FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015
114 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 markt & strategie I nachhaltigkeitsfonds Foto: © GMF A llem Potenzial zum Trotz kommt das Segment Nachhaltigkeit in der Fonds- branche nur langsam in Schwung. Seit vielen Jahren genießt es medial mehr Auf- merksamkeit als bei den Anlegern. Tatsächlich verläuft das Interesse an grünen und ethischen Investments marktweit in zwei ganz unter- schiedlichen Bahnen. In einer Umfrage des Deutschen Derivate Verbands gaben zuletzt fast zwei Drittel von mehr als 4.000 als „gut informiert“ eingestuften Privatanleger an, dass ethisch-ökologische Kriterien bei ihrer Anla- geentscheidung keine oder nur eine unterge- ordnete Rolle spielen. Auf der anderen Seiten berücksichtigen bereits 56 Prozent der insti- tutionellen Anleger Nachhaltigkeitskriterien. Bei kirchlichen Einrichtungen und Stiftungen sind es sogar 90 Prozent, wie eine Umfrage von Union Investment zeigt, an der sich 215 Adressen mit insgesamt mehr als 1.500 Mil- liarden Euro verwalteten Vermögen beteilig- ten. Zwar stammen die Daten aus dem Juli 2014, eine aktuelle Studie des Luxemburger Fondsverbandes ALFI weist aber in die glei- che Richtung. Demnach ist das Anlagevolu- men von Nachhaltigkeitsfonds zwischen 2012 und 2014 europaweit doppelt so stark gestie- gen wie der Gesamtmarkt, nämlich um 56 Prozent. „Verantwortungsbewusstes Investie- ren wird zum gesellschaftlichen Mainstream“, frohlockte der Verband bei der Präsentation der Zahlen, um praktisch im gleichen Atem- zug einzuschränken, dass das Segment zurzeit ausschließlich von institutionellen Investoren angetrieben wird. Und das auf niedrigem Ni- veau: Trotz des neuen Rekordhochs von 372 Milliarden Euro machen die Öko- und Ethik- fonds noch immer nur 3,3 Prozent des Ge- samtmarktes aus (siehe Grafik nächste Seite). Arg strapaziert Dass sich unter den beiden Investorengrup- pen die Geister an einem grundsätzlich positiv belegten Thema wie der nachhaltigen Geld- anlage dermaßen scheiden, mag seltsam er- scheinen, ganz unverständlich ist es aber nicht. Schon seit Jahren wird der Nachhaltig- keitsbegriff arg strapaziert. In nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens wird an das ethisch-ökologische Bewusstsein der Verbrau- cher appelliert. Der Abnutzungseffekt ist ent- sprechend groß und wird verstärkt, weil das Etikett gern als leere Marketinghülle dient. Was nachhaltig ist oder eben nicht, lässt sich ohnehin nur schwer auf einen Nenner bringen, erst recht beim Thema Geldanlage. In Anbetracht von europaweit mehr als 1.870 grünen Investmentfonds sieht der Durch- schnittsanleger den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Und die Liste der Schlagworte, mit denen die Anbieter um Kunden werben, hat es ebenfalls in sich: SRI, ESG, wert- oder normbasierte Ausschlusskriterien, Positivkri- terien, Engagement-Strategien, Best in Class – die Aufzählung ließe sich fast beliebig ver- längern. Je tiefer man in die Materie eindringt, umso schwieriger wird es, ein passendes Pro- dukt zu finden. Bis zu 300 ökologische, so- ziale und ethische Kriterien unterscheidet die Branche. Und die Auswahl wird länger. 2013 hat etwa die Credit Suisse ein Portfolio lan- ciert, das ausschließlich in LGBT-freundliche Unternehmen investiert, eine Abkürzung, die für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans- gender steht. Wer sich als Laie hier nicht über- fordert fühlt, darf sich glücklich schätzen. Selbst gestandene Finanzberater kapitulieren angesichts dieser erdrückenden Vielfalt. Moralischer Druck Offenkundig fehlt hier der richtige Zugang zum Thema, auch wenn der moralische Druck auf die Geldanlage wächst. Schon deshalb würde es wenig Sinn ergeben, den Nachhal- tigkeitsaspekt im Fondsvertrieb auch künftig brachliegen zu lassen. Zumal der Markt bei genauerer Betrachtung schon heute eine ganze Reihe von Beratungshilfen bietet, wie sich Anlegergelder verantwortungsbewusst inves- tieren lassen. Dass es auf dem Markt zu einem solchen Wildwuchs gekommen ist, hat einen einfa- chen Grund: Es fehlt ein gemeinsamer Markt- standard. Ob Produktgeber, Ratingagenturen oder gemeinnützige Organisationen, sie alle arbeiten mit grundsätzlich ähnlichen, aber eben doch unterschiedlichen Ansätzen und Wertvorstellungen. Diese Vielzahl in eine für Der moralische Druck auf Anleger wächst, doch viele Berater und Kunden kapitu- lieren beim Thema Nachhaltigkeit. Die Branche ringt weiter um klare Standards. Suche nach dem grünen Punkt In Europa werben mehr als 1.870 Fonds mit dem Schlagwort Nachhaltigkeit. Kein Wunder, dass viele Anleger den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Etliche unterschiedliche Ansätze versuchen hier Licht ins Dunkel zu bringen.
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