FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2015

282 www.fondsprofessionell.de | 4/2015 fintech-spezial I banking-tools Foto: © Szefei | Dreamstime.com N ach einer aktuellen Studie der Unter- nehmensberatung Boston Consulting kommt die Digitalisierung die Retail- banken teuer zu stehen. Rund sechs Milliar- den Euro an Erträgen gehen den Instituten bis Ende 2019 durch neue Wettbewerber wie Fin- techs verloren. Die traditionellen Bankfilialen erzielen dann nur noch rund 45 Prozent der gesamten Erträge aus dem Bereich Zahlungs- verkehr, während es heute noch zwei Drittel sind. Fintechs werden sich bis dahin acht bis zwölf Prozent Marktanteil gesichert haben, so die Consultants. Doch nicht alle technikaffinen New- comer sind auf Konfrontation aus. Dies zeigen Start-ups, die mit den Platzhirschen kooperieren und dabei helfen, das Banking einfacher zu machen. FONDS professio- nell stellt einige davon vor. Kontowechsel Mancher Kunde plant seit Längerem, seiner Hausbank den Rücken zu kehren, sei es wegen nicht marktgerechter Konditionen oder weil der Service zu wünschen übrig lässt. Der mit einem Kontowechsel verbun- dene Aufwand schreckt jedoch viele davon ab, den Gedanken in die Tat umzusetzen. Dies könnte sich bald ändern, denn Firmen namens Fino oder Finreach wollen für Ban- ken und deren Kunden den lästigen Papier- krieg rund um den Kontowechsel überneh- men. Dazu gehört: Zahlungspartner wie Ver- sicherer, Arbeitgeber oder Stromwerke be- nachrichtigen, Daueraufträge umstellen und das bisherige Konto auflösen. Das Vorgehen ist einfach: Der Kunde meldet sich mit seinen Onlinebanking-Daten der bisherigen Bank an, und über die neue Software werden automa- tisch alle relevanten Zahlungspartner und Daueraufträge identifiziert. Anschließend ent- scheidet der Kunde, wer über den Wechsel informiert wird – die Benachrichtigungen erstellt der digitale Helfer. „Der Kunde braucht sich keine Gedanken mehr machen, wen er informieren muss, wie die richtige Adresse des Zahlungspartners lau- tet oder wie das Anschreiben auszusehen hat. Selbst das Porto zahlen wir“, so Fino-Digital- Gründer Florian Christ. Der Kontowechsel dauert angeblich nur zehn Minuten und funk- tioniert auf allen internetfähigen Geräten wie Smartphone, Tablet oder PC. „Selbst ohne Internet können Sie in der Regel in die Filiale Ihrer neuen Bank gehen und den Kontowech- sel mit dem Mitarbeiter zusammen erledigen. Die neue Bank muss nur unsere Software ein- setzen“, so Christ. Nach Angaben von Fino speichert das Unternehmen die persönlichen Daten des Kunden nicht auf den eigenen Ser- vern, sie liegen ausschließlich auf dem Gerät des Kunden. Die Commerzbank ist die erste Bank, die die Kontowechsel-App einsetzt. Das scheint bei den Kunden gut anzukommen – in den ers- ten Tagen nach Freischaltung wurde sie mehr als 1.000-mal heruntergeladen. „Wir erwarten, dass die App die Hürde für einen Kontowech- sel deutlich senkt“, sagt Ole Franke vom Di- rektbanking der Commerzbank. Zu den wei- teren Partnern von Fino zählen die Wüstenrot Pfandbrief Bank und die PSD Bank Berlin- Brandenburg. Konkurrent Finreach ist mit seinem Kontowechselservice noch nicht live gegangen, hat aber mit der DKB-Bank bereits einen großen Kunden gewonnen. Kooperationen Auch Marina Walser von der Beratungs- firma GFT Technologies rät den etablierten Instituten, mit jungen Ideenschmieden zu kooperieren, die ohne Denkverbote aus- kommen. Dies kann in den Banken als Ka- talysator für weitere Innovationen wirken. „Die Organisationsstrukturen in den Kre- ditinstituten sind komplex und auf Produkt- entwicklung ausgerichtet. Ein Umdenken in Richtung Kundenzentrierung kann sich lohnen“, so Walser. „Gerade junge Leute Nicht alle Fintechs machen den Banken das Leben schwer – einige Start-ups erleichtern den Kreditinstituten und deren Kunden sogar die Arbeit. Smart Banking Das Smartphone war schon immer mehr als nur ein Telefon. Nun übernimmt es auch den Kontowechsel oder das Ausfüllen einer Überweisungsvorlage – und macht das Postident-Verfahren überflüssig. Treiber der Digitalisierung Kundenzufriedenheit und -bindung sind für über 90 Prozent der Banken die wichtigsten Gründe, um digitale Services einzuführen. Befragt wurden für die Studie 100 europäische Bankexperten. Quelle: GFT Technologies (Digital Banking 2015) 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % Erhöhung der Rentabilität Verbesserung der Kundenbindung Steigerung der Kundenzufriedenheit 83 % 94 % 92 %

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