FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2015

Diese Phase hat unser Vertrauen in die eige- nen Fähigkeiten gestärkt. Offensichtlich ist es uns gelungen, manche Dinge doch etwas klarer zu sehen als der Wettbewerb. Von Storch: Seither spielt nicht nur die Bot- tom-up-, sondern auch die Top-down-Analyse eine wichtige Rolle für unser Haus. Wir konn- ten nicht sagen, welche Bank es konkret tref- fen wird, aber es war uns klar, dass es sinnvoll ist, diesen Sektor weiträumig zu umschiffen. Also haben wir in den Fonds und Kunden- depots alle Wertpapiere von Banken und Ver- sicherern verkauft und alle Festgelder, Geld- marktfonds und offenen Immobilienfonds gekündigt. Das war relativ radikal – heute würde man sagen: aktiv. Der wirkliche Durchbruch, auch in der Wahrnehmung nach außen, kam 2011. Der Multiple Opportunities legte gut sie- ben Prozent zu, während die meisten Wettbewerber deutlich im Minus lagen. Flossbach: Wir hatten uns bereits 2004 zu- sammengesetzt und eine „Roadmap 2020“ entworfen. Da ging es um die großen Trends, etwa die Globalisierung oder die Staatsver- schuldung. Schon damals hatten wir Grie- chenland auf der Agenda – 2004! Das Dilem- ma der hohen Staatsschulden hat sich durch die Bankenkrise natürlich verschärft, was 2011 voll zum Tragen kam. Die gute Perfor- mance in jenem Jahr war im Wesentlichen wieder eine Folge der Erkenntnis, wie porös die Bankbilanzen sind und wie stark die Kur- se schon gestiegen waren. Dax und Eurostoxx waren verseucht mit Finanzwerten, und so reichte eine kleine Absicherung des Eurostoxx aus, um ein Aktienportfolio von rund 55 Pro- zent weitgehend zu immunisieren. Was waren rückblickend die wichtigsten Meilensteine für die Firma? Machen Sie das an Milliarden-Marken fest? Flossbach: Ein Highlight ist sicherlich der Umzug hier in den Turm, das war im Jahr 2010. Aus den alten Büros waren wir raus- gewachsen, wir mussten uns vergrößern. Im Jahresbericht 2010 haben wir stolz geschrie- ben, dass wir jetzt 40 Mitarbeiter haben und vier Milliarden Euro verwalten. Da hatten wir schon das Gefühl, zu einem etablierten, gefes- tigten Unternehmen geworden zu sein. Von Storch: Das fällt zusammen mit dem Zeitpunkt, zu dem die Änderung unseres Geschäftsmodells offensichtlich wurde. Den Multiple Opportunities und die Strategiefonds hatten wir 2007 ja nicht aufgelegt, weil wir groß ins Fondsgeschäft einsteigen wollten, sondern um unseren Kunden eine Lösung mit Blick auf die Abgeltungsteuer bieten zu kön- nen. Dass die Publikumsfonds so wachsen würden, war nicht geplant, das hat sich erge- ben. Im Oktober 2010 hatten die Fonds ihren Drei-Jahres-Track-Record erreicht, was für den Vertrieb wichtig war. Dazu kam die un- ternehmerische Entscheidung, ins institutio- nelle Geschäft einzusteigen. So ist das Unter- nehmen im Lauf der Jahre immer weiter aus dem ursprünglichen Kern, dem Privatkunden- geschäft, herausgewachsen. Von den insgesamt 22 Milliarden Euro, die Sie verwalten, liegen rund neun Milliarden Euro in einer Strategie: dem Multiple Opportunities. Früher konnten Sie akzentuierte Positionen in Nebenwer- ten nehmen oder sich in Nischen austo- ben, wie 2009 mit den Wandelanleihen. Bei diesem Fondsvolumen geht das heute nicht mehr. Ist das kein Problem für sie? Flossbach: Nein, ich sehe das größere Volu- men sogar als Vorteil an. Wir bewegen uns in einer völlig anderen Welt als früher: Die Vor- stände kommen zu uns, wir haben Zugang zu Personen, die uns vor einigen Jahren noch nicht einmal empfangen hätten. Noch wichti- ger ist ein anderer Aspekt: Ich habe ein unge- duldiges Naturell – da ist es sehr hilfreich, wenn man eine wichtige Entscheidung nicht mehr mit einem Fingerschnippen umsetzen kann. Ich muss eine Position langsam auf- oder abbauen, da kann einem die Psyche kei- nen Strich mehr durch die Rechnung machen. Das wäre nur möglich, wenn ich große Top- down-Wetten eingehen würde, aber genau das tue ich nicht. Solche Wetten können auf Dauer nicht aufgehen. Wir haben zwar ein Weltbild, aber das fließt im Wesentlichen in unsere Bottom-up-Einzeltitelauswahl ein. Von Storch: Genau in dieser Verzahnung von Top-down- und Bottom-up-Entscheidungen liegt der große Mehrwert von Multi-Asset. Die Märkte bewegen sich heutzutage so ra- sant, dass man schnell verloren ist, wenn man keine klare Vorstellung davon hat, was in den nächsten Wochen und Monaten passieren kann. Das Weltbild hilft einem außerdem dabei, die Märkte und Sektoren zu finden, in denen sich die Suche nach Einzeltiteln lohnt. Welcher Performanceanteil im Multiple Opportunities geht denn auf die Einzel- titelauswahl zurück und welcher auf die Asset Allocation? 246 www.fondsprofessionell.de | 4/2015 Foto: © Christoph Hemmerich » Die Märkte bewegen sich heutzutage so rasant, dass man schnell verloren ist, wenn man keine klare Vorstellung davon hat, was in den nächsten Wochen und Monaten passieren kann. « Kurt von Storch, Flossbach von Storch cover I ber t flossbach und kur t von storch | flossbach von storch

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