FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2014
4 www.fondsprofessionell.de | 4/2014 brief der herausgeber S tellen wir uns einmal vor, was los wäre, wenn die Regierung beschließen würde, allen Sparern 15 Prozent ihrer Bankgutha- ben abzuziehen und dieses Geld überschuldeten Kreditnehmern zu geben, damit die ihre Bilanzen sanieren können. Es würde, gelinde gesagt, einige Unzufriedenheit bei den Sparern auslösen. Und es hätte vermutlich auch politisch Auswirkungen: schwer vorstellbar, dass die nächsten Wahlen nicht einen Erdrutsch in die eine oder die andere Richtung bringen würden. Stellen wir uns nun vor, dass man als Sparer fünf Jahre lang keine Zinsen erhält und die Inflationsrate über diesen Zeitraum hinweg drei Prozent jährlich ausmacht. Gäbe es Auf- ruhr? Keineswegs, solange man den Menschen scheinbar kein Geld wegnimmt, bleiben sie ruhig. Sie erliegen der sogenannten Geldwert- illusion, worunter man das Nichtwahrnehmen von Inflation versteht. Die Ursache für dieses Phänomen ist leicht erkennbar: Erstens ver- wechseln wir chronisch den Nennwert eines Geldscheins mit seiner Kaufkraft. Und zweitens geht der Abbau dieser Kaufkraft durch Inflation so langsam vonstatten, dass wir ihn nicht wahrnehmen. Warum die Notenbanken einen Prozess in Gang setzen, der Sparer enteignet, ist seit Ausbruch der Finanzkrise bekannt – anders lassen sich die Staatsfinanzen und die generelle Überschuldungsproblematik nicht mit so wenig Widerstand sanieren. Führende Ökonomen hatten diese Methode sehr rasch vorgeschlagen, und so wie es aussieht, hat man sich an verantwortlicher Stelle dazu entschieden, diesen Weg zu gehen. Wenn man dabei stillschweigend unterstellt, dass dabei vor allem vermögende und sehr vermögende Menschen zur Kasse gebe- ten werden, um überschuldeten Personen, sprich „armen“ Menschen, zu helfen, lässt sich die Geschichte sogar moralisch verkaufen. Der volkswirtschaftliche „Schaden“ hält sich bei dieser Sichtweise deshalb in Grenzen, weil ein Millionär sein Konsumverhalten nicht ändert, wenn sich seine Kaufkraft um 15 Prozent verringert. Der auf diese Weise „unterstützte“ Schuldner wird seinen Konsum hingegen stei- gern, weil es ihm finanziell wieder besser geht, wenn seine Schul- denlast vermindert wird. Der reiche Sparer, dem man einen Teil seiner Kaufkraft weginflationiert hat, wiederum profitiert somit in der zwei- ten Runde von einer generell besseren Wirtschaftslage. Betrachtet man das so, wird die Inflation zu einer Win-Win-Maschine. In der Realität verliert hier aber nach Einschätzung des amerika- nischen Bestsellerautors James G. Rickards ( „The Death of Money: The Coming Collapse of the International Monetary System“ ) vor allem die Mittelschicht – und zwar real. Er verweist auf den franzö- sischen Ökonomen Richard Cantillon, der bereit 1730 (!) darauf hin- gewiesen hat, dass sich Inflation innerhalb der Gesellschaft nicht gleichförmig, sondern in konzentrischen Kreisen ausbreitet. Cantillon zufolge erkennt die Elite das Problem zuerst, und um ihm nicht zum Opfer zu fallen, investiert sie verstärkt in reale Werte. Rickards dazu: „Der Cantillon-Effekt erklärt, warum reiche Investoren wie Warren Buffett in Dinge wie Eisenbahnlinien, Erdöl oder Erdgas investieren.“ Rickards beschreibt einen vierstufigen Prozess: In Stufe 1 legt die Notenbank die Basis für höhere Inflationsraten. Hier fühlen sich noch alle gut, weil sie nominal profitieren. In Stufe 2 wird die Geldentwertung sichtbarer, die Anleger werden durch nominale Gewinne weiter beruhigt und vertrauen darauf, dass die Notenbanker die Situation unter Kontrolle behalten. Während Stufe 3 gewinnt die Inflation an Fahrt, und die Zentralban- ken verlieren die Kontrolle. „Geld“ verliert deutlich an Wert, und nur wer bereits reale Werte besitzt, bleibt verschont. Stufe 4 kann in unterschiedlicher Form ablaufen. Die schlimmste davon ist Hyperinflation, in der das Papiergeld vollständig entwertet wird. Alternativ kann man die Inflation mit einer Schocktherapie bekämpfen, wie sie etwa der legendäre US-Notenbankchef Paul Volcker 1980 anwendete, in dem er die Zinsen auf 20 Prozent anhob – wobei das auch die Wirtschaft beinahe umgebracht hätte. Rickards beantwortet in seinem Kommentar auch die spannende Frage, wo wir uns derzeit befinden: „ Aktuell nähern wir uns, von den meisten unbemerkt, dem Ende von Stufe 1, und Stufe 2 rückt heran. Ersparnisse werden langsam konfisziert, die Anleger werden aber noch durch die Asset Bubbles bei Aktien und Immobilien beruhigt.“ Ob der Amerikaner recht hat oder nicht, ist nicht die Frage. Fest steht, dass das möglich ist, und darauf sollte man als Berater seine Kunden vorbereiten. Die Auswahl an offenen und geschlossenen Fonds, die hier zumindest eine teilweise Absicherung ermöglichen, ist groß, und am FONDS professionell KONGRESS können Sie sich über eine Vielzahl neuer Ideen und Lösungen zum Thema informieren. Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Die Notenbanken arbeiten seit Jahren daran, die Schuldenberge via Inflation abzubauen. „Bezahlt“ wird das alles von braven Sparern – und denen könnte man helfen. Argument Geldwertillusion Mamdouh El-Morsi, Gerhard Führing
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