FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015
308 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 steuer & recht I protektor Foto: © Anke Dembowski S obald die „Bild“-Zeitung ein Thema auf die Titelseite geho- ben hat, ist es im Volk wirklich angekommen. Demnach muss sich die Assekuranz spätestens seit dem 17. April große Sorgen machen: „Geht meine Lebensversicherung pleite?“, fragte die Zeitung an diesem Tag. Sie beruft sich auf einen Bericht des Inter- nationalen Währungsfonds, demzufol- ge die anhaltenden Niedrigzinsen die Zahlungsfähigkeit von Lebensversiche- rern und Pensionsfonds beeinträchtigen könnten. Die Sorgen um die Lebenspo- licen sind also durchaus berechtigt. Die dauerhaft niedrigen Zinsen machen es der Branche schwer, die versprochenen Ren- diten zu erzielen. Bis zu vier Prozent garan- tierten die Versicherer einst – und das gilt na- türlich auch für neue Prämien alter Verträge. Kurioserweise könnte es nun als erstes Pro- tektor treffen – ausgerechnet jene Gesell- schaft, die 2002 gegründet wurde, um strau- chelnde Anbieter aufzufangen. In der Branche wird gemunkelt, das Unternehmen sei nach Solvency-II-Standards insolvent. Dem Bran- chendienst „Herbert Frommes Versicherungs- monitor“ zufolge muss die Kapitalbasis um einen dreistelligen Millionenbetrag gestärkt werden, um die neuen Eigenkapitalregeln zu erfüllen. Angesichts der Protektor-Eigenmittel von 90,5 Millionen Euro und der versiche- rungstechnischen Rückstellungen von 1,6 Milliarden Euro per Ende 2013 ist das kein kleiner Betrag. Neugeschäft schreibt Protektor nicht, sodass die durchschnittliche Garantie- zusage nicht durch die mittlerweile auf 1,25 Prozent reduzierten Zinsen für neu abge- schlossene Verträge verringert wird. Daher ist das Unternehmen, das die Verträge der kolla- bierten Mannheimer Lebensversicherung fort- führt, von den hohen Garantien stärker betrof- fen als Anbieter mit Neugeschäft. Ausnahme für Protektor? Von offizieller Seite ist zu dem Thema wenig zu erfahren. „Zu Berichten über einen angeblichen Kapitalbedarf der Protektor Lebensversicherungs-AG können wir uns nicht äußern. Auskünfte kann nur die Protek- tor selbst geben“, teilt der Branchenverband GDV mit. Auch die Finanzaufsicht hält sich bedeckt: „Die Bafin steht mit den Unterneh- men in einem engen Austausch, um die finan- zielle Situation zu analysieren und bei Bedarf Maßnahmen einzuleiten, die eine angemesse- ne Erfüllung der Solvenzanforderungen auch in der Zukunft sicherstellen. Über die genauen Inhalte dieses Dialogs oder Aussagen zur wirt- schaftlichen Lage einzelner Unternehmen kann die Bafin aufgrund ihrer Verschwiegen- heitspflicht keine Auskunft geben.“ Protektor selbst äußert sich zur Eigenkapi- talsituation nicht. Zunächst müsse der Jahres- abschluss 2014 durch den Aufsichtsrat festge- stellt werden, was meist bis Ende Mai eines Jahres erfolge. Außerdem habe der Protektor- Vorstand schon früh darauf hingewiesen, dass Solvency II ausschließlich für aktive, sich imWettbewerb befindliche Versiche- rer geschaffen wurde. „Sicherungssys- teme für Versicherungen sind nicht Regelungsgegenstand der europäischen Solvency-II-Richtlinie“, teilt das Unter- nehmen mit. Doch die von Protektor ge- wünschte gesetzliche Klarstellung, dass Solvency II auf reine Auffangeinrichtun- gen keine Anwendung findet, steht bis- lang aus. „Die Protektor Lebensver- sicherungs-AG ist ein Versicherungs- unternehmen wie andere auch“, teilt die Bafin mit. „Insoweit gelten keine Son- derregelungen, die Eigenmittelanforderungen unter Solvency II sind also auch von diesem Unternehmen zu erfüllen.“ Unerwünschte Schlagzeilen Kommt es hart auf hart, greift ein mehrstu- figes Sicherungssystem, das die Pleite eines Anbieters zumindest abmildern soll (siehe Kasten). Sollte Protektor tatsächlich Geld be- nötigen, werden die Eigentümer – alle dem Sicherungsfonds angeschlossenen Versicherer – wohl Kapital nachschießen. Schließlich will die Branche um jeden Preis vermeiden, dass die „Bild“ ihre Schlagzeile zur Pleite eines Lebensversicherers eines Tages mit einem Ausrufezeichen formuliert – und nicht nur mit einem Fragezeichen. Anke DeMBoWskI | FP Wenn der Retter Hilfe braucht Mehrstufiges Sicherungssystem Was passiert, wenn einem deutschen Lebensversicherer die Insolvenz droht? FONDS professionell gibt einen Überblick über den mehrstufigen Sicherungsmechanis- mus, der sukzessive greifen würde. 1. Bafin: Der Regulierer stellt strenge Anforderungen an die Anlage des Sicherungsvermögens. Außerdem kann die Bafin Zinszusatzreserven fordern. 2. Protektor: Kann ein Lebensversicherer seinen Ver- pflichtungen nicht nachkommen, übernimmt die freiwillige Auffanggesellschaft Protektor die Verträge. 3. Sicherungsfonds: Übersteigt eine Rettung die Mög- lichkeiten von Protektor oder ist diese Gesellschaft selbst zahlungsunfähig, springt der Sicherungsfonds ein, dem 110 Mitglieder angehören. 872 Millionen Euro sind dort eingezahlt. Dieses vom Gesetzgeber vorgesehene Vermö- gen von einem Promille der versicherungstechnischen Nettorückstellungen wird jährlich angepasst. 4. Leistungskürzung: Reichen die aufgebauten Mittel des gesetzlichen Sicherungsfonds nicht aus, um die Fort- führung der Policen zu gewährleisten, kann die Bafin die Verpflichtungen aus den Verträgen um maximal fünf Pro- zent der vertraglich garantierten Leistungen herabsetzen. Um Kündigungen zu verhindern, darf die Aufsichtsbehör- de außerdem einen Auszahlungsstopp anordnen. 5. Freiwillige Selbstverpflichtung: Erst nach diesen Maßnahmen greift die freiwillige Selbstverpflichtung der Branche, bei Bedarf bis zu ein Prozent der versicherungs- technischen Nettorückstellungen zur Verfügung zu stellen – zurzeit knapp neun Milliarden Euro. Protektor soll strauchelnde Lebensversicherer auffangen. Ausgerechnet diesem Anbieter drohen nun angeblich selbst Probleme – wenn kein frisches Geld fließt. Die „Bild“-Zeitung griff Mitte April eine Warnung des IWF auf.
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