FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2014
vertrieb & praxis I klaus wehr t | honorarberatung 250 www.fondsprofessionell.de | 4/2014 Foto: © Ulrike Schmidt S eit einigen Wochen schon muss Klaus Wehrt die Garage in seinem Haus in Buxtehude bei Hamburg von Hand öff- nen – der Antrieb ist kaputt. Wehrt wollte nur einen neuen Motor, doch stattdessen versuchte der Vertreter ihm gleich ein neues Tor aufzu- schwatzen. Da ist er bei Wehrt allerdings an den Falschen geraten, denn mit Fehlanreizen dank hoher Provisionen hat der habilitierte Ökonom und Gründer eines Beratungsunter- nehmens Erfahrung. Wehrt legte dem Ver- braucherschutzministerium schon 2010 das Modell eines Beratungsfonds vor, mit dem eine unabhängige und provisionsfreie Anlageberatung für alle Verbraucher finanziert werden könnte. Das Konzept verschwand in der Schublade, bis der bekannte Finanzanalytiker Volker Loo- man die Idee vor wenigen Wochen in einer seiner Kolumnen für die FAZ wie- der aufgriff. Seither muss Wehrt wieder häufiger Fragen zu seinem Modell beantworten. HerrWehrt, Ihr Beratungsunternehmen wird vor allem tätig, wenn bei einem Darlehen etwas schiefläuft, etwa wenn es um Fehler der Bank bei der Vorfällig- keitsentschädigung geht. Wie kamen Sie dazu, ein Konzept zu entwickeln, wie sich eine provisionsfreie Anlageberatung etablieren ließe? Klaus Wehrt: Mir geht es um die Finanz- beratung allgemein, egal ob es sich um eine Finanzierungs- oder eine Anlageberatung handelt. Im Grunde ist die Anlageberatung ja das Gleiche, nur mit umgekehrten Vorzei- chen. Die Idee kam mir während meiner Zeit im Vorstand des Bundesverbandes Finanz- Planer. Seinerzeit nahm ich an zahlreichen Anhörungen und Veranstaltungen teil. Sie kreisten allesamt um die Frage, wie sich die Qualität der Finanzberatung heben ließe. Nach einigen Sitzungen hatte ich mir gesagt: Leute, so geht das nicht! Ich entwarf dann eine eigene Idee. Sie schreiben, ein seriöser Verkauf von Finanzprodukten sei nicht möglich. Überall in der Wirtschaft werden Pro- dukte verkauft, und Sie werden nicht je- demVerkäufer die Seriosität absprechen. Bei Produkten des täglichen Lebens sorgen häufige Kaufwiederholungen für das nötige Korrektiv. Der Bäcker würde seine Marge erhöhen, wenn er qualitativ schlechtere Bröt- chen anböte. Doch das tut er nicht, weil die Kunden ausbleiben würden. Bei Anlagepro- dukten, Finanzierungen oder Versicherungen zeigt sich der Erfolg oder Misserfolg dagegen oft erst nach vielen Jahren. Es fehlt an den zur Qualitätssicherung notwendigen Wiederho- lungskäufen. Der Anreiz besteht, qualitativ schlechte Produkte mit hoher Marge zu ver- kaufen. Die Banken und Vermittler widerste- hen dieser Versuchung genauso wenig wie der Eisverkäufer unter dem Eiffelturm in Paris. Auch dort sorgen die fehlenden Kaufwieder- holungen dafür, dass die Qualität den Preis in aller Regel nicht rechtfertigt. Das Traurige bei Kapitalanlagen: Offenbart sich die schlechte Qualität, fehlt es an den Finanzmitteln für eine Kaufwiederholung bei einem anderen Anbie- ter. Außerdem geht es um ganz andere Sum- men als beim Eis unter dem Eiffelturm. Selbst wenn manche Vermittler vor allem auf eine hohe Provision scharf sein mögen, gibt es dennoch viele gute Bera- ter, denen an einer langen Kundenbezie- hung gelegen ist. Sie haben kein Interes- se daran, ihre Kunden durch schlechte Empfehlungen zu verbrennen. Im Provisionssystem kommt ein solcher Berater aber auf keinen grünen Zweig. Wirt- schaftlich erfolgreich ist, wer verkauft statt langfristig betreut. Somit verzichtet der seriös arbeitende Berater auf Gewinne, die seine unseriösen Kollegen erzielen. Er wird lang- fristig vom Marktmechanismus aussortiert. Das ist doch auch immer wieder aus den Ban- ken zu hören: Wer die Verkaufsvorgaben sei- nes Instituts nicht einhält, bekommt Ärger mit dem Vorgesetzten. Die Auswüchse ei- nes solchen Systems sind vielfältig. Er- stens erhält der Kunde das falsche Pro- dukt, weil der Vermittler geneigt ist, das Produkt mit der höchsten Provision zu verkaufen und nicht das für den Kunden wirtschaftlich beste. Zweitens empfiehlt er dem Kunden ein tendenziell zu hohes Anlagevolumen, weil sich die Provision als prozentualer Anteil am Platzierungs- volumen errechnet. Drittens leidet die Wirtschaft. Die Kapitalmärkte haben die Auf- gabe, nach Rendite suchendes Kapital und nach Finanzierung suchende Ideen zusam- menzubringen. Idealerweise fließt das Geld dorthin, wo es den größten wirtschaftlichen Nutzen bringt, doch die Provision stört diese Steuerungsfunktion. Weil gerade die Anbieter schlechter Anlageprodukte den Vermittlern hohe Verkaufsanreize bieten, sind Milliarden in wirtschaftlich fragwürdige Projekte geflos- sen – ich erinnere nur an die geschlossenen Medien- und die Containerschifffonds. Bei diesen Modellen hat die Politik mit Steuergeschenken aber mitgeholfen. Dass auch die Politik die Steuerungsfunktion des Marktes stört, steht außer Frage. Ich sehe mich übrigens nicht als Verbraucherschützer und will auch nicht die provisionsorientierten Vermittler verdammen – sie handeln ökono- misch absolut rational. Ich bin nur ein an Effi- zienz interessierter Volkswirt. Und das derzei- tige System ist alles andere als effizient. Klaus Wehrt , Ökonomie- und Statistikprofessor aus Buxtehude, hat ein Konzept entwickelt, wie sich eine provisionsunabhängige Anlageberatung etablieren ließe – ohne dass die Kunden jedes Mal ein Honorar entrichten müssen. Im Interview erläutert er sein Modell, das den Finanzvertrieb völlig umkrempeln würde. » Wirtschaftlich erfolgreich ist, wer verkauft statt langfristig betreut. « Klaus Wehrt, Wehrt unabhängige Beratungsdienstleistungen in Finanzen und Kredit GmbH „Die Provision sorgt für ein kl
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