
Wie gut sind die hierzulande tätigen Fondsanbieter gerüstet, wenn es um die verantwortungsvolle Geldanlage geht? Einfach weiterklicken!
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Im ersten Teil der großen ESG-Umfrage von FONDS professionell geht es um die Verankerung der Nachhaltigkeitsambitionen auf Unternehmensebene. Die Ergebnisse zeigen, dass fast alle Asset Manager in ihren Publikumsfonds gewisse Branchen oder Geschäftspraktiken ausschließen, etwa die Hersteller geächteter Waffen oder Konzerne, die den Großteil ihres Umsatzes aus der Kohleverstromung erzielen. Auch für die Ausübung der Stimmrechte auf Hauptversammlungen haben sich viele Investmenthäuser Richtlinien gegeben, die auf ESG-Fortschritte abzielen.
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Dass Nachhaltigkeit nichts ist, worum sich die Asset Manager eher nebenher kümmern, zeigt die Tatsache, dass der "Head of ESG" in der Branche längst zum Standard geworden ist. Fast 95 Prozent der teilnehmenden Investmenthäuser verfügen über eine entsprechende Funktion. Vor einem Jahr hatte die Quote noch bei 90,6 Prozent gelegen. In drei von vier Fällen ist der ESG-Verantwortliche zudem kein Einzelkämpfer, sondern er verfügt über ein eigenes Team. Meist berichtet er auch direkt an den Geschäftsführer oder Vorstandschef.
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Der zweite Teil der Umfrage widmet sich der Produktpalette. Die teilnehmenden Asset Manager verwalten insgesamt rund 11.900 europäische Publikumsfonds, in denen in Summe fast sieben Billionen Euro stecken. Fast 4.200 Sondervermögen wurden nach Artikel 8 der Offenlegungsverordnung klassifiziert, fördern nach Ansicht der Anbieter also ESG-Aspekte. 622 Fonds verfolgen ein konkretes Nachhaltigkeitsziel und fallen demnach unter Artikel 9 der neuen EU-Verordnung. Gemessen am Volumen stehen sie zwar nur für 4,3 Prozent der betrachteten Produktpalette. Doch der Trend weist nach oben: Im Vorjahr machten die Artikel-9-Fonds nur 3,4 Prozent des Gesamtvolumens aus. Fast jeder zehnte Fonds kann mittlerweile ein qualitatives Nachhaltigkeitsrating vorweisen. Vor einem Jahr lag diese Quote noch bei 6,9 Prozent.
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Während die Anbieter mit der im März 2021 scharf geschalteten Offenlegungsverordnung inzwischen einigermaßen routiniert umgehen, bereitet die seit August dieses Jahres geltende Mifid-II-Novelle noch Kopfzerbrechen. Seither müssen Anlageberater bekanntlich die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden erheben. Dafür sind sie auf die Mithilfe der Asset Manager angewiesen, die ihre Fonds in drei vom EU-Gesetzgeber vorgesehene Kategorien mit ESG-Merkmalen einsortieren sollen. Viele Investmenthäuser ließen die entsprechenden Felder unserer Umfrage noch offen. Am weitesten ist die Branche bei den Produkten, die "nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren" (PAIs) berücksichtigen – fast jeder dritte Fonds aus unserer Erhebung kommt für Anleger mit entsprechenden ESG-Präferenzen schon in Frage.
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Die größte Zurückhaltung herrscht mit Blick auf die Fonds, die einen Mindestanteil taxonomiekonformer Investitionen vorsehen. 62,9 Prozent der Umfrageteilnehmer haben bislang kein derartiges Produkt im Regal. Das darf nicht verwundern, schließlich ist die Taxonomie, das Klassifizierungssystem der EU für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten, erst in Teilen fertig. Bis aussagekräftige Daten der Unternehmen vorliegen, wird es noch dauern. Viele Anbieter beschränken sich auf die PAI-Kategorie oder geben zumindest bislang nur eine Mindestquote nachhaltiger Investments im Sinne der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) an. Wichtig: Dass ein Fonds eine Taxonomie-Mindestquote ausweist, sagt noch nichts über deren Höhe aus. Diese liegt oft im einstelligen Prozentbereich – das ist ernüchternd für Anleger, die tatsächlich taxonomiekonform investieren wollen.
