FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2015

Markt geworfen, hinter denen kein wirkli- ches Kundenbedürfnis steht. Es mag aller- dings sein, dass gerade im Zusammenhang mit Finanzthemen vielleicht manches Be- dürfnis erst noch geweckt werden muss. Das Thema Finanzen ist nun einmal nicht so sexy, dass sich gleich jeder darauf stürzt. Viele Menschen müssen wohl erst noch an die Be- schäftigung mit diesem Thema herangeführt werden. Aber auch darin liegt natürlich wie- der eine Chance für die Fintechs, vor allem junge Menschen relativ leicht über eine App auf dem ohnehin omnipräsenten Smartphone in entsprechende Technologien einzuführen und über ansprechend gestaltete Anwendun- gen dann auch Themen wie die Geldanlage oder die Altersvorsorge zu transportieren. Das wiederum käme dann nicht nur den Fintechs zugute, sondern wäre zum Vorteil der gesamten Branche. Heuser: Was unsere Leser natürlich inter- essiert: Wie wird sich die gesamte Ent- wicklung auf freie Vermittler und Bank- berater auswirken? Margaris: Die werden am Markt auf jeden Fall noch gebraucht. Ich komme noch einmal auf das schon strapazierte Beispiel des Reisebüros zurück. Um einen einfachen Flug zu buchen, brauche ich das heute nicht mehr. Aber wenn ich eine Safari in Afrika buchen möchte, dann würde ich diese Aufgabe sicher gern einem Spezia- listen übertragen. Und auch die soge- nannten Millennials, die oft als die pas- sende Klientel der Fintechs beschrieben werden, werden irgendwann mit komple- xeren Themen auch bei der Geldanlage konfrontiert sein, sei es die eigene Alters- vorsorge oder eine Erbschaft. Dann wer- den sie sich sicher freuen, sich auf einen guten Berater verlassen zu können. Hippler: Ist es dann demnächst wirk- lich so simpel? Wenn es etwas komple- xer wird – etwa beim Abschluss einer privaten Krankenversicherung oder für die Absicherung der Berufsunfä- higkeit – greifen die Menschen auf die Dienstleistung eines Beraters zurück. Eine Haftpflichtversicherung dagegen finden sie günstiger über ein Ver- gleichsportal. Und sein ETF-Depot stellen dem Kunden Ginmon oder Vaamo zusammen, wenn er aber eine komplexere Anlagestruktur mit aktiv verwalteten Fonds haben möchte, dann kommt wieder der Berater zum Zuge? Cremer: In dieser Frage bieten nach wie vor die Zielgruppendefinitionen deutscher Fi- nanzproduktkäufer, die das Analysehaus For- rester Research bereits 2008 herausgearbeitet hat, eine gute Orientierung. Dort wird unter- schieden zwischen den Do-it-yourself-Kun- den, den sogenannten Delegatoren und – als größte Gruppe – den Validatoren. Letztere sind die Anleger, die eigentlich wissen, was sie möchten und auch mehrfach über Google nach entsprechenden Angeboten gesucht haben, dann am Ende aber eben doch zum Bankberater oder zum freien Finanzdienst- leister gehen, einfach weil sie jemand brau- chen, der ihnen bestätigt, dass sie das Richti- ge tun wollen. Die sind dann auch durchaus empfänglich für Zusatzangebote oder Cross- Selling-Geschäfte des Bankberaters oder des Vermittlers. Diese noch relativ große Gruppe aber wird es in vielleicht zehn Jahren weit- gehend nicht mehr geben. Denn entweder sind diese Anleger dann zum Do-it-yourself- Investor geworden oder zum Delegator, der die Geldanlage nicht selbst vornimmt, aber erkannt hat, dass er künftig preiswert eine Online-Vermögensverwaltung einkaufen kann. Übrig bleiben die wirklich hochkom- plexen Beratungsthemen, bei denen man wie beim Beispiel der Afrika-Safari den Berater wirklich braucht. Heuser: Bleiben dann Ihnen, Herr Vins und Herr Reiner, am Ende doch nur die kleinen Kunden, die gewissermaßen noch am Anfang stehen, weil die komplexen Beratungswünsche nach wie vor über einen Berater abgewickelt werden? Vins: Ich bin mir sicher, dass sich diese Gren- ze, die Sie jetzt ziehen, im Lauf der Zeit deut- lich weiter nach oben verschieben wird. Es ist meiner Ansicht nach ein großer Denkfeh- ler, den viele Banken nach wie vor machen, anzunehmen, dass Kunden mit einer Million Euro und mehr an Vermögen oder mit kom- plexeren Firmentransaktionen noch sehr lan- ge einen Berater benötigen werden. Diese Grenze wird sich schon deshalb viel weiter nach oben verschieben, weil die dafür benö- tigten Produkte ebenfalls weiter standardi- siert werden. In diesem Moment werden auch die entsprechenden Kunden ganz her- vorragend mit diesen standardisierten Lösun- gen leben können. Zum anderen wird natür- lich gleichzeitig die Technologie immer „intelligenter“ arbeiten. Da braucht es dann kaum noch die echte Intelligenz eines Men- schen, um auch komplexe Vorgänge zu bear- beiten. Und seien wir doch ehrlich: So schön das Safari-Beispiel des Reisebüros sein mag und sicher auch auf den einen oder anderen zutrifft: Am Ende sind nur wenige Berater übrig geblieben, die hier einen echten Mehr- wert gegenüber entsprechenden Suchmaschi- nen und Bewertungsportalen im Internet bie- ten können. Und so wird es auch beim Thema Geldanlage sein. Lars Reiner, Ginmon: „Ich glaube, dass die Fintechs derzeit noch unterschätzt werden im Hinblick darauf, was sie wirklich leisten oder abbilden können.“ 258 www.fondsprofessionell.de | 4/2015 roundtable I fintech Foto: © Christoph Hemmerich » Natürlich ist es bequem, den Regulator vorzuschieben, aber wie sich zeigt, wird die Regulierung die unter anderem auch durch Fintechs begonnene Erneuerung in der Branche wohl weiter vorantreiben. « Felix Brem, BN & Partners

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