FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2014

Gibt es Menschen, die nicht zu überzeu- gen sind? Natürlich gibt es Leute, die sagen, dies oder jenes glaube ich nicht. Meine Antwort lautet darauf ganz einfach: Was riskieren Sie, wenn Sie es ausprobieren – vor allem, wenn Ihre bisherige Methode nicht funktioniert hat? Und ich erhalte viele Zuschriften von Lesern, die mir mitteilen, dass sie an manche Dinge nicht geglaubt haben und dann überrascht waren, dass es tatsächlich funktioniert hat. Würden Sie sagen, dass man eine aus- geprägte Fähigkeit zur Selbstreflexion haben muss, um Ihre Anregungen umzusetzen? Sicher, aber in den Kreisen, in denen ich Vorträge halte, haben die Zuhörer diese Fähigkeit. Jemand, der Finanzberatung verkauft, muss annehmen, dass das wichtigste Motiv seiner Kunden Erträge sind, offenbar ist dies aber meist eher nicht der Fall. Wie würden Sie versuchen herauszufinden, worum es einem Kapi- talanleger tatsächlich geht? Geld ist eine neutrale Sache, weil sich damit sehr viele Bedürfnisse befriedigen lassen. Es kann also durchaus sein, dass jemand nur will, dass sein Vermögen wächst. Aber es gibt auch andere Motive wie Sicherheit oder – entge- gengesetzt – Abenteuerlust. Oder eben auch hier: Anerkennung. Herausfinden kann man das, indem man darauf achtet, was der Kunde sagt und wie er Dinge begründet. Wer zuerst einmal erzählt, was seine Jacht gekostet hat, der hat ein Anerkennungsbedürfnis. Wer von seinen Kindern erzählt, hat offenbar ein Bedürfnis nach familiärer Nähe. Interessante Informationen kann man auch aus der Um- gebung eines Menschen beziehen – sei es im Büro oder in seiner Wohnung. Fotos von der Atlantikbesegelung hängt man sich nur auf, wenn man darauf angesprochen werden will, sie deuten auf Risikolust hin. Ein an der Wand hängendes Diplom signalisiert den Wunsch nach Anerkennung und Ordnung. Sie beschreiben in einem Buch, dass Menschen in emotionalen Sondersitua- tionen wie nach Todesfällen oder Hoch- zeiten eine besondere Bereitschaft haben, jemandem einen Gefallen zu run. Gibt es für dieses Phänomen ein Zeitfenster? Das gilt für positive und für negative Er- eignisse, in beiden Fällen sind wir stärker geneigt, jemandem einen Gefallen zu tun. Wie lange ein solcher emotionaler Zustand dauert, kann man aber nicht pauschal sagen, weil das individuell unterschiedlich ist. Wichtig ist, dass die intuitive Annahme, dass man jeman- den am besten dann anspricht, wenn er oder sie sich in einer ausgeglichenen Stimmungs- lage befindet, falsch ist. Beratende Berufe sind tendenziell ver- kaufende Berufe. Hat man da überhaupt eine Chance, wenn das eigene Naturell dem eher nicht entspricht? Man kann grundsätzlich alles lernen, aber man tut sich schwerer, wenn kein ausgepräg- tes Talent vorhanden ist. Ich bin kein Freund der These, dass man eine Aufgabe nur dann gut erfüllen kann, wenn man sie mit ganz großer Leidenschaft betreibt. Das Thema Verkauf stellt hier aber tatsächlich eine Ausnahme dar. Wenn ein Verkäufer die Menschen, mit denen er zu tun hat, und das Produkt, das er verkauft, nicht liebt, dann hat er es schwer. Wie würde Ihre Strategie aussehen, wenn Sie in die Finanzberatung wech- seln müssten? Kann man sich einen systematischen Ansatz zurechtlegen oder muss man auf jeden individuell ein- gehen? Eine individuelle Behandlung von Menschen funktioniert so gut, wie man sie kennt. Es gibt aber ein paar Effekte, die praktisch immer wirken. Ein Phänomen, das wahre Wunder wirkt, ist das Ähnlichkeitsprinzip – das kann Feinde zu Freunden machen. Obwohl man das auch in vielen Verkäuferseminaren hört, wird es in der Praxis vernachlässigt. Das liegt daran, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der man eigentlich nicht so sein will wie alle anderen. Wir sehen uns als Individualisten und wollen uns differenzieren. Dadurch hat man aber vielfach verlernt, Gemeinsamkeiten zu suchen und zu erkennen. Wenn ich nur eine solche Gemeinsamkeit finde, schweißt das sofort zusammen. Die einfachste Variante ist das Aussehen. Experimente zeigen, dass man Menschen, die Gesichtszüge haben, die den eigenen ähnlich sind, automatisch sym- pathischer findet. Gibt es auf beiden Seiten mehrere Ansprechpartner, kann man das nut- zen. Wenn sich das nicht machen lässt, muss man nach anderen Ähnlichkeiten suchen, am einfachsten sind hier Hobbys wie Sport oder Reisen. Man kann das gar nicht überschätzen, wie stark dieser Effekt wirkt – so banal es klingt. Was tut man, wenn man nichts derglei- chen findet? Dann bleibt noch der Effekt der bloßen Darstellung. Wir finden Personen schon dann automatisch sympathischer und vertrauens- würdiger, wenn wir sie häufig gesehen haben. Das funktioniert, weil das Gehirn grundsätz- lich träge ist und Dinge bevorzugt, die es kennt. Bei jemandem, der uns ähnlich sieht, ist das einfach – in anderen Fällen kann man Vertrautheit schaffen, indem man sich oft blicken lässt. Und dieser Effekt wird unter- schätzt – wir wollen immer mehr Dinge per E-Mail oder Telefon machen, wo das eben nicht funktioniert. So gesehen können auch Treffen, die inhaltlich nichts bringen, psy- chologisch sinnvoll sein. Es gibt hier nur eine Ausnahme: Wenn mir die Person gleich von Anfang an unsympathisch war, funktioniert es nicht. Laut Reaktanztheorie reizen uns Dinge, die schwer zu bekommen oder verboten 246 www.fondsprofessionell.de | 4/2014 Foto: © Mareike Föcking Das Autorenduo Kitz & Tusch Dr. Volker Kitz hat in Deutschland und in den USA Recht und Psy- chologie studiert und arbeitete da- nach als Wissen- schafter, Anwalt Lobbyist und auch als Journalist. Seit 2008 ist er ge- meinsam mit dem Psychologen Prof. Dr. Manuel Tusch, aber auch allein als Sachbuchautor und Vortragender tätig. Die Ratgeber von Kitz und Tusch zeichnen sich dadurch aus, dass sämtliche dargestellten psychologischen Phänomene wissenschaft- lich untermauert sind und auf anerkannten Forschungs- ergebnissen beruhen. Den Autoren gelingt es, diese ebenso verständlich wie humorvoll zu präsentieren. Mehr Informationen zu Büchern und Vorträgen finden Sie unter: www.kitz-tusch.com . Dr. Volker Kitz, Prof. Dr. Manuel Tusch vertrieb & praxis I verkaufspsychologie » Ein Phänomen, das immer wieder wahre Wunder wirkt, ist das Ähnlichkeitsprinzip – das kann Feinde zu Freunden machen. « Dr. Volker Kitz

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=