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Die Angaben der Asset Manager erlauben auch Aussagen zum Durchschnittsvolumen der verschiedenen Fondskategorien. Im Schnitt verwalten die europäischen Publikumsfonds, zu denen die Asset Manager Daten preisgaben, demnach rund 580 Millionen Euro. Das Volumen der "hellgrünen" Artikel-8-Fonds liegt mit gut 630 Millionen Euro deutlich darüber. Der Grund ist, dass die Anbieter bevorzugt ihre Flaggschiffprodukte fit für die neue Regulierung gemacht haben – aus Vertriebssicht eine nachvollziehbare Entscheidung. Ein durchschnittlicher Artikel-9-Fonds, die in der Branche gern als "dunkelgrün" bezeichnet werden, kommt dagegen nur auf etwas mehr als 400 Millionen Euro. Das liegt daran, dass viele dieser Fonds noch recht jung sind. Das dennoch beträchtliche mittlere Volumen erklärt sich dadurch, dass einige sehr große Fonds den Schnitt nach oben ziehen.
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141 Asset Manager verrieten der Redaktion, in welchem Jahr sie ihren ersten Nachhaltigkeitsfonds lancierten. Die Grafik zeigt, dass sich einige aus gutem Grund als Vorreiter bezeichnen dürfen, stammt ihr Pionierprodukt doch noch aus dem vorigen Jahrtausend. Mehr als jeder dritte Anbieter sprang jedoch erst seit 2016, also in deutlich jüngerer Vergangenheit, auf den Nachhaltigkeitszug auf. Insgesamt lässt sich allerdings konstatieren, dass das verantwortungsvolle Investieren für die Branche schon ein Thema war, als Greta Thunberg noch nicht einmal das Licht der Welt erblickt hatte. Früher handelte es sich freilich um einzelne Investmenthäuser, die sich auf die nachhaltige Geldanlage spezialisiert hatten, oder um Nischenprodukte breit aufgestellter Asset Manager. Neu ist, dass es sich um einen branchenweiten, regulatorisch unterfütterten Megatrend handelt. Und daran hat Greta Thunberg durchaus ihren Anteil.
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Die Einstufung nach Artikel 8 oder 9 der Offenlegungsverordnung darf nicht als Label verwendet werden, mahnt die EU-Wertpapieraufsicht ESMA die Anbieter. Auf der anderen Seite ist klar, dass ein qualitatives Siegel bei der Vermarktung hilft, schließlich suchen Anleger und Finanzberater händeringend nach Orientierung im undurchsichtigen Dschungel der ESG-Produkte. Kein Wunder also, dass sich Label wie das FNG-Siegel oder das Österreichische Umweltzeichen, die mit einem unabhängigen Audit-Prozess einhergehen, einer rasant steigenden Nachfrage erfreuen. Diese beiden hierzulande wohl bekanntesten ESG-Label können jedoch nicht erklären, dass vier Asset Manager in unserer Umfrage angeben, 50 oder mehr zertifizierte Fonds anzubieten. Das liegt auch an weiteren Initiativen wie dem "Towards Sustainability"-Label in Belgien, das aktuell beinahe 700 Finanzprodukte tragen dürfen.
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Die Redaktion wollte von den Asset Managern im dritten Teil der Umfrage wissen, welche Nachhaltigkeitsinitiativen sie unterstützen und welche Selbstverpflichtungen sie unterschrieben haben. Mit Abstand den meisten Zuspruch erhalten die "Prinzipien für verantwortliches Investieren" der Vereinten Nationen (UN-PRI). 137 der 159 teilnehmenden Asset Manager haben sich dieser Initiative angeschlossen, zwei mehr als im vergangenen Jahr. Populär sind auch einige recht junge Selbstverpflichtungen, etwa die erst Ende 2020 gegründete "Net Zero Asset Managers Initiative", der sich bislang schon 66 Umfrageteilnehmer angeschlossen haben – nach nur 39 Befragten im vergangenen Jahr.
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Insbesondere die großen, international tätigen Investmenthäuser unterstützen teils Dutzende ESG-Initiativen. Zum Teil beziehen sich diese Engagements auf Teilmärkte wie den Green-Bond-Sektor oder sind regional beschränkt. Oft steht dabei der Klimawandel im Fokus, aber nicht immer. 2015 startete beispielsweise die Jeremy-Coller-Stiftung die Initiative "Farm Animal Investment Risk & Return" (FAIRR). Immerhin 20 der befragten Asset Manager haben sich diesem Netzwerk angeschlossen, das die Massentierhaltung auf die ESG-Agenda der Investoren bringen soll. Im Vorjahr war die FAIRR-Initiative nur 15 Mal genannt worden. Die Grafik oben zeigt, in welchem Jahr wie viele Asset Manager die UN-PRI unterzeichnet haben. Es gibt zwar einen "Peak" im Jahr 2019, insgesamt zeigt sich aber, dass die Unterschrift unter den PRI-Regeln schon vor Jahren zum guten Ton gehörte.
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Die Selbstverpflichtung mit der größten Verbreitung nach den UN-PRI ist der Transparenz-Kodex. Dieses Regelwerk hilft, die Anlagestrategie eines Nachhaltigkeitsfonds für Investoren, Ratingagenturen und die Öffentlichkeit nachvollziehbarer zu machen. Asset Manager, die sich um ein FNG-Siegel bewerben, müssen diesen Kodex befolgen – das erklärt, warum die Zahl der Unterzeichner in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. Mittlerweile hat der Transparenz-Kodex sogar die CDP-Initiative überholt, was die Relevanz für die Teilnehmer unserer Umfrage anbelangt (82 zu 80 Unterstützern). CDP, früher als "Carbon Disclosure Project" bekannt, ist eine Non-Profit-Organisation, die Unternehmen dabei hilft, die Umweltauswirkungen ihrer Geschäfte zu quantifizieren. Solche Daten sind enorm wichtig, sei es für die Nachhaltigkeitsberichterstattung oder das Risikomanagement.
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Während die Unterschrift unter eine Selbstverpflichtung schnell geleistet und in aller Regel nicht unmittelbar mit hohen Kosten verbunden ist, gilt das für den Aufbau eines hausinternen Nachhaltigkeitsresearch nicht. Analysten sind teuer – und echte ESG-Experten rar. Die Redaktion wollte von den Asset Managern im vierten Teil der Umfrage deshalb wissen, wie viele dieser Spezialisten für sie arbeiten. Das Ergebnis lässt aufhorchen: Im Schnitt beschäftigen sich immerhin gut neun Prozent der Mitarbeiter mit der Nachhaltigkeitsanalyse. Das zeigt, dass diesem Thema nicht nur im Marketing, sondern auch in den Researchabteilungen hohe Priorität eingeräumt wird. Es mag allerdings sein, dass die Quote nach oben verzerrt ist: Unter den Umfrageteilnehmern finden sich überproportional viele spezialisierte ESG-Boutiquen, die auf solche Analysten naturgemäß besonderen Wert legen.
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Doch so groß ein Researchteam auch ist: Kein Fondshaus dürfte in der Lage sein, mit Bordmitteln bei Hunderten Firmen weltweit die benötigen ESG-Daten einzuholen. Deshalb kaufen sich die Asset Manager eifrig externes Research von Agenturen wie ISS ESG, MSCI ESG oder Sustainalytics zu. Mitunter geht es nur um Rohdaten wie den CO2-Fußabdruck, oft aber auch um "pfannenfertige" ESG-Noten. Nicht einmal acht Prozent der befragten Investmenthäuser kommen ohne Input dieser Art aus. Die meisten setzen sogar auf mehrere Agenturen, schließlich hat sich gezeigt, dass die Ratinghäuser oft zu völlig unterschiedlichen Urteilen kommen, wie verantwortungsvoll eine Firma denn nun wirtschaftet. Die wesentliche Herausforderung für die Asset Manager bleibt ohnehin, all diese Informationen zu nutzen, um ein wirklich nachhaltiges Portfolio zu konstruieren.
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Fondsanbieter behaupten gerne, Nachhaltigkeit sei Teil ihrer DNA. Mit Aussagen dieser Art sollten sich Investoren und Anlageberater jedoch nicht zufriedengeben. Wer wissen möchte, ob ein Asset Manager das Thema tatsächlich ernst nimmt, muss tiefer bohren.
Einen ersten Hinweis kann die große Umfrage von FONDS professionell zur ESG-Aufstellung der Asset Manager geben. In diesem Jahr beteiligten sich 159 hierzulande tätige Investmenthäuser an der Erhebung, die im August und September per Onlinefragebogen erfolgte. Die Teilnehmer, die weltweit 160.000 Mitarbeiter beschäftigen, verwalten in Summe mehr als 6,9 Billionen Euro in gut 11.900 Publikumsfonds mit Zulassung in Europa. Sie beantworteten zahlreiche Fragen der Redaktion zu Investmentrichtlinien, Produktpalette, Selbstverpflichtungen und ESG-Analysekapazitäten.
Detailangaben von 159 Investmenthäusern
Die aggregierten Ergebnisse finden Sie grafisch aufbereitet in der Bilderstrecke oben. Die einzelnen Antworten der 159 Fondsanbieter – von der kleinen Investmentboutique bis hin zum global tätigen Asset Manager – dokumentiert FONDS professionell tabellarisch in der soeben erschienenen Ausgabe 3/2022 ab Seite 350. Den Beitrag können Sie (nach Anmeldung) auch hier im E-Magazin lesen. (bm)