FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2015

102 www.fondsprofessionell.de | 1/2015 markt & strategie I ezb-politik Foto: © EZB, Jason Alden | Copyright 2014 Bloomberg Finance LP. I n der Diskussion um die Politik der EZB dominiert die Kritik. Die Liste der Vor- würfe reicht von der „Enteignung der Spa- rer“ bis zur These, der Italiener Mario Draghi bevorzuge die „faulen“ Südeuropäer zulasten der „fleißigen“ Nordeuropäer und beschere uns allen langfristig eine Hyperinflation. Wa- rum die EZB eine Politik verfolgen sollte, die solche „Nebenwirkungen“ haben könnte, wird hier meist nicht hinterfragt. Dabei ist der Masterplan der EZB durchaus erkennbar. Aber gehen wir der Reihe nach vor. Wir ha- ben das Problem, dass das lehrbuchmäßige Auf und Ab der Konjunktur nicht mehr statt- findet. Im Normalfall hebt oder senkt die No- tenbank die Leitzinsen je nach Wirtschaftsla- ge, um den Zyklus zu steuern und die Preise stabil zu halten. Dass das nicht mehr funktio- niert, erklärt der amerikanische Hedgefonds- manager Ray Dalio in einem von ihm formu- lierten plausiblen Modell des Wirtschaftssys- tems (Youtube: „Wie die Wirtschaftsmaschine funktioniert in 30 Minuten“) mit einer gene- rellen Überschuldung. In solchen Phasen muss die Kreditmenge verringert werden, was die Angelsachsen als „Deleveraging“ bezeich- nen. Solche Phasen, erklärt der Bridgewater- Gründer, der für institutionelle Anleger 160 Milliarden US-Dollar verwaltet, finden alle paar Jahrzehnte statt, und aktuell ist es eben wieder einmal so weit.Dass die Konjunktur überhaupt zyklisch verläuft, ist für Dalio mit dem kurzfristigen Kreditzyklus erklärbar. In einer Aufschwungphase nimmt die Nei- gung, Schulden zu machen, aufgrund des stei- genden Wohlstands kontinuierlich bis zu dem Punkt zu, an dem die Geld- und die Kredit- menge schneller wachsen als das Waren- und Dienstleistungsangebot. Das löst Inflation aus und führt dazu, dass die Notenbanken, deren Aufgabe die Überwachung der Geldwert- stabilität ist, die Zinsen anheben. Die Kredit- nachfrage sinkt, und die Konjunktur kühlt sich ab. Ist die Inflation unter Kontrolle, stimuliert die Notenbank die Wirtschaft wieder mithilfe von Zinssenkungen, und der Zyklus beginnt von Neuem. Dass dies heute nicht mehr klappt, liegt laut Dalio daran, dass es neben dem kurzfristigen auch einen langfristigen Schuldenzyklus gibt, der über Jahrzehnte hinweg verläuft. Denn obwohl sich das Schuldenniveau in den kurz- fristigen Zyklen wiederholt ausweitet und verringert, nimmt es im langfristigen Zyklus insgesamt zu (siehe Grafik) – und zwar bis zu dem Punkt, an dem das generelle Schulden- niveau „zu hoch“ ist. Weil „zu hoch“ nicht klar definierbar ist, ist auch der Zeitpunkt des langfristigen zyklischen Höhepunkts schwer auszumachen. Ein brauchbarer Indikator ist ein breiter Vertrauensverlust gegenüber einer oder mehrerer Währungen, und dass dies 2008 der Fall war, lässt sich kaum bestreiten. Das theoretische Konzept hinter der ungewöhnlichen Politik der EZB heißt „Beautiful Deleveraging“, und jüngste Daten lassen hoffen, dass es funktionieren könnte. Draghis schöner Schuldenabbau EZB-Chef Mario Draghi arbeitet an einem mehrstufigen Programm, mit dessen Hilfe versucht wird, die aktuelle zyklische Überschuldung möglichst schmerzarm abzubauen. Bisher läuft es (fast) nach Plan. Ray Dalios Modell des Schuldenzyklus Das vom Hedgefondsmanager Ray Dalio entwickelte Modell der Wirtschaft ist simpel. Der Bridgewater-Gründer betrachtet das Phänomen „Wirtschaft“ einfach als die Summe aller Transaktionen, die national und international stattfinden. Jeder einzelne Kauf und Verkauf ist eine solche Transaktion. In Aufschwungphasen steigt die Bereitschaft, Kredite aufzunehmen beziehungsweise zu vergeben, womit das Schuldenniveau steigt. Droht die Inflation zu hoch zu werden, greifen die Notenbanken ein und sorgen mit Zinsanhebungen dafür, dass sich die Konjunktur abkühlt. Trotz dieser Zyklik des Schuldenmachens steigt das Ausmaß der Gesamtschulden im System langfristig laufend an. Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem einer ge- nerelle Überschuldung vorliegt. Aus dieser Situation kommt man nur heraus, indem die Schulden wieder abgebaut werden. Dalios Theorie zufolge kann dies auf erträgliche Weise gelingen, indem man Reiche höher besteuert, einen Teil der Schulden restrukturiert oder streicht, Ausgaben kürzt und im richtigen Ausmaß Geld druckt. Quelle: Bridgewater Associates Wachstum ÜBERSCHULDUNG DEPRESSION Rezession Hochkonjunktur Zeit

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