FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015
264 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 bank & fonds I ver triebsprovisionen D arf eine Bank von ihren Kunden die Zustimmung verlangen, Vertriebspro- visionen behalten zu dürfen? Darüber urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) im Januar 2014. Die Deutsche Bank hatte sich die bisher stillschweigende Praxis in neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) schriftlich legitimiert und wollte dies von ihren Kunden nun abgesegnet bekommen. Der BGH entschied, dass das größte deutsche Kreditinstitut diese Klauseln mit seinen Kunden sehr wohl vereinba- ren kann (Az.: XI ZR 355/12). Die grundsätzliche Frage, ob Banken Vertriebsvergütungen an ihre Kund- schaft weitergeben müssen, ließen die Karlsruher Richter jedoch be- wusst offen. Das Thema kocht aktuell wieder hoch, da kürzlich auch die Spar- kassengruppe ihre AGB ge- ändert hat. Die Institute wollen sich damit für den Fall absichern, dass ein Gericht künftig die grundsätzliche Weiter- gabe der Provisionen an die Kunden verlangt. Im Gegensatz zur Deutschen Bank ließen sich die Sparkassen die Änderung nicht von jedem Kunden schriftlich abzeichnen. Vielmehr mussten die Anleger innerhalb einer bestimm- ten Frist explizit widersprechen, wenn sie nicht damit einverstanden waren, dass ihr In- stitut Provisionen einbehält. Das Vorgehen sorgte für einen Aufschrei im Lager der Verbraucherschützer: „Die Spar- kassen greifen damit massiv in das bestehen- de Vertragsverhältnis ein. Sie weichen von gesetzlichen Regeln ab – und all das, ohne ih- re Kunden aktiv um Zustimmung zu bitten“, so Dorothea Mohn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Umstrittene Rechtslage Ob Banken verpflichtet sind, Vertriebsver- gütungen, die sie von Wertpapieremittenten erhalten, an ihre Kunden weiterzugeben, ist rechtlich umstritten. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sind sie als „Beauftragte verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, her- auszugeben“. Dies könnte auch für Provisio- nen gelten. Anwälte interpretieren diese Para- grafen jedoch unterschiedlich, je nachdem, für welche Seite sie arbeiten. „Eine generelle Pflicht, dass Banken Provisionen an ihre Kun- den weiterleiten müssen, besteht im Rahmen einer unentgeltlichen Beratung nach unserem Verständnis nicht“, sagt Peter Balzer von der Düsseldorfer Kanzlei Sernetz Schäfer. „Dies ist bei einer entgeltlichen Vermögensver- waltung sicherlich anders zu beurteilen.“ Der Anwalt beschäftigt sich aktuell in verschiede- nen Verfahren mit der Provisionsfrage und vertritt dabei die Bankenseite. Höchstrichterliches Urteil fehlt Philipp Mertens, Partner der ebenfalls in Düsseldorf ansässigen Kanzlei BMS Rechts- anwälte und Mitglied im Vorstand des Berufs- verbandes deutscher Honorarberater, sieht das anders: „Die überwiegende Meinung bejaht einen Herausgabeanspruch zumindest für Kommissionsgeschäfte und im Falle einer Anlageberatung“, sagt Mertens. Diese Sicht bestätigen auch Urteile der Oberlandesgerich- te Düsseldorf und Frankfurt. Ein höchstrich- terliches Urteil steht jedoch noch aus. Der BGH machte deutlich, dass Kunden auf die- sen Anspruch verzichten können, selbst wenn die Bank grundsätzlich zur Heraus- gabe verpflichtet wäre. Voraussetzung sei allerdings, dass sie die Provisionen nach den Vorschriften des Wertpapierhandels- gesetzes überhaupt behalten dürfe. Dafür müssen die Zuwendungen „in umfassen- der, zutreffender und verständlicher Weise deutlich offen gelegt worden sein und die Qualität der Wertpapierdienstleistung verbes- sern“. Wenn also die Provisionseinnahmen zu einem breiteren Produktangebot oder einer Betreuung während der ge- samten Produktlaufzeit führen, wäre dies rechtens. Träge Kunden Die Kunden scheint die ganze Diskussion kaum zu berühren: Nur wenige widersprachen den neuen AGB, die bei den meisten Sparkassen bereits seit dem 15. April gelten. Die Frankfurter und die Hamburger Sparkasse sprechen von „vereinzelten“ Ein- wänden. Und der Vorstand einer kleinen Sparkasse im Sauerland erklärt: „Bei rund 5.700 Wertpapierdepots in unserem Haus erhielten wir lediglich zwei Widersprüche zu den AGB-Änderungen. Mit diesen Kunden sprechen wir und erläutern das System der provisionsbasierten Beratung. Wir hoffen dann auf eine Einigung.“ Andere Institute fahren eine härtere Linie: „In der Regel zieht eine Ablehnung die Kün- digung des Depots nach sich, da sonst die AGB zur Gänze nicht mehr wirksam wären“, erklärt der S-Broker, die Direktbank aus dem Sparkassensektor, bei dem die neuen Bedin- gungen am 15. Mai in Kraft getreten sind. Auch die Sparkasse Coburg Lichtenfels kün- digte bereits einem „aufmüpfigen“ Anleger das Wertpapierdepot. „Die 416 Sparkassen entscheiden eigenständig, wie sie mit einem Widerspruch des Kunden verfahren“, so ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Die Allge- meinen Ge- schäftsbe- dingungen sind oft nur mit der Lupe zu lesen. Rele- vant sind sie in jedem Fall – für Anleger genau- so wie für den Ver- trieb. Foto: © Santos06 | Dreamstime.com Wichtiges im Kleingedruckten Die Sparkassen ändern ihre AGB, um Provisionen behalten zu dürfen. Die Diskus- sion darum ist heftig: Es geht um die Zukunft der provisionsbasierten Beratung.
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