FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2015
284 www.fondsprofessionell.de | 4/2015 haben längst einen digitalen Tagesablauf, aber die meisten Banken denken immer noch ana- log.“ Wer jedoch nur über die Fintechs klagt und sein Denken nicht ändert, wird die Digital Natives nicht als Kunden gewinnen und hal- ten können. Walser: „Der Druck im Kessel kommt nicht nur von neuen Playern wie Google oder innovativen Fintechs – auch die Kunden sehen, dass es anders geht, und er- warten eine neue Dienstleistungsqualität.“ Online-Identifikation Wer bei der ING-Diba eine Anlage tätigen oder bei der DKB ein Konto eröffnen möchte, muss nicht mehr vor die Tür gehen. Neben der bereits seit Langem möglichen Online- Konto-Eröffnung kann man sich seit diesem Jahr auch per Video identifizieren lassen. Da- zu reichen bereits eine stabile Internetverbin- dung und eine Webcam. Die Videolegitima- tion ist eine Alternative zum herkömmlichen Postident-Verfahren, sie wurde von der Bafin genehmigt. Der Neukunde hält einen gültigen Personalausweis oder Reisepass vor die Ka- mera, damit die Sicherheitsmerkmale und das Hologramm geprüft werden können. Gleich- zeitig wird die Ausweisnummer registriert und ein Foto des Kunden gemacht. Bei der ING- Diba kann man sich täglich zwischen sieben und 22 Uhr legitimieren, sogar am Wochen- ende nach dem sonntäglichen Tatort. Mittlerweile gibt es fünf Anbieter, die die Legitimierung per Video anbieten. Die Firmen IDnow und WebID zählen dabei zu den Marktführern. „Wir fungieren als sogenannter ‚zuverlässiger Dritter‘ und nehmen als Dienst- leister die gesetzlichen Pflichten zur Prüfung der Legitimation nach dem Geldwäschegesetz vor“, so WebID-Chef Frank Jorga. Sein Un- ternehmen war als Erstes am Markt und arbei- tet mit rund 50 Banken zusammen. „WebID führte bereits rund 500.000 Identifikationen durch. Täglich kommen bis zu 3.000 neue Online-Identifikationen hinzu“, erklärt Jorga. Damit Kriminelle keine Chance haben, schulen die Firmen ihre Mitarbeiter im Erken- nen von Ausweismanipulationen und sonsti- gen Urkundenfälschungen. Auch der Daten- schutz ist ihnen wichtig: „Als verlängerter Arm der Bank erheben und gleichen wir die Daten der Kunden ausschließlich für den Auf- traggeber ab. Danach löschen wir die Daten von unserem Server“, so Michael Sittek vom Anbieter IDnow. Im Gegensatz zum Konkur- renten WebID kommuniziert IDnow mit einer eigens entwickelten Software mit dem Kun- den und setzt nicht zusätzlich auf fremde Pro- gramme wie beispielsweise Skype. Daten- schützern ist Skype seit Langem ein Dorn im Auge, da es als US-Unternehmen berechtigt ist, die Kommunikationsdaten für eigene Zwecke zu nutzen. Damit besteht die Gefahr, dass die persönlichen Daten des Bankkunden im Rahmen der Legitimation an einen privat- wirtschaftlichen Dritten gelangen. Nicht jeder dürfte davon begeistert sein. Die Technik scheint auf Seiten der Anbieter stabil zu sein, gelegentliche Abbrüche sind meistens durch Probleme auf der Kundenseite zu verzeichnen. „Etwa 87 Prozent der Kun- den, die eine Legitimation begonnen haben, führen diese derzeit auch zu Ende“, erklärt Sittek. Da nicht alle Menschen die techni- schen Möglichkeiten nutzen möchten, bleibt das traditionelle Postident-Verfahren trotz der Alternative Videoident weiterhin relevant, ver- liert jedoch stetig an Bedeutung. „Durch die eingeschränkten Öffnungszeiten der Filialen, die Betrugs- und Fehleranfälligkeit innerhalb des Prozesses und die Möglichkeit, dass die Post einen Kunden abwirbt, sehe ich die Exis- tenz des Verfahrens als endlich an“, so Sittek. Kein IBAN und BIC mehr Auch die Münchner Firma Gini will das Banking smarter machen. Mit der Smart- phone-Applikation Ginipay gehört das lang- wierige Ausfüllen von Überweisungen der Vergangenheit an. Der Kunde muss nur mit seinem Handy ein Foto von der Originalrech- nung machen, anschließend filtert die Soft- ware alle relevanten Daten wie Zahlungsemp- fänger, Kontonummer (IBAN) und Verwen- dungszweck heraus und übernimmt diese automatisch in die Felder des Überweisungs- formulars im Onlinebanking. Rechnungen, die im PDF-Format vorliegen, erkennt und verar- beitet die Software direkt – ohne den Umweg über das Foto. „Je Feld erreichen wir Erken- nungsraten von 95 Prozent und mehr“, so Gini-Gründer Steffen Reitz. Für den jungen Manager bietet die Digita- lisierung von Unterlagen und Dokumenten zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten, die Überweisungssoftware macht da erst den Anfang. So können Rechnungen, Briefe oder Zahlungsbelege digital gebündelt und dann weiterverarbeitet werden. „Zukünftig kann man Buchungen auf Kontoauszügen mit den dazugehörigen Dokumenten direkt verknüp- fen“, so Reitz, der vom papierlosen Büro träumt. Ginipay kommt bei den Banken gut an: „Wir möchten unseren Kunden Lösungen anbieten, die das Leben leichter machen. Die App macht Spaß, und die lästige Eingabe der Daten in einen digitalen Überweisungsträger ist nun nicht mehr nötig“, sagt Comdirect- Vorstand Sven Deglow. Die Direktbank will sich weiter im Digitalgeschäft engagieren und Fintechs bereits in der Gründungsphase unter- stützen. In „Start-up-Garagen“ stellt sie jungen Unternehmen Büros, Infrastruktur und eine Anfangsfinanzierung von bis zu 10.000 Euro zur Verfügung. „Innovation bedeutet für uns, dass es nicht darum geht, immer alles selber zu entwickeln“, sagt Deglow. Wer als Kreditinstitut eine technikaffine Klientel nicht verlieren oder besser noch gewinnen möchte, kommt an den „jungen Wilden“ nicht vorbei. Die neuen Anwendun- gen erleichtern den Kunden die Bankgeschäf- te, ganz ohne zusätzliche Gebühren. Wer nicht online ist oder nicht sein möchte, hat das Nachsehen. Für ihn bleiben die Wege lang – und der Aufwand hoch. MARCUS HIPPLER | FP Foto: © Comdirect, GFT Technologies Marina Walser, GFT Technologies: „Gerade junge Leute haben längst einen digitalen Tagesablauf.“ Sven Deglow, Comdirect: „Innovation bedeutet für uns, dass es nicht darum geht, alles selber zu entwickeln.“ fintech-spezial I banking-tools
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