FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2015
253 www.fondsprofessionell.de | 4/2015 lebt, denen die Marktteilnehmer zunächst mit Angst begegnet sind. In den 90er-Jahren ka- men die Discount-Broker auf, später die Fondsplattformen. In der Finanzberatung selbst entwickelte sich die Honorarberatung. Entsprechend gibt es gerade in der Finanz- industrie immer wieder solche Kulturbrüche, die zu Veränderungen führen. Andererseits sehen wir doch auch: Für alle Veränderun- gen, die ich genannt habe, gab es stets durch- aus Platz, wobei sich keine dieser Erschei- nungen bisher so dominant durchgesetzt hat, dass sie die traditionellen Marktteilnehmer komplett hätte verschwinden lassen. Darum wird es auch im Zusammenhang mit dem Aufkommen der Fintechs eher ein Nebenein- ander geben. Für die Direktbanken wurden zu Beginn Marktanteile von 20 oder 30 Pro- zent prognostiziert. Geworden sind es am Ende vielleicht etwas mehr als drei Prozent, weil sich die Erwartung, dass so viele Anle- ger dadurch direkt handeln würden, nicht be- wahrheitet hat. Als Investmentgesellschaft begrüßen wir die Entwicklung der Fintechs, allein schon weil sie einen gewissen neuen Schwung in die Finanzbranche bringen. Oliver Vins (Vaamo): Als einer der Gründer eines Fintech-Unternehmens kann ich nur sagen, dass ich es durchaus begrüße und geradezu spannend finde, dass das Thema momentan in der Tat gehypt wird. Eine sol- che Entwicklung hilft uns einfach, denn die Tatsache, dass das Thema dadurch bei immer mehr Menschen auf dem Radarschirm oder visibler ist, macht mir das Leben und meinen Geschäftsalltag deutlich leichter. Mit Blick auf die gesamte Finanzindustrie fällt auf, dass auch einige der etablierten Player im Markt versuchen, auf den rollenden Fintech- Zug aufzuspringen, zum Teil sogar mit gro- ßen Ressourcen, wenn ich an etablierte Ban- ken wie die Commerzbank oder auch die Deutsche Bank denke. Schon allein deswe- gen glaube ich, dass durch das Aufkommen der Fintechs ein Trend ausgelöst wurde, der die Bankenlandschaft durchaus verändern wird. Und dann ist es im Endeffekt fast schon egal, ob das durch ein Unternehmen wie Vaa- mo oder durch eine Commerzbank passiert. Denn der Wandel, der dadurch angestoßen wurde, wird sich als nachhaltig und tiefgrei- fend erweisen. Reinhard Tahedl (Treefin/Fundsaccess): Eines möchte ich noch ergänzen: Die angesproche- nen Discountbroker sind eigentlich nur da- durch entstanden, dass sich Banken in den 90er-Jahren einfach einmal Gedan- ken darüber gemacht haben, mit wel- chen Preismodellen sie in Zukunft er- folgreich am Markt agieren könnten. Daraus entstanden sind aber auch andere Unternehmen, die man wahrscheinlich heute als Robo-Advisor bezeichnen würde. Denken Sie nur an Netfonds, die ursprünglich im Business-to-Consumer- Geschäft gestartet ist. Auch die heutige Fundsaccess hat früher einen Robo- Advisor mitbetrieben und letztlich ver- sucht, sich als Fondsdiscounter zu posi- tionieren. Und am Ende haben sogar die Fintechs der damaligen Zeit überlebt, wenn man an Check24 denkt. Andere wie Netfonds haben ihr Geschäfts- modell zwischenzeitlich geändert, das Unternehmen gehört heute zu den füh- renden deutschen Maklerpools. Und Fundsaccess hat sich als klassischer Softwaredienstleister im Markt positio- niert. Deshalb kann ich nur zustimmen, dass genau dieser Trend sich wieder- holen wird: Einige Fintechs werden es schaffen, sich am Markt durchzusetzen mit – hoffentlich dann wirklich – inno- vativen Ideen, andere werden es viel- leicht mehr oder minder schaffen, einen Break-Even zu erreichen. Aber sehr viele der nach Schätzungen inzwischen rund 340 in Deutschland aktiven Fintechs werden letzt- lich wieder von der Bildfläche verschwinden. Marcus Hippler (FONDS professionell): Wobei sich die Frage stellt, was die Bran- che aus der Vergangenheit lernen kann. Tahedl: Lernen wird vor allem die bestehen- de Finanzindustrie, sofern sie Augen und Ohren öffnet und genau betrachtet, was tat- sächlich passiert bei der Gründung und Ent- wicklung eines Fintechs. Ich kann nur sagen, dass die sogenannte grüne Wiese die besten Möglichkeiten bietet. Auch wir haben uns entschieden, die Entwicklung des Angebots der Treefin nicht aus unserem bestehenden Unternehmen Fundsaccess heraus zu vollzie- hen, sondern mit einem komplett neuen Team von Mitarbeitern. Einfach weil die schon aktiven Fintechs doch eines gezeigt haben: Wirkliche Innovationssprünge entstehen in der Regel nicht aus bestehenden Unterneh- men heraus. Daher können alle von den Fin- techs viel lernen, vor allem die bestehende Finanzindustrie. Auch wenn sich natürlich erst am Ende zeigen wird, wer es von den neuen Anbietern tatsächlich schafft, den Kundennutzen zu maximieren. Jürgen Klöck (Ebase): Allerdings sollte man bei aller Begeisterung für die Entwicklung nicht vergessen, dass wir es momentan natür- lich mit einer besonderen Konstellation zu tun haben. Was ich meine, das ist die Kombi- nation einer Zeit extrem niedriger Zinsen und die gleichzeitige ständige Verfügbarkeit des Internets übers Handy in der Hosentasche. Denn die nun schon seit Jahren extrem nied- rigen Zinsen lassen nicht nur die Kunden Johannes Cremer, Moneymeets: „In vielleicht zehn Jahren sind viele Anleger zum Do-it-yourself-Investor geworden.“ » Mit Blick auf die gesamte Finanzindustrie fällt auf, dass auch einige der etablierten Player im Markt versuchen, auf den rollenden Fintech-Zug aufzuspringen, zum Teil sogar mit großen Ressourcen. « Oliver Vins, Vaamo
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