FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015

250 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 vertrieb & praxis I risikoprofilierung Foto: © Christefme | Dreamstime.com P aul Resnik macht einen entspannten Eindruck. Selbstverständlich ist das nicht – erst gestern landete der Flieger aus Asien, morgen geht es weiter nach Mona- co. Zwei Tage hat er sich genommen, um mit Kunden aus Deutschland zu sprechen. In die- sem Tempo geht es weiter: Zwei Monate am Stück ist Resnik unterwegs, bis er wieder nach Sydney fliegt, zur Zentrale seines Unter- nehmens Finametrica. „Ich bin jedes Jahr sechs bis acht Monate auf Reisen“, sagt er und schmunzelt. „Ich weiß, dass die Hälfte meines Reisebudgets verschwendet ist – ich weiß aber nicht, welche Hälfte.“ Also ist er weiter auf Tour, um rund um den Globus für seine Firma zu werben: Finametrica hat eine Software entwickelt, mit der sich die Risiko- bereitschaft von Privatanlegern ermitteln lässt – samt passenden Musterportfolios und Un- terlagen, die Anleger anschaulich über die Risiken an den Finanzmärkten aufklären. Das alles klingt zunächst wenig spektakulär. Doch es gibt Ergebnisse, die aufhorchen las- sen. So haben sowohl vor 2007 als auch nach 2008 monatlich rund 4.000 Privatanleger den Finametrica-Fragebogen ausgefüllt. Ihre Risi- kobereitschaft, die bei Finametrica zwischen null und 100 Punkten liegen kann, ist in dieser Zeit von durchschnittlich 53 auf 51 Zähler gefallen. „Von einer signifikanten Änderung sprechen wir erst, wenn das Ergebnis um 15 bis 20 Punkte abweicht“, sagt Resnik. Will heißen: Obwohl da draußen die größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten tobte, hat sich die Risikobereitschaft im Schnitt kaum verändert. Bei 80 Prozent der Anleger blieb sie konstant, nur beim Rest gab es mehr oder weniger starke Abweichungen nach oben oder unten. Wie passt das zusammen mit der Tatsache, dass nach der Lehman-Pleite Millionen von Anlegern panisch ihre Aktien verkauften und sich erst jetzt langsam wieder für die Börse interessieren – nach sechs Jahren Aktienrally? „Den wenigsten Anlegern und Beratern ist be- wusst, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen der finanziellen Risikobereitschaft und der Risikowahrnehmung“, sagt Resnik. Die Risikowahrnehmung könne sich schnell ändern, etwa bei einem Börsencrash. „Die Risikobereitschaft dagegen ist ein Persönlich- keitsmerkmal, das imWesentlichen genetisch und durch frühe Erfahrungen bestimmt wird. Sie bleibt das Leben über recht konstant und ändert sich meist nur durch große Einschnitte in der Biografie eines Menschen.“ Resniks Botschaft: Berater, die Portfolios nur an der Risikowahrnehmung ausrichten, hinterlassen oft enttäuschte Kunden – und schichten die Depots zu häufig um, was Rendite kostet. Vier Jahre Entwicklungszeit „Die meisten Tests, mit denen die Risiko- bereitschaft von Anlegern gemessen werden soll, umfassen nur drei oder vier Fragen und genügen damit keinerlei wissenschaftlichen Standards“, sagt Monika Müller, die sich mit ihrer Firma FCM Finanz Coaching in einer Altbauvilla in Wiesbaden eingemietet hat. Die Diplompsychologin hilft Geldprofis wie An- lageberatern und Portfoliomanagern, aber auch Privatkunden, bessere Finanzentschei- dungen zu treffen – und war daher auf der Suche nach einem verlässlichen und belastba- ren Risikobereitschaftstest. In Deutschland wurde sie nicht fündig: „Kein Test, den ich mir angesehen hatte, bot mit Blick auf Kun- denfreundlichkeit und psychometrische Test- kriterien die Qualität, die ich gesucht habe. Also habe ich mich international umgeschaut und bin vor acht Jahren auf Finametrica ge- stoßen.“ Müller war so angetan, dass sie den Fragebogen eifrig weiterempfahl. Heute ver- tritt sie Finametrica offiziell in Deutschland. Seit 2010 gibt es eine deutsche Version, inzwischen nutzen hierzulande rund 200 Berater die Software. Das Programm kostet 695 Euro im Jahr vor Steuern. Wer sich über Kooperationspartner wie Confee oder den Verbund Bundesweite Finanz- und Honorar- beratung anschließt, erhält Rabatt. 800.000 Profile weltweit Resnik, ein Urgestein der australischen Fi- nanzplanerszene, gründete Finametrica 1994 mit Geoff Davey. Vier Jahre lang brauchten sie, um gemeinsam mit Psychologen der Uni- versität New South Wales einen brauchbaren Risikotoleranztest zu entwickeln. „Unsere erste Version hatte 152 Fragen“, erinnert sich Resnik. „Dann haben wir uns Stück für Stück vorgearbeitet, bis 25 Fragen übrig geblieben sind. Jede Einzelne von ihnen deckt gewisse Nuancen auf.“ Die Fragen betreffen unter an- derem die Einstellung zu Finanzrisiken, An- lageentscheidungen der Vergangenheit, das Verhalten als Kreditnehmer, finanzielle Miss- erfolge und die Erwartungen an ein Investment. Es dauert etwa eine Viertelstunde, um den Fragebogen auszufüllen. Das Ergebnis zeigt demAnleger, wie risikobereit er im Vergleich zu anderen Menschen ist – seit 1998 wurde der Fragebogen rund um den Globus etwa 800.000 Mal ausgefüllt. Die Auswertung legt außerdem offen, bei welchen Fragen er von den Antworten abweicht, die für seine Risi- kotoleranz typisch sind. „Kein Mensch ist wie der andere. Darum fallen oft vier bis fünf Ant- worten aus der Reihe“, sagt Monika Müller. „Jetzt kommt der Berater ins Spiel: Er kann Profil gesucht Jeder Mensch ist unterschiedlich – auch was den Umgang mit finanziellen Risiken anbelangt. Ausgefeilte Tests können Beratern bei der Beantwortung der Frage helfen, mit welcher Aktienquote sich ein Anleger noch wohlfühlt. Das Beispiel Finametrica zeigt: Anleger mit Portfolios, die wirklich zu ihrer Risiko- bereitschaft passen, bleiben ihren Strategien auch in Krisenzeiten treu.

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