FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2014
318 www.fondsprofessionell.de | 4/2014 steuer & recht I informationsaustausch Foto: © Lipaen | Dreamstime.com, Schlief U nter dem Eindruck des damals eben ausgebrochenen Kalten Krieges be- schrieb George Orwell 1948 in seinem Roman „1984“ den totalen Überwachungs- staat. Orwell starb 1950, heute würde er stau- nen, wie recht er behalten hat und wie sehr er doch danebenlag. Denn kurioserweise benö- tigen wir gar keinen totalitäten Staat, um als Bürger täglich eine Spur „gläserner“ zu wer- den. Mit den Argumenten „Terrorgefahr“ und „Steuerhinterziehung“ läuft derzeit ein Pro- gramm, das mit einer gigantischen Über- wachung aller Finanzkonten enden wird, die Bürger irgendwo auf der Welt eingerichtet haben. Kein Entkommen mehr Liegen erst einmal alle Konten und sonsti- gen Finanzpolster offen, ist es für die Staaten ein Leichtes, eine Vermögensabgabe zu erhe- ben oder die Bürger anderweitig zu drangsa- lieren – beispielsweise durch Kapitalverkehrs- kontrollen oder Kapitalschnitte. „Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, wenn man über die vielfältigen Vorschläge und Maßnahmen, von den Negativzinsen über die ,einmalige‘ Vermögensabgabe bis zur Anhe- bung der Höchstverschuldungsgrenze nach- denkt, die letztlich allesamt zur schleichenden und schnelleren Enteignung der Sparer füh- ren“, meint Heinrich Morgen, Gründer und Fondsmanager von Morgen + Partner im schweizerischen Wolfhalden. Er empfindet die Überwachung aller Finanzkonten als Anfang vom Ende der informellen Selbstbestimmung. Ganz abwegig sind solche Befürchtungen nicht, hat doch eine renommierte Organisation wie der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem jüngsten Fiskalbericht ein Denk- modell veröffentlicht, nach dem durch eine zehnprozentige Sondersteuer auf alle Vermö- gen die Staatsschulden in den Griff zu bekom- men wären. Mit dieser Abgabe würde die Ver- schuldung wohlgemerkt nicht etwa auf null gesenkt, sondern das Niveau werde lediglich auf die Schuldenstände von 2007 gedrückt. Auch das Deutsche Institut für Wirtschafts- forschung (DIW) hat die Idee einer Vermö- gensabgabe in einemAufsatz angedacht. Eine zehnprozentige Abgabe aller privaten Vermö- gen oberhalb von 250.000 Euro könnte laut DIW etwa 230 Milliarden Euro in die Staats- kassen spülen. Warum die Aufregung? Die Amerikaner haben mit FATCA (US Foreign Account Tax Compliance Act) die Finanzinstitute weltweit gezwungen, ihnen Kontodaten von US-Staats- bürgern zu liefern – nach festen Regeln und in einem vorgegebenen Datenformat. Seit 1. Juli 2014 gilt FATCA bereits für den Neu- kundenprozess, und für Bestandskunden gilt ein fester Zeitplan zum Auffüllen der zusätz- lichen Kundendaten. Und was den USA Recht ist, ist den übri- gen OECD-Staaten billig: Auch sie wollen über die Bestände auf Auslandskonten ihrer Bürger und mögliche steuerbare Erträge informiert werden. Daher hat der Ausschuss für Steuerfragen (CFA) der OECD am 17. Ja- nuar 2014 gleich den „Standard für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten“ hinterhergeschoben. 65 Staaten wollen bei diesem gemeinsamen Melde- standard („Common Reporting Standard“, CRS) mitmachen. FATCA als Vorlage „Die Einführung ist – ähnlich wie bei FATCA – ein mehrstufiger Prozess. So hat die OECD bereits im Februar 2014 einen schon beinahe finalen Entwurf zum Common Reporting Standard veröffentlicht, und es ist beabsichtigt, dass die Finanzinstitute diesen ab 2017 einführen. Die Sammlung der Daten soll aber bereits für Konten, die schon Ende 2015 bestehen, beginnen“, erklärt Christoph Schlief, Steuerberater und Direktor bei der WTS Steuerberatungsgesellschaft in Köln. Dieser enge Zeitplan setzt Anleger, die Kon- ten in Luxemburg, der Schweiz oder sonstigen Offshore-Zentren unterhalten, in eine gewisse Emsigkeit. Um unangenehme Nachfragen zu vermeiden, wollen sie spä- testens im Kalenderjahr 2015 ihre Konten dort auflösen – zur Sicherheit auch gern schon früher. Alle Konten und Ertragsdaten Was alles gemeldet werden soll, ist enorm. Dazu heißt es im Vorwort des OECD-Doku- ments: „Nach dem Standard beschaffen sich die Staaten und Gebiete Finanzinformationen von ihren Finanzinstituten und tauschen diese jährlich automatisch mit anderen Staaten und Gebieten aus. Der Standard setzt sich aus zwei Elementen zusammen: a) dem gemein- samen Meldestandard, der die Melde- und Sorgfaltsvorschriften enthält, und b) der Mus- tervereinbarung, die die genauen Vorschriften über den Informationsaustausch enthält. Um Allgemeiner Informationsaustausch: Nach FATCA gibt es bald OECD-weit einen Standard für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten. Der gläserne Bürger Das Bankgeheimnis war den Finanzministern weltweit schon immer ein Dorn im Auge. Nun sollen Daten über private Konten weltweit ausgetauscht werden. Dann ist bekannt, wer Geld hat und bezahlen kann, wenn die Party vorbei ist.
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