FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2014

den, wo es am meisten Sinn macht: in aller Ruhe am eigenen Küchentisch? Ich sehe das nicht als Rückschritt. Wir werden im Wesentlichen in der Filiale angefragt. Hier sprechen wir den Kunden am Schalter an, das Beratungsgespräch erfolgt dann in den separaten Beratungs- bereichen. Darüber hinaus gehen wir auch online, telefonisch oder per Brief auf unsere Kunden zu. In Sachen Wertpa- pierkompetenz haben wir unsere Berater in den Filialen in den letzten Jahren in- tensiv geschult und weitergebildet. Das spricht aus meiner Sicht für die Wert- papierberatung über die Filiale. Dort, wo es sich anbietet, wollen wir aber künftig die mobilen Berater stärker in die Finanz- center integrieren. Erst vor wenigen Wochen hat die Postbank eine strategische Koopera- tion mit Microsoft beschlossen. Unter anderem wollen Sie gemeinsam Innovationen für die Vertriebs- und Servicebereiche der Postbank ent- wickeln. Was genau verbirgt sich da- hinter? Ziel der Kooperation mit Microsoft ist es, auf dem Gebiet der Digitalisierung Vorteile für die Kunden und Mitarbeiter sowie für die beiden Unternehmen selbst zu erzielen. Ne- ben den gemeinsamen Produktpräsentationen in unseren Filialen wird es eine gegenseitige Vermarktung von Produkten in den On- und Offlinevertriebskanälen beider Unternehmen sowie kombinierte Angebote von Microsoft- und Postbank-Produkten geben. Als markt- führende Onlinebank mit dem dichtesten Filialnetz wollen wir die Vorteile der digitalen Welt stärker mit dem Wunsch der Kunden nach persönlicher Beratung verbinden. Dabei geht es um die Frage, wie unsere Kunden mit uns in Kontakt treten, und letztlich auch um eine mögliche Auflösung der reinen Online- und der Filialwelt. Unsere Botschaft „digital und persönlich“ ist uns extrem wichtig und beschreibt die zu- nehmende Verzahnung beider Vertriebs- kanäle. Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel? Aus Kundensicht sollten wir nicht zwi- schen einem Depot und einem Online- depot unterscheiden, sondern beides als ein Wertpapierdepot vermarkten. Das tun wir heute de facto noch nicht. Ob ein Kun- de sein Wertpapierdepot am Ende über die Filiale führt, online als Selbstentscheider oder in einer Mischung aus beidem – alle Varianten müssen möglich sein. Und genau in diese Richtung werden wir künftig in ganz vielen Facetten denken. Wir sind mit unseren verschiedenen Kanälen hervorragend aufgestellt. Unsere Kunden kennen alle Möglichkeiten, wie sie mit uns in Kontakt treten können. Wir arbeiten daran, aus allen Welten das Beste mitzunehmen und nach Möglichkeit miteinander zu kombinieren und zu ver- schmelzen. Wenn es für Kunden künftig grundsätz- lich egal ist, ob sie sich in einer Filial- oder einer Onlinewelt bewegen, sind dann zwingend auch alternative Preis- modelle notwendig? Ja, der Weg dahin ist selbstverständlich damit verbunden, über neue Pricing-Strukturen nachzudenken. Auch das werden wir tun, ins- besondere hinsichtlich Transparenz und Ver- ständlichkeit. Kunden tun sich heutzutage ehr- licherweise immer noch schwer zu erkennen, für welche Dienstleistung sie in der Banken- welt zahlen. Auf Seiten der Produkte sind wir 2007 durch MiFID in Sachen Transparenz einen großen Schritt weitergekommen. Jetzt müssen wir uns über den Überbau Gedanken machen und die Finanzdienstleistungen noch nachvollziehbarer bepreisen. Spielt die Honorarberatung in diesem Zusammenhang eine Rolle? Die Honorarberatung ist eines von mehreren Szenarien. Ich halte das im Moment aber nicht für realistisch, und zumindest bei uns ist Honorarberatung derzeit kein Thema. Vielen Dank für das Gespräch. FP » Jeden Tag laufen bundesweit eine Million Menschen in unsere Geschäftsstellen. Diesen Vorteil besitzt keine andere Bank. « Karsten Rusch, Postbank Karsten Rusch: „Wir sind keine klassische Bankfiliale, den hoch- florigen Teppich werden Sie niemals bei uns finden.“ bank & fonds I interview karsten rusch | postbank 258 www.fondsprofessionell.de | 4/2014 Foto: © Wolf Heider-Sawall Karsten Rusch Seit Anfang März ist Karsten Rusch für den Bereich Pro- duktmanagement Invest- ments & Insurance der Post- bank AG verantwortlich. Sein Werdegang im Bankwesen ist klassisch und begann 1987 mit der Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deut- schen Bank in Wuppertal. Es folgten zahlreiche Stationen im heutigen Mutterkonzern der Postbank, ab dem Jahr 2000 in leitenden Positionen – darunter für das Produkt- management Aktien & Renten und den Fachbereich Ka- pitalmarktprodukte. Bis zu seinem Wechsel zur Postbank verantwortete der 47-Jährige mehr als drei Jahre das In- vestment Advisory Deutschland der Deutschen Bank. Karsten Rusch Die Postbank AG Mit 162 Milliarden Euro Bilanzsumme rangiert die Post- bank AG derzeit auf Platz 10 der größten deutschen Bank- institute. In Bezug auf die Zahl der Geschäftsstellen (1.100) und Mitarbeiter (14.910) belegen die Bonner sogar die Ränge 3 und 5. Ursprünglich 1990 im Zuge der Aufspaltung der Deutschen Bundespost entstanden, ist die Postbank seit 2010 Teil der Deutschen-Bank- Gruppe und zählt aktuell rund 14 Millionen Kunden. Neben den eigenen Geschäftsstellen zählen weitere 850 Filialen der Bauspartochter BHW, 4.500 Partnerfilialen der Deutschen Post sowie rund 3.000 mobile Berater zum Vertriebsnetz. Für die Nutzung der Postbank-Geschäfts- stellen hat die Deutsche Post ihrer ehemaligen Tochter allein im Jahr 2013 mehr als 400 Millionen Euro gezahlt. Der Wertpapierbestand der Postbank beläuft sich auf rund 13,4 Milliarden Euro in 610.000 Kundendepots, davon 510.000 Online-Depots.

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=