FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015

G arry Heath hat sich ganz dem Kampf gegen die ungeliebte Retail Distribu- tion Review (RDR) verschrieben. Die Gesetzgebung, die es Vermögensberatern in Großbritannien verbietet, Provisionsgeschäft abzuwickeln, gilt seit Ende 2012 und hat den Markt auf der Insel nachhaltig verändert. Heath weiß, wovon er spricht, war er doch selbst zehn Jahre lang Sprecher des britischen IFA-Verbandes. Heute tourt er, nicht müde werdend, durch Europa und erzählt allen in- teressierten Betroffenen, welche Auswirkun- gen das durch RDR verursachte Provisions- verbot auf seinen Heimatmarkt hat. Dazu erstellte der Brite den nach ihm benannten Heath Report. Dieser bereits in der zweiten Fassung erschienene Bericht zeigt in Zahlen die Auswirkungen der RDR. Im Interview er- klärt Heath, warum er Beratern in Kontinen- taleuropa rät, sich mit aller Kraft gegen ein Provisionsverbot zur Wehr zu setzen. Herr Heath, Sie haben nun bereits die zweite Fassung Ihres Heath Reports veröffentlicht: Was sind die wesentlichen Ergebnisse Ihrer Analyse? Der Report zeigt, dass seit 2008 insgesamt 13.500 Berater den Markt in Großbritannien verlassen haben. Viel schlimmer ist allerdings die Tatsache, dass durch die RDR mehr als 16 Millionen Menschen in Großbritannien im Prinzip keinen Zugriff mehr auf professionelle Anlageberatung haben. Die Einzigen, die wei- terhin Beratung bekommen, sind sehr wohl- habende Personen. Wie diese Entwicklung als verbraucherfreundlich angesehen werden kann, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel. Muss man davon ausgehen, dass viele Menschen infolge dieser Entwicklung nicht mehr privat vorsorgen? Ja, und in Großbritannien haben sehr viele Menschen eine massive Pensionslücke, die es zu schließen gilt. Da die staatlichen Renten- leistungen gering sind, hat die private Vor- sorge eine hohe Bedeutung. Durch RDR sind gerade die nicht so wohlhabenden Leute nun wieder verstärkt auf den Staat angewiesen. Diese Entwicklung ist angesichts der demo- grafischen Entwicklung als sehr bedenklich zu betrachten. Im Zuge der RDR-Einführung wurde allerdings auch die betriebliche Alters- vorsorge attraktiver gestaltet – wirkt sich dies nicht positiv aus? Ja, durch das neue System nimmt nun jeder Mitarbeiter automatisch an einer betrieblichen Altersvorsorge teil, wenn er nicht explizit dagegen stimmt. Es gibt auch einige IFAs, die Unternehmen in diesem Bereich beraten. Trotzdem werden die meisten Leute zusätz- lich noch eine private Altersvorsorge benöti- gen, um ihren Lebensstandard auch nur annä- hernd halten zu können. Trauen sich trotz der RDR auch neue IFAs an den Markt? Nein, eigentlich sieht man keine neuen IFAs. Nur im Bereich der Banken zeigt sich nun wieder ein gewisses Maß an Neueinstel- lungen, da man dort Berater für den Bereich der sehr wohlhabenden Kunden braucht. Die Banken haben in der Vergangenheit einfach zu viele Berater entlassen. Wenn man sich die Zahlen Ihres Reports im Detail ansieht, zeigt sich, dass Banken weitaus stärker von der RDR getroffen wurden als IFAs. Fast 90 Prozent der Bankberater haben demnach ihren Job verloren. War den Banken diese Ent- wicklung im Vorfeld schon bewusst? Es werden hierzu keine offiziellen Zahlen ver- öffentlicht, wir sind daher auf Aussagen der Aufsichtsbehörden angewiesen. Allerdings ist es eine Tatsache, dass fast alle Banken in der Vergangenheit Kündigungspläne veröffentlicht haben, von denen hauptsächlich die Anlage- berater betroffen waren. Die Banken wurden von den Auswirkungen der RDR in Wirklich- keit überrascht, was umso erstaunlicher ist, als sich der Bankensektor im Vorfeld sogar mas- siv für die Einführung der RDR stark gemacht hat. Die Banken dachten offensichtlich, dass die RDR in erster Linie die IFAs aus dem Markt drängen würde. Banken und IFAs soll- ten in Kontinentaleuropa also besser gemein- sam gegen ein Provisionsverbot kämpfen. Ist die Konsolidierung auf Ebene der IFAs in Großbritannien damit also noch nicht beendet? Nein, nachdem geplant ist, im Jahr 2016 auch Folgeprovisionen zu verbieten, besteht für 7.000 bis 15.000 Berater die Gefahr, ihre Le- bensgrundlage zu verlieren. Das Problem ist, dass nach unseren Berechnungen bei einem Verbot nur 60 Prozent der Folgeprovisionen in Servicehonorare umgewandelt werden kön- nen. Das würde bedeuten, dass Provisionen in Höhe von mehr als zwölf Milliarden Euro wegfielen. Die eigenen Kosten sind für IFAs durch die Regulierung bereits um 20 Prozent gestiegen, wenn nun auch noch ein Verbot der Folgeprovisionen kommt, werden die Kosten nochmals deutlich ansteigen. Sie argumentieren zudem, dass die Kos- ten, die die RDR mit sich bringt, über- 188 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 vertrieb & praxis I garry heath Foto: © Günter Menzl Auswirkungen der RDR IFA Bank Gesamt IFA-Anzahl Juni 2005 39.500 – – Nov. 2008 (RDR-Einführung) 38.750 – – Nov. 2010 36.250 8.750 45.000 Aktuelle Anzahl an Beratern 33.000 1.000 34.000 Beraterrückgang seit RDR 5.750 7.750 13.500 Quelle: Heath Report Two Garry Heath , Ex-Chef des britischen IFA-Verbands, über die Auswirkungen des Provisions- verbots im Vereinigten Königreich, die Tücken automatisierter Anlageempfehlungen und die Frage, was Europas Finanzberater aus dem Beispiel Großbritannien lernen sollten. „ 16 Millionen Briten haben kein » Aufgrund der RDR haben mehr als 16 Millionen Menschen in Großbritannien im Prinzip keinen Zugriff mehr auf professionelle Anlageberatung. « Garry Heath

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