FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2015

306 www.fondsprofessionell.de | 1/2015 steuer & recht I effektive fondsanteile Foto: © Claudiodivizia | Dreamstime.com O b Fondsorder oder Depoteinsicht: Das Papier ist auf dem Rückzug. Selbst zur Depoteröffnung reicht manchen Fondsplattformen längst eine elektronische Unterschrift. Da wirkt es – zumindest für jun- ge Anleger – geradezu anachronistisch, dass es noch Fondsanteile auf Papier gibt. Seit Anfang der 2000er-Jahre werden die effek- tiven Stücke zwar nicht mehr im großen Stil ausgegeben, dennoch befinden sich noch Mil- liardenwerte im Umlauf. Inhabern solcher Papiere von Luxemburger Fonds droht nun eine Art „Enteignung“, und zwar schon bald: Am 18. Februar 2016 werden diese per Gesetz für ungültig erklärt. Milliardenwerte auf Papier Über die genaue Anzahl der effektiven Stücke und deren Wert geben die wenigsten Fondsgesellschaften gern Auskunft, obwohl sie verpflichtet sind, diese Zahl exakt zu ken- nen. Allianz Global Investors Luxemburg spricht von einem „dreistelligen Millionenbe- trag“. Bei den anderen deutschstämmigen Fondsgesellschaften in Luxemburg, allen vor- an Deutsche Asset & Wealth Management, Deka und Union Investment, dürfte es kaum anders sein. In Summe rechnen Branchenken- ner mit einem Wert von ein bis zwei Milliar- den Euro. „Bei insgesamt sieben unserer Fonds sind noch effektive Stücke im Um- lauf“, teilt Hansainvest auf Anfrage mit. „Der Anteil dieser effektiven Stücke an der Ge- samtzahl der ausgegebenen Anteile dieser Fonds liegt Stand 2. Februar 2015 je nach Fonds zwischen 0,06 und 2,8 Prozent.“ Die Papiere schlummern vermutlich in Schließ- fächern, sind in Sofas eingenäht, an Schrank- rückwände geklebt oder hängen hier und dort dekorativ gerahmt an der Wand. Kupontourismus Luxemburg ist nun das erste europäische Land, das effektive Fondsanteile abschaffen will. Das entsprechende Regelwerk mit dem sperrigen Namen „Gesetz vom 28. Juli 2014 über die Immobilisierung von Inhaberaktien und -anteilen sowie die Registerführung von Namens- und Inhaberaktien“ ist am 18. Au- gust 2014 in Kraft getreten. Manche Anleger der Generation Ü40 dürfte das sentimental werden lassen. Sie können sich noch an lange Warteschlangen in den Lu- xemburger Niederlassungen deutscher Geld- häuser erinnern, zu denen die Investoren je- weils zumAusschüttungstermin strömten. Der Andrang war zu Hochzeiten des Kupontou- rismus nach Luxemburg so groß, dass einige Banken um die Ausschüttungstermine herum Bierbänke und -tische aufstellen ließen, damit die Kunden irgendwo warten konnten, bis auch sie ihre Kupons einlösen durften. Effektive Wertpapiere waren bis in die 1990er-Jahre hinein sehr populär; in den 2000er-Jahren ebbte das Interesse ab. Bei- spielsweise hat Pioneer Investments die Aus- gabe effektiver Stücke bei den letzten Fonds zum 30. Juni 2010 eingestellt. Der Blick zurück zeigt, wie sehr sich der Zeitgeist in den letzten 20 Jahren gewandelt hat: Während Steuerhinterziehung heute von den meisten Bürgern als kriminell geächtet wird, galt sie damals fast schon als Volkssport. Bei Tafelpapieren erhielt man die Ausschüt- tung anonym und in bar, ging davon vielleicht gediegen in Luxemburg essen, kaufte noch eine Kleinigkeit ein und fuhr dann gut gelaunt wieder nach Deutschland zurück. Ob man die Ausschüttungsbeträge dann in seiner Steuer- erklärung angab? Viele taten es, etliche auch nicht. Ab 18. Februar 2016 wertlos Zumindest in Luxemburg ist mit den Tafel- papieren nun bald Schluss. Das Großherzog- tum rückt den effektiven Fondsanteilen mit zwei recht eng gesetzten Terminen zu Leibe: Wer seine Anteile bis zum 18. Februar 2015 nicht eingeliefert hatte, darf laut Luxemburger Gesetz keine Ausschüttung mehr erhalten, und auch sein Stimmrecht wird ausgesetzt – in Luxemburg sind einige Fonds in einer ge- sellschaftsrechtlichen Form zugelassen, bei der Anleger ein Stimmrecht haben. Als erste deutsche Investmentgesellschaft reagierte Allianz Global Investors auf das neue Gesetz und informierte die Presse, schließlich ist Eile geboten. Dass die anderen Anbieter die Halter ihrer effektiven Fonds- anteile nicht lautstark warnen, ist erstaunlich, denn die Konsequenzen sind drastisch: Wer den Stichtag 18. Februar 2015 verpasste, hat Die Kuponschnipselei hat ein Ende: Luxemburg hat ein Gesetz erlassen, nach dem effektive Fondsanteile eingezogen und für ungültig erklärt werden. Enteignung per Ansage Wer seine effektiven Stücke Luxemburger Fonds nicht bei der Bank einliefert, nimmt nicht mehr an Ausschüttungen und Wertsteigerungen teil – da kann man sein Geld gleich in den Schredder werfen.

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