FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2015

308 www.fondsprofessionell.de | 4/2015 fonds & versicherung I versicherungsberater Foto: © Markus Gann | Dreamstime.com; Volker Schmidt A ls die große Koalition in Berlin vor zwei Jahren ihr Arbeitsprogramm vor- stellte, hatte sie sich viel vorgenom- men. Im Koalitionsvertrag steht: „Wir werden die Einführung der Honorarberatung als Al- ternative zu einer Beratung auf Provisionsba- sis für alle Finanzprodukte vorantreiben.“ Im Wertpapierbereich ist die Honorarberatung seit August 2014 reguliert, für Hauskredite soll 2016 der „Honorar-Immobiliardarlehensbe- rater“ folgen (siehe auch den Beitrag zum neuen Paragraf 34i Gewerbeordnung (GewO) auf Seite 326); bleibt als offene Flanke der Versicherungsbereich. Zwar gibt es schon seit vielen Jahren den nach Paragraf 34e GewO regulierten Versi- cherungsberater, der ausschließlich gegen Ho- norar arbeitet. Doch dieser darf nur einen Bruchteil der am Markt verfügbaren Policen vermitteln – nämlich Nettotarife, die keine Provisionen enthalten (siehe Kasten). Der Be- ruf gilt darum als einigermaßen praxisfern. Da- her will das Verbraucherschutzministerium ih- nen erlauben, auch verprovisionierte Tarife zu vermitteln unter der strikten Bedingung, dass sie Provisionen direkt an die Kunden weiter- leiten. Genau so sieht es auch Paragraf 34h GewO für Honorar-Finanzanlagenberater vor. Dieser Vorschlag, der auf den ersten Blick sehr sinnvoll erscheint, stößt ausgerechnet bei den Versicherungsberatern selbst auf Ableh- nung, obwohl ihnen eine solche Regelung den Alltag erleichtern und neue Kundengruppen erschließen würde. Wer der Frage nachgeht, warum das so ist, muss kurz in die Geschichte der Versicherungsberater eintauchen – und erfährt, dass eine Honorarberatung im Versi- cherungsbereich auch heute schon ohne 34e- Zulassung möglich ist. Rechtsberatender Beruf Das Berufsbild der Versicherungsberater entstand schon in den 1930er-Jahren. Sie be- raten nicht nur beim Abschluss eines Versi- cherungsvertrags, sondern stehen ihren Kun- den auch im Schadensfall mit rechtlichem Rat zur Seite und helfen, Ansprüche gegenüber dem Versicherer außergerichtlich zu vertreten. „Wenn ein Mitbürger einen Versicherungs- schaden an seinem Auto hat und es bei der Abwicklung des Schadens Probleme und Streitigkeiten gibt, darf ich in dessen Namen an den Versicherer herantreten und den Fall behandeln“, sagt Volker Schmidt, Versiche- rungsberater aus dem ostfriesischen Spetzer- fehn. Darüber hinaus üben sie auch gutachter- liche Tätigkeiