FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2015
ziellen Kundengruppe. Doch wer sich die Gen Y als neue Klientel erschließen möchte, muss sie dort abholen, wo sie steht: zwischen dem Wunsch, Finanzgeschäfte schnell und selbst- bestimmt online zu regeln, und dem Bedürfnis nach vertrauenswürdiger Unterstützung. „60 Prozent der Young Professionals lassen sich bei Bankgeschäften und in der Geldanla- ge nicht von einem Profi beraten“, sagt Julius Reiter, Professor für Wirtschaftsrecht und Fachbeiratsvorsitzender des IFS Institute for Strategic Finance. Das IFS ist die finanzwirt- schaftliche Einrichtung der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Essen. 2014 haben die Forscher in einer Studie zum dritten Mal den Beratungsbedarf der Gen Y bei finanziellen Entscheidungen untersucht. Wenig Vertrauen in Berater „Das Vertrauen gegenüber Beratern nimmt immer weiter ab“, erklärt Reiter. Zehn Prozent der insgesamt 651 Befragten suchten sich stattdessen Rat in ihrem persönlichen Umfeld, wobei Social-Media-Netzwerke keine Rolle spielen. 67 Prozent der Young Professionals kaufen der Studie zufolge Finanzprodukte über das Internet. „Sie treffen auch durchaus richtige Entscheidungen“, weiß Richter. Schließlich verfügen 89 Prozent über ein gu- tes Finanzverständnis und informieren sich umfangreich. Ein großer Pluspunkt: Immerhin 70 Prozent der Befragten, die Beratung in Anspruch nehmen, empfehlen ihren Berater weiter, wenn sie mit ihm zufrieden sind. Doch dafür müssen Finanzprofis erst einmal an die jungen Kunden herankommen. „Ohne eigenen Online-Auftritt funktioniert das natürlich überhaupt nicht mehr“, sagt Alexander Zureck, der die Untersuchung be- treut hat. Dieser sollte am besten ein Tool vor- sehen, in das ein Interessent gleich beim er- sten Kontakt alle wichtigen persönlichen Da- ten und Details eingeben kann. „Wer zum Beispiel auf der Website eines Beraters nach einer passenden Baufinanzierung sucht, weiß, dass es sich dabei um ein komplexes Produkt handelt“, sagt Zureck. Dem potenziellen Kun- den sei klar, dass er dafür mit dem Finanzpro- fi telefonisch oder persönlich in Kontakt treten muss. „Aber dann erwartet er bereits ein gut kalkuliertes Angebot“, erklärt Zureck. Beginnt der Berater im Gespräch noch mal mit der Abfrage bestimmter Daten oder benötigt er auch nur bestimmte Zusatzinformationen, ha- be er schon verloren. Daher ist es wichtig, dass Online-Tools so feingliedrig wie nur möglich aufgebaut sind – und einwandfrei funktionieren. Usability heißt das Schlagwort. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine aktuelle Studie des Instituts für Versicherungswesen (IVW) der Technischen Hochschule Köln. Die „Gen-Ys“ seien schnell genervt, wenn ein Online-Tool nicht funktioniert oder sie Daten mehrfach eingeben müssen, heißt es in der Untersu- chung. Dann wechseln sie auf die nächste Be- rater-Homepage. „Das ist ja klar“, findet Fre- derik Hertel. „Wenn ich mich an einen Profi wende, dann möchte ich dadurch natürlich auch Zeit gewinnen.“ Dafür darf es nicht gleich beim ersten Online-Kontakt „haken“. Ein Produkt ist viel zu wenig „Die meisten junge Leute versprechen sich von einem Berater einen Zeitgewinn“, sagt Zureck. Young Professionals legen im Durch- schnitt 200 Euro pro Monat zurück, um ihre Zukunftspläne zu verwirklichen oder für das Alter vorzusorgen. Ganz anders als ihre Eltern setzen sie dabei aber nicht auf ein oder zwei Finanzprodukte. Stattdessen investieren sie breit in unterschiedliche Anlageformen, in Ta- gesgeld ebenso wie in Aktien, Fonds oder Ka- pitallebensversicherungen. „Um das passende Produkt pro Anlage- klasse zu finden, nutzen sie ganz stark Ver- gleichsportale wie Check24 oder Verivox“, sagt Zureck. Und sie informieren sich in der Wirtschafts- und Tagespresse, lesen Testbe- richte, stellen sich online selbst ihre eigenen Seiten zusammen, die sie regelmäßig auf neue Finanzinformationen hin checken. „Einer sol- chen Klientel kann ich den gewünschten Zeit- gewinn nur verschaffen, wenn ich ihnen zwei Dinge biete“, sagt Zureck, „ein breites Ange- bot an Produkten vieler Anbieter und einen Wissensvorsprung.“ Das hat auch Helmut Kerken bemerkt. Der 60-jährige Oldenburger Versicherungsmakler ist seit über 30 Jahren im Geschäft und war noch nie so froh, nicht ausschließlich für ein Unternehmen zu arbeiten. „Jungen Leuten könnte ich heute doch nicht mehr mit den Po- licen nur einer Versicherung kommen“, sagt er, „die wollen Vielfalt, und sie wissen oft Die Gen Y investiert zunehmend auf eigene Faust Wie lassen Sie sich in finanziellen Angelegenheiten und der Geldanlage hauptsächlich beraten? 60 Prozent der 18- bis 35-Jährigen gaben 2014 an, ihre Anlageentscheidungen ohne Berater zu treffen. 2013 waren es 49 Prozent. Quelle: isf/FOM Hochschule Online-Banken und -Broker liegen vorn Wo kaufen Sie die Finanzprodukte? Die Gen Y bezieht Finanzprodukte immer häufiger online. 2014 kauften sie 67 Prozent im Internet – nach nur 44 Prozent im Jahr 2013. Quelle: isf/FOM Hochschule 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % Sonstiges Beim freien Finanzberater Beim Finanzberater bei meiner Hausbank Im Online -Banking/ Online-Brokerage 37 % (-1) 67 % (+23) 2 % (-2) 13 % (-1) 2 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % Von einem unab- hängigen Finanzberater Von Bekannten im persönlichen Umfeld Von einem Berater bei meiner Hausbank (Sparkasse, Genossenschafts- bank oder Privatbank) Ich treffe meine Entscheidungen ohne Beratung 22 % (-7) 60 % (+11) 9 % (-3) 10 % (±0) 182 www.fondsprofessionell.de | 4/2015 vertrieb & praxis I finanzberatung für die „generation y“ Foto: © IFS Julius Reiter, IFS: „60 Prozent der Young Professionals lassen sich in der Geldanlage nicht beraten.“
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