FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2014

288 www.fondsprofessionell.de | 3/2014 fonds & versicherung I beratungsprozesse Foto: © Sirikul Thirasuntrakul – Dreamstime, Kempf E ine imAuftrag des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz vom Berliner Institut für Transparenz (ITA) erstellte Studie sorgte nach der Veröffentli- chung der Ergebnisse im Sommer 2014 für einiges Aufsehen in der Versicherungsbran- che. Das rund 500 Seiten starke Papier mit dem Titel „Evaluierung der Beratungsdoku- mentation im Geldanlage- und Versicherungs- bereich“ ergab unter anderem, dass Kunden längst nicht nach jedem Beratungsgespräch die gesetzlich vorgeschriebene Dokumenta- tion übergeben wird. Im Falle der von ITA durchgeführten Testberatungen war dies – über Finanz- und Versicherungsvermittler hin- weg – nur bei etwa jedem vierten Gespräch der Fall, wobei Versicherungsvermittler dieser Pflicht am seltensten folgten. Bei der Frage nach der Ursache dieses Mangels stößt man rasch auf ein anderes, grö- ßeres Manko im Bereich der Versicherungs- beratung: Ein klar strukturierter, kundenbezo- gener Beratungsprozess läuft bei der Vermitt- lung von Versicherungsprodukten vielfach nicht ab, dass es danach auch keine Doku- mentation dessen gibt, liegt daher auf der Hand. Dieses Defizit ist für Kunden und Be- rater gleichermaßen unerfreulich – der Kunde muss befürchten, nicht das richtige Produkt gezeichnet zu haben, der Berater vergeudet Zeit und riskiert eine Fehlberatung. Immerhin hat man dieses Problem erkannt, denn es gibt bereits Brancheninitiativen, die Maklern Un- terstützung bei der Lösung anbieten – ein- schließlich des Testens spezieller Programme. Am Anfang ist das Gesetz Primär geht es dabei um die Einhaltung der Vorschriften des Versicherungsvertragsgeset- zes. Dieses Reglement schreibt seit dem Jahr 2008 in Paragraf 61 vor, dass Versicherungs- vermittler Kunden nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und entsprechend zu beraten haben. Das muss unter Berücksich- tigung eines angemessenen Verhältnisses zwi- schen Beratungsaufwand und der vom Versi- cherungsnehmer zu zahlenden Prämien pas- sieren, wobei die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzu- geben sind. Paragraf 62 desselben Gesetzes legt dabei unmissverständlich fest, dass der gesamte Vorgang zu protokollieren und die Dokumentation dem Kunden zu übergeben ist. Wer das nicht tut, riskiert, gemäß Paragraf 63 Schadensersatz leisten zu müssen. Und es handelt sich hier keineswegs um eine bloße Formalität: „Der Beratungsprozess muss vor allem akkurat sein, die Qualität der Beratung ist dabei wichtiger als die Dokumentation“, warnt Rechtsanwalt Andre Kempf, unter an- derem Mitglied der Initiative „Arbeitskreis Beratungsprozesse“. Der Jurist erläutert wei- ters: „Wenn die Dokumentation Mängel auf- weist oder falsch ist, die Beratung aber kor- rekt war, ist die Ausgangssituation für den Vermittler nicht fatal. Ist es andersherum, also wenn ein unrichtiger Beratungsprozess fälsch- licherweise als richtig dokumentiert wird, sind Schadensersatzforderungen der Kunden mög- lich.“ Grundsätzlich sollte kein Berater auf die Dokumentation verzichten, denn ordentliche Beratung sei gleichsam die Pflicht, die Doku- mentation die Kür. Die kommenden euro- päischen Vorgaben wie die Vermittlerrichtlinie IMD 2 könnten aus Sicht des Rechtsexperten die Anforderungen an den Beratungsprozess und die Dokumentation noch einmal erhöhen. Entsprechende Tendenzen seien sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Rechtsprechung zu erkennen. Stütze für Vermittler Das VVG fordert also einen klaren Bera- tungsprozess, stellt dabei aber auch selbst eine Hürde dar, wenn es um die Entwicklung eines solchen Prozesses geht. Das Gesetz fordert zwar eine strukturierte Beratung, liefert dazu aber keine detaillierten Vorgaben. Es werden lediglich die Beachtung der Punkte Bera- tungsanlass, Wünsche und Bedürfnisse des Kunden sowie Erklärungen des Vermittlers zu seiner Produktempfehlung vorgeschrieben. Die Branche hat als Antwort auf die Unklar- heiten des Gesetzes folgenden „Grundbera- tungsprozess“ aufgesetzt: Am Anfang steht immer die Aufnahme der Kundendaten. Hierauf folgt die Analyse der bestehenden Verträge sowie des Kundenbedarfs, das heißt der Risiken, die abgedeckt werden sollen. Dann müssen die Wünsche des Kunden er- fasst werden. Erst dann erfolgt die eigentliche Beratung, gemeinsam mit dem Kunden muss ent- schieden werden, was er tatsächlich benötigt. Zu guter Letzt kommt die Produktauswahl Versicherungsvermittler müssten von Gesetz wegen eigentlich einen struktu- rierten Beratungsprozess einhalten, etwa die Hälfte tut dies dennoch nicht. Besser beraten Das Versicherungsvertragsgesetz zwingt Versicherungsvermittler dazu, auf Basis eines strukturierten Prozesses zu beraten. Dass viele darauf verzichten, ist nicht nur juristisch gefährlich, sondern auch betriebswirtschaftlich unklug.

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