FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2015

198 www.fondsprofessionell.de | 4/2015 vertrieb & praxis I vermögensschadenhaftplicht Foto: © Lapuma | Dreamstime.com, Wirth Rechtsanwälte W ährend vermutlich viele Ver- mittler von Direktinvest- ments in diesem Jahr etliche schlaflose Nächte hatten, durften Anlegeranwälte ange- sichts mehrerer gescheiterter Gold- und Immobilienanlagen auf neue Kundschaft hoffen. Ist beim Emissionshaus nichts zu holen, raten die Juristen ihren Klienten, ihren Berater in Haftung zu nehmen. An diesem Punkt kommt die Vermögensscha- denhaftpflichtversicherung (VSH) für Finanzanlagen- und Versicherungsver- mittler ins Spiel – sofern man eine hat. Diese hilft dem Berater im ersten Schritt bei der Abwehr der Forderung, ersetzt dem Kunden am Ende dann aber den Schaden – wenn der Anspruch zu Recht erhoben wurde. Der letzte Nebensatz ist entscheidend, denn die Versi- cherer stehen nicht für alle von Beratern ver- ursachten Verluste gerade. DieAllgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) einer Police sowie die Zusatzbedingun- gen für Vermittler bieten nur einen Grund- schutz, der viele Tätigkeiten gar nicht erfasst und versichert. Außerdem kommt es immer wieder zu Streit darüber, ob die VSH-Police eine Tätigkeit und die daraus entstandenen Schäden abdeckt, weil die Versicherungs- bedingungen nicht eindeutig formuliert sind. Hier finden sich Berater und Makler schnell in einem juristischen Minenfeld wieder. Der Berli- ner Rechtsanwalt Norman Wirth hat für FONDS professio- nell eine Reihe typischer Beispiele zusammengetragen, in denen sich so mancher Versicherer querlegt, weil die Vertragsbedingungen Fragen offen lassen (siehe Kasten). Die Redaktion hat den kleinen Kreis der VSH-Versicherer dazu befragt: Allianz, Axa, Allcura, Ergo, HDI, Liberty, R&V und VHV – mit mäßigem Erfolg, denn die meisten Anbieter wollten nicht detailliert Stellung nehmen. Branchenkenner berichten zwar, dass die VSH-Versicherer in den meis- ten Fällen anstandslos einspringen. Dass es hin und wieder Probleme geben kann, ist aber unbestritten. Schon deshalb ist die genaue Lektüre des Kleingedruckten ein Muss. Ob eher selten oder häufig über den Versicherungsschutz gestritten wird, ist schon daher fraglich, weil genaue Zahlen fehlen, wie viele VSH-Fälle es überhaupt gibt. Weder der Gesamtverband der Deut- schen Versicherungswirtschaft noch die Finanzaufsicht Bafin erfassen diese Fälle gesondert in ihren Haftpflichtstatistiken. Auch die Versicherer und die Spezialmak- ler, die die VSH-Policen konzeptionieren und vermitteln, geben sich recht verschlos- sen. Der Dresdner VSH-Makler Ratzke & Ratzke teilte gegenüber FONDS profes- sionell immerhin mit, 2014 habe es „mehr als 100 Inanspruchnahmen“ gegeben. Ein anderer Spezialmakler, der nicht na- mentlich genannt werden möchte, nennt für 2014 rund 3.500 Schadensfälle. Christian Henseler, stellvertretender Vorsitzender der Schutzvereini- gung deutscher Vermittler von Versicherungen und anderer Finanzdienstleistungen (SdV), die ihren Mitgliedern Vermögensschadenschutz bietet, hat beobachtet, dass die Zahl der Scha- densfälle in den vergangenen Jahren gestiegen ist. „Dies zeigt sich insbesondere im Bereich der geschlossenen Fonds, weniger bis gar nicht bei offenen Fonds“, so Henseler. „Es gibt jedoch auch immer ein ‚Grundrauschen‘ von Schäden aus dem Bereich der Versiche- rungsvermittlung.“ Andere Spezialmakler stimmen zu. Rund 60 Prozent der ihm be- kannten Schadensfälle kämen aus dem Betei- ligungsbereich, sagt Jens-Olaf Teschke, Geschäftsführer des VSH-Maklers Corporate Insurance aus Bad Schwartau. Weitere 30 Prozent entfielen auf die Versicherungsver- mittlung, der Rest auf die übrigen Produkte. Streitfall Obliegenheit Bei gefloppten Beteiligungsmodellen sträu- ben sich die Versicherer allerdings nur selten dagegen, im Fall einer Falschberatung den Schaden oder die Anwaltskosten zu überneh- men. Rechtsanwalt Wirth jedenfalls berichtet, Gibt es Probleme mit Kunden, hoffen Vermittler auf ihre Vermögensschadenhaft- pflicht – manchmal vergebens, wie der Blick in die Versicherungsbedingungen zeigt. Ärger mit dem Kleingedruckten Versicherungsver- mittler haben für ihre Kunden stets das Kleinge- druckte im Blick. Aller- dings lohnt sich die Lektüre auch bei den eigenen Policen. Probleme mit der VSH-Police Bei Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen (VSH) existieren eine Reihe von Unklarheiten. Auch die konkrete Handhabung der Schadensfälle durch die Versicherer ist nicht immer im Sinne der Vermittler. Rechtsanwalt Norman Wirth berichtet von folgenden Problemfeldern: Erklärung des Versicherungsschutzes: Einige Anbieter erklären den Schutz oft nur vorbehaltlich. Dies entspreche aber nicht der gängigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, so Wirth. Anwalt: Versicherer stellen Anwälte, um den „Abwehr- schutz“ zu gewährleisten. Manche Vermittler wählen mit Einverständnis des Versicherers selbst einen Juristen, dem jedoch die nötigen Fachkenntnisse fehlen können. Außerdem kommt es vor, dass der Versicherer einen An- walt bestimmt, zu dem der Vermittler kein Vertrauen hat. Honorarberatung: Es ist juristisch umstritten, ob bei- spielsweise eine Beratung zu einem Tarifwechsel in der privaten Krankenversicherung auf Honorarbasis erfolgen darf. Daher ist es wichtig, dass eine solche Beratung in den VSH-Bedingungen eingeschlossen ist. Die meisten Spezialmakler bieten entsprechenden Deckungsschutz. Tippgeber: Vermittler können von Kunden auch auf Themen angesprochen werden, für die sie keine Erlaubnis haben, etwa die Baufinanzierung. Um hier als Tippgeber agieren zu können, sollten diese Tätigkeiten in der VSH- Police klar geregelt sein, rät Rechtsanwalt Wirth.

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