FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015
vertrieb & praxis I thomas richter | bvi 244 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 Foto: © Christoph Hemmerich W as ihre Absatz- und Bestandszah- len betrifft, eilten Deutschlands Fondsanbieter in jüngerer Zeit regelrecht von Rekord zu Rekord. Wie kam es zu diesen Erfolgen, wo liegen die Her- ausforderungen für die Fondsanbieter, und worin bestehen die größten Gefahren in der näheren Zukunft? Fragen, zu denen Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes BVI, Rede und Ant- wort stand. Herr Richter, trotz aller Belastungen durch eine schier endlos erscheinende Liste von Regulierungsvorhaben und trotz großer Herausforderungen auf- grund einer Phase extrem niedriger Zinsen: Wenn man sich die Zahlen bei Absatz und Bestand von Invest- mentfonds in Deutschland ansieht, scheint sich die Fondsbranche in der besten aller Welten zu befinden? Thomas Richter: Wir sind auf jeden Fall sehr zufrieden mit der Geschäftsent- wicklung des vergangenen Jahres, aber auch mit dem bisherigen Jahresverlauf. Wir konnten Ende 2014 mit einem ins- gesamt in Investmentfonds verwalteten Volumen in Höhe von 2,4 Billionen Euro das höchste jemals von deutschen Fondsanbietern verwaltete Vermögen melden. Das bedeutet, dass die BVI- Mitglieder für ihre Kunden inzwischen mehr Mittel verwalten als die Hedge- fondsindustrie weltweit. Außerdem ver- buchten die deutschen Fondsgesell- schaften 2014 mit Nettomittelzuflüssen von über 123 Milliarden Euro das beste Neugeschäft aller Zeiten. Auch dieses Jahr beginnt mit Rekorden. Im ersten Quartal hatten wir Zuflüsse von 72 Milliarden Euro. Wobei man hier doch schon differen- zieren muss zwischen dem institutio- nellen Geschäft in Spezialfonds und dem Privatkundengeschäft in Publi- kumsfonds? Das ist richtig. 2014 war für die Spezial- fonds ein weiteres Rekordjahr, das vierte in fünf Jahren. Der Trend setzt sich auch im laufenden Jahr fort. Mit Nettomittelzuflüs- sen von 44 Milliarden Euro war das erste Quartal 2015 das absatzstärkste Quartal in der Geschichte der Spezialfonds. Auch Pri- vatanleger nutzen Fonds verstärkt für ihre Vermögensanlage. 2014 erreichten die Zu- flüsse ein überdurchschnittliches Niveau von 32,4 Milliarden Euro. Das ist das beste Neugeschäft seit 2005. Dabei stellt sich allerdings immer die Frage, woher diese Zuflüsse tatsäch- lich stammen. Ihr Verband differen- ziert ja nicht zwischen Mitteln, die tatsächlich von Privatanlegern in die Fonds fließen, und Geldern, die von Seiten institutioneller Investoren in Publikumsfonds angelegt werden. Eine genaue Differenzierung nach Anleger- gruppen ist nicht möglich, denn die Fonds- gesellschaften kennen ihre Endanleger in der Regel nicht. Was sich aber sagen lässt: Der Anteil institutioneller Investoren in Publikumsfonds wächst schon allein auf- grund der Tatsache, dass ETFs in den ver- gangenen Jahren ein wichtiger Bestandteil der Investmentfondsbranche geworden und stark gewachsen sind. ETF-Kunden sind in allererster Linie institutionelle Investoren, die ETFs zur taktischen oder strategischen Allokation nutzen. Dennoch werden amMarkt bestimmte Größenordnungen genannt, nach denen der Anteil der Großinvestoren am Absatz der Publikumsfonds min- destens ein Viertel betragen soll. Solche Zahlen hören wir natürlich auch, wobei ich glaube, dass eine Größenordnung von 25 Prozent zu hoch gegriffen ist. Der Anteil institutioneller Investoren an Publikumsfonds wird erheblich über- schätzt. Den überwiegenden Teil halten tatsächlich Privatanleger. Heißt das, die Privatanleger kehren in Fonds zurück? Ja, das kann man schon so sagen. Pri- vate Sparer besitzen nach Angaben der Bundesbank ein Geldvermögen von über 5.000 Milliarden Euro. Davon ent- fallen aber mehr als zwei Drittel auf Zinsprodukte wie Sicht- und Terminein- lagen. Aufgrund der niedrigen Zinsen verliert das Geldvermögen abhängig von der Inflationsrate real an Wert. Viele Anleger haben das erkannt und setzen auf die professionelle Kapitalan- lage durch Fondsgesellschaften. 2014 etwa waren besonders Mischfonds be- liebt. Sie sammelten die Rekordsumme von fast 23 Milliarden Euro ein. Fonds sind besonders für den langfristigen Vermögens- aufbau in der Altersvorsorge wichtig. Die Versorgungslücke im Alter wird nicht geringer, im Gegenteil, sie wächst, wenn auf das vorhandene Vermögen kaum Zinsen erzielt werden. Leider fördert der deutsche Gesetzgeber nicht Aktien, sondern Zins- produkte von Staatsanleihen bis Lebensver- Die deutsche Fondsbranche steht derzeit gewissermaßen zwischen Baum und Borke. Herausragenden Zahlen bei der Geschäftsentwicklung auf der einen Seite stehen Bedrohungen aus Regulierung und Entwicklung der Kapitalmärkte auf der anderen Seite gegenüber. Ein Gespräch mit BVI-Chef Thomas Richter . „Wir brauchen dringend eine » Nach 100 europäi- schen und deutschen Gesetzen über Fonds seit 2008 ist es Zeit für eine Regulie- rungspause. « Thomas Richter, BVI
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