FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2015

fonds & versicherung I for t- und weiterbildung 294 www.fondsprofessionell.de | 1/2015 Foto: © Syda Productions | Dreamstime.com D eutschlands Versicherungsbranche ver- fügt über ein beeindruckendes Talent, EU-Aufrufen zur Verschärfung der Kontrolle ihrer Vertriebsmitarbeiter dergestalt zuvorzukommen, dass sie die Wünsche Brüs- sels ignorieren kann. Im Dezember 1991 gab die Europäische Kommission an die Mit- gliedsstaaten die Empfehlung aus, Maßnah- men zur Regelung der beruflichen Kompetenz der Versicherungsvermittler zu treffen und eine Eintragungspflicht in ein Register zu eta- blieren. Weil sich die heimischen Versicherer aber schon drei Jahre davor freiwillig auf eine einheitliche Mindestqualifizierung ihrer haupt- beruflichen Außendienstmitarbeiter geeinigt hatten, blieben sie diesbezüglich in der Folge 16 Jahre lang unbehelligt. Erst im Zuge der EU-Vermittlerrichtlinie wurden die Mindest- qualifikation sowie die Registerpflicht gesetz- lich verankert. Und die 2007 eingeführte Sach- kundeprüfung zum „Versicherungsfachmann IHK“ gleicht dabei bis heute eins zu eins dem freiwilligen Ausbildungsstandard von 1991. Das Prinzip, maßgebliche Entwicklungen möglichst in Eigenregie zu prägen, hat für die Assekuranz Methode. Jüngstes Beispiel dafür ist die Fortbildungsinitiative „Gut beraten“, die ebenfalls den Regulierungsplänen aus Brüssel bewusst vorgreift. Konkret wird damit die IDD (Insurance Distribution Directive, zu Deutsch: Versicherungsvertriebsrichtlinie), mit der erstmals die regelmäßige Fort- und Wei- terbildung für Versicherungsvermittler ver- pflichtend wird, vorweggenommen. Spätes- tens 2017/18 muss die Branche glaubhaft dar- stellen, dass sich ihre Vermittler regelmäßig neues Wissen aneignen und vorhandenes auf- frischen. Gelingt die „glaubhafte Darstellung“ nicht, müssten die Verantwortlichen in Berlin nach eigenen Lösungen suchen, um den EU- Vorgaben gerecht zu werden. So weit soll es aus Sicht der Versicherer, die für diesen Fall schärfere Auflagen befürchten müssen, aber gar nicht kommen. Kann sich die Plattform „Gut beraten“ im Markt etablieren, stehen die Chancen wohl nicht schlecht, dass Politik, Aufsicht und Verbraucherschutz die selbst auferlegten Fortbildungsregeln der Versicherer als Marktstandard akzeptieren. Und das würde sich lohnen, denn nicht nur für die Branche geht es bei dieser Frage um hunderte Millio- nen Euro. 16 Millionen Euro Bisher kann sich die Bilanz sehen lassen. Ein Jahr nach dem offiziellen Start von „Gut beraten“ haben Vermittler mehr als 95.000 Fortbildungskonten eröffnet. Dass es sich nach Angaben der Initiative dabei bislang überwiegend um die Vertriebsmitarbeiter der Ausschließlichkeitsorganisationen handelt, ist zu diesem Zeitpunkt eher ein Nebenaspekt. Weit wichtiger ist die generelle Marktab- deckung des Systems. Denn ausgehend vom aktuellen Entwurf erfasst die IDD auch die Angestellten von selbstständigen Vermittlern, Direktvertriebe sowie die Kundenberater von Banken und Sparkassen. Schätzungen gehen daher nicht nur von einer Fortbildungspflicht für die rund 240.000 registrierten Versiche- rungsvermittler aus, sondern von insgesamt 400.000 bis 500.000 Personen, die die IDD tangiert (siehe Kasten Seite 298). Die bislang überrraschend hohe Teilnehmerquote wäre dann nur die Spitze des Eisberges, was mit Blick auf das Finanzierungsmodell von „Gut beraten“ Fragen aufwirft. Angelehnt an einen frühen, aber mittler- weile gestrichenen Passus der IDD, erhebt die Initiative an Vermittler den Anspruch, im Zeit- raum von fünf Jahren mindestens 200 Fort- und Weiterbildungspunkte zu sammeln. Das sind jährlich durchschnittlich 40 Punkte, wo- bei ein Punkt einer Lernzeit von 45 Minuten entspricht. Bei theoretisch 400.000 Fortbil- dungskonten ergibt sich eine Summe von 16 Millionen Punkten beziehungsweise 16 Mil- lionen Euro im Jahr. Denn für die Gutschrift erhebt „Gut beraten“ als Non-Profit-Organi- sation einen Beitrag von einem Euro pro Fort- bildungspunkt. Für eine Fortbildungsdaten- Die Fortbildungspflicht im Versicherungsvertrieb ist nur der Anfang in einem Milliardengeschäft. Doch noch ist nicht klar, wer die Spielregeln bestimmt. Kampf um die Bildungshoheit Die kommende Fortbildungsverpflichtung im Versicherungsvertrieb ist zuerst einmal eine Kostenfrage. Darüber hinaus ist auch die Frage offen, ob der Gesetzgeber eingreift oder ob er sich mit der „Gut beraten“-Lösung zufriedengibt. Gravierender Unterschied Wer sich in seinem Beruf zusätzlich qualifizieren möchte, einen bestimmten Abschluss erwerben will oder eine Umschulung absolvieren muss, der nutzt grundsätzlich eine „Weiterbildung“. Mit dem Begriff „Fortbildung“ wird hingegen die besondere Form einer Weiterbildung definiert, die auf beruflicher Ebene stattfindet.

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