FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2014
E gal, ob es um Handyverträge, Versiche- rungen oder Kapitalanlage geht – lange Vertragslaufzeiten sind für Verbraucher unattraktiv, weil sie ihre Flexibilität verrin- gern. Für Unternehmen und Vermittler bedeu- ten lange Vertragslaufzeiten hingegen lang- fristig planbare Einkommensströme bezie- hungsweise höhere Provisionen. Das ist ein Interessenkonflikt, der vor heimischen Gerich- ten immer häufiger zugunsten der Kunden beendet wird, die ihre ursprünglich vereinbar- ten Vertragslaufzeiten nicht länger einhalten wollen. Ihr Argument lautet dabei meist, dass sich ihre Lebenssituation geändert und man sie beimAbschluss der Vereinbarung gedrängt habe. Dass mündige Bürger korrekt abge- schlossene Vereinbarungen auf diese Weise brechen können, ist rechtsstaatlich gesehen eine unerfreuliche Entwicklung, aber doch eine Tatsache, an der sich wenig ändern lässt. Aus der Sicht der Finanzdienstleistungsbran- che ist es daher die vernünftigste Vorgangs- weise, den positiven Aspekt daran zu sehen. Für Finanzberater ist der Trend zur Mög- lichkeit vorzeitiger Kündigungen nämlich durchaus ein zweischneidiges Schwert: Einer- seits können langfristige Verträge, die sie einmal verkauft haben, gekündigt werden, was für sie einen Provisionsverlust bedeutet. Andererseits gibt es Berater, die aus der Hilfe, die sie ihren Kunden beim „Früher Raus“ an- bieten, ein Geschäftsmodell machen. Oder sie freuen sich darüber, wenn sie über die vor- zeitige Kündigung anderer (schlechterer) Ver- träge bei ihren Kunden Liquidität für Neu- abschlüsse „herbeizaubern“ können. Doch wo kommt man inzwischen früher raus? „Im Finanzierungsbereich, bei dem es ja meist um lang laufende Darlehen geht, haben wir in den letzten Jahren öfter Entscheidungen zugunsten der Verbraucher gesehen“, erklärt Fritz Schillhuber, Finanzdienstleister in München, der seit über zwei Jahrzehnten im Finanzierungsbereich tätig ist. „Gesetzlich geregelt ist, dass Darlehens- nehmer das Recht haben, nach zehn Jahren mit einer Frist von sechs Monaten ein Immo- biliendarlehen ganz oder teilweise zurück- zuzahlen (§ 489 Abs 1. BGB). Das war ins- besondere bei den zuletzt ständig fallenden Zinsen vorteilhaft, denn so ist der Kunde während der langen Zinsbindung vor einem steigenden Zinssatz geschützt, kann aber sei- nerseits nach zehn Jahren die langfristige Zinsbindung einfach kündigen und durch eine Umschuldung günstiger finanzieren. Eine Vorfälligkeitsentschädigung fällt hier nicht an. Die kreditgebende Bank muss sich hingegen für die Dauer der Zinsbindung an den verein- barten Zinssatz halten.“ Der Berater verweist darauf, dass es erst eines BGH-Gerichtsurteils bedurfte, um zu entscheiden, dass Kunden in bestimmten Situationen das Recht haben, ihr Immobi- liendarlehen vorzeitig zu kündigen. „Dies ist möglich bei Tod, wirtschaftlicher Not und beim Verkauf der Immobilie. Allerdings ist in diesen Fällen eine Vorfälligkeitsentschädigung zu bezahlen, um die Bank für den vermeint- lich entstandenen Zinsschaden zu entschädi- gen. Auch aus diesem Grund ist es ein unbe- dingtes Muss, ein Sondertilgungsrecht im Darlehensvertrag zu vereinbaren“, so Schill- huber. „Ein außerordentliches Kündigungs- recht entsteht zudem, wenn sich die Bank weigert, durch die laufenden Tilgungen frei gewordene Grundschuldteile nicht mehr mit neuen Darlehen zu beleihen.“ Er verweist darauf, dass außerdem bei allen Verträgen, die Formfehler beinhalten, eine frühzeitige Kündigungsmöglichkeit oder sogar eine Rücktrittsmöglichkeit besteht. „Hierunter fallen zum Beispiel Verträge mit einer feh- lerhaften Widerrufsbelehrung. Da holen wir derzeit viele Kunden aus ihrer langen Zins- bindung raus und können dann die Darlehen wesentlich günstiger finanzieren.“ Auch bei der Fusion von zwei Kreditinsti- tuten gibt es ein besonderes Kündigungsrecht des Darlehensnehmers. „Davon konnten viele Kunden im Jahr 2009 profitieren, als die Commerzbank die Dresdner Bank übernahm. Der Gedanke ist, dass Kunden aus gutem Grund ihre Darlehen bei zwei unterschied- lichen Instituten abschließen und sie es durch die Fusion dann nur mit einem Haus zu tun haben. Hier wird ihnen das Recht eingeräumt, ohne Vorfälligkeitsentschädigung zu kündi- gen, und zu einem anderen Haus zu wechseln – natürlich zu den dann gültigen Kondi- tionen.“ Mehr Rechte bei Versicherungen Auch bei Versicherungen werden Kunden, die sich umentscheiden, durch Regulierung und Gerichtsurteile immer stärkere Rechte eingeräumt. Während Sachversicherungen ohnehin oft jährlich gekündigt werden kön- nen, sind Lebens- und Rentenversicherungen schon wegen ihres Zwecks auf Langfristigkeit 294 www.fondsprofessionell.de | 4/2014 fonds & versicherung I lang laufende ver träge Foto: © Weerapat Wattanapichayakul | Dreamstime.com Zielgruppe Aus- und Umsteiger Gerichtsentscheide, verbraucherfreundliche Regulierung und Zweitmärkte sorgen dafür, dass ein vorzeitiger Exit immer öfter möglich ist. Doch die Illiquiditätsprämie, die eine langfristige Bindung meist bietet, muss geteilt werden. Verbrauchern wird immer öfter zugestanden, lang laufende Verträge vorzeitig zu kündigen. Das ist für Finanzberater ärgerlich, eröffnet aber auch Chancen.
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