FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2015
Reiner: Ich glaube zudem, dass die Fintechs derzeit noch unterschätzt werden im Hinblick darauf, was sie wirklich leisten oder abbilden können. Unterschätzt werden sie nicht von den Kunden, sondern eher von den Mitbe- werbern. Wir sind nun gerade einmal knapp zwei Jahre am Markt, und einige der etablier- ten Wettbewerber lehnen sich bereits zurück, weil sie denken, dass sie etwas Ähnliches in zwei Jahren auch werden anbieten können. Und der klassische Finanzberater ist beru- higt, weil er annimmt, dass ihn das Angebot der Fintechs ja wohl noch lange nicht erset- zen wird. Man sollte dabei bedenken, dass wir – und an dieser Stelle spreche ich glaube ich für alle Fintechs – durchaus nach mehr streben. Wir wollen sehr wohl an den Punkt kommen, an dem wir eine automatisierte Beratung anbieten, die sich dann auch jeder leisten kann. Daher finde ich es ein wenig voreilig, wenn jetzt die ersten Marktteil- nehmer die Fintechs nach zwei Jahren Ent- wicklung fragen: Ach, das ist alles, was ihr schafft? Heuser: Ich weiß nicht, ob Sie damit auf ei- nen Kommentar von Hans-Jürgen Bretzke vom Maklerpool Fondskonzept anspielen, den wir auf unseren Onlineseiten veröffentlicht haben. Darin kriti- siert er, dass Fintechs weder neue Produkte hervorgebracht hätten noch günstiger seien als herkömm- liche Angebote. Außerdem gebe es nur mit ETFs unterlegte Standard- angebote, und mehr oder poten- zialstärkere Kunden hätten diese Unternehmen auch nicht. Am Ende bleibe eigentlich nur der gute Marketingauftritt übrig … Vins: … nicht zu vergessen das ge- samte als überaus positiv empfunde- ne Nutzererlebnis. Heuser: Das Nutzererlebnis soll alles sein? Vins: Keineswegs, es sind natürlich verschiedene Faktoren. Aber ich kann Ihnen nur sagen, dass eine Be- fragung unserer Kunden – wohlge- merkt mit Freitext, nicht als Multiple- Choice-Abfrage – ergeben hat, dass zu über 60 Prozent die Einfachheit und das Nutzererlebnis als Gründe genannt wurden, warum Kunden zu uns kommen. Erst danach folgten mit nur 13 Prozent Aspekte wie die Produkte und deren Preis. Das zeigt mir, dass die Kunden uns gut finden, obwohl wir ein passives Produkt, ge- wissermaßen ein Commodity, anbieten. Und selbst der Preis ist im Endeffekt auch nur eine Frage der Fairness. Auch wenn große Banken immer noch sehr viel an versteckten Gebüh- ren verdienen: Im Endeffekt wird der Markt irgendwann auch das durch höhere Transpa- renz sichtbar machen. Deshalb sind es vor allem die Transparenz und das Nutzererleb- nis, aber auch die Einfachheit des Angebots, was die Fintechs auszeichnet. Hippler: Herr Brem, Sie betreiben sowohl ein Haftungsdach als auch einen Makler- pool. Was erklären Sie Ihren angeschlos- senen Partnern über deren Zukunft als Berater? Brem: Dass im Grunde alles eine Frage der Spezialisierung ist. Es gibt aus meiner Sicht für jeden Teilnehmer im Markt eine Berech- tigung. Gleichzeitig glaube ich aber auch, dass es als Makler heutzutage ein Fehler ist, nicht im Internet vertreten zu sein oder die Möglichkeiten neuer Technologien zu nut- zen. Im Gegenteil, das finde ich eher gefähr- lich. Natürlich wird es auch künftig Berater geben, deren Kundschaft lieber auf her- kömmlichem Weg durch eine persönliche Beratung bedient wird und die kein beson- deres Interesse an einer Digitalisierung der Kommunikation mit ihrem Berater zeigt. Was wir dabei aber auch oft erleben: Sobald man eine entsprechende Gebühr etwa für die Zusendung von Unterlagen auf Papier in Rechnung stellt, sind heute auch viele ältere Kunden ganz schnell bereit, sich dem Thema Digitalisierung zu öffnen. In unserem Haf- tungsdach haben wir genau das erlebt: Als wir im Zusammenhang mit der Bereitstel- Hans Heuser, FONDS professionell: „Es stellt sich natür- lich die Frage, welche Modelle konkret am Ende über- leben werden.“ Felix Brem, BN & Partners: „Ich glaube, dass der Erfolg der Fintechs in einer Art Mix der Vorteile von Ange- boten wie Ebay, Facebook und Zalando liegen wird.“ 260 www.fondsprofessionell.de | 4/2015 roundtable I fintech Foto: © Christoph Hemmerich » Die technischen Systeme in den meisten Banken sind nicht nur veraltet, sie sind inzwischen auch so komplex geworden, dass eine Erneuerung dieser Systeme mittlerweile fast schon unmöglich erscheint. « Lars Reiner, Ginmon
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