuliert worden, die aber ausblieb.
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Fed-Chef Jerome Powell zeigte sich bei der Pressekonferenz der Notenbank entschlossen, die Inflation auf das anvisierte Ziel von zwei Prozent zurückzuschrauben – und dafür eine Rezession in Kauf zu nehmen. Die Fed senkte zudem ihre Erwartungen für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr. Das US-Bruttoinlandsprodukt soll demnach um 0,2 Prozent wachsen. Das wären 1,5 Prozentpunkte weniger als noch im Juni prognostiziert. Im Vorjahr hatte die Wirtschaft noch um 5,7 Prozent zugelegt – dank der Erholung nach der Corona-Pandemie.
Der Kampf gegen die hohen Teuerungsraten wird sich auch noch länger hinziehen. Die US-Notenbank geht nunmehr davon aus, dass die Leitzinsen bis Jahresende auf 4,4 und bis 2023 auf 4,6 Prozent steigen werden. Erst 2024 sei mit leicht sinkenden Sätzen und gar erst 2025 mit dem Erreichen des Inflationsziels von zwei Prozent zu rechnen. (ert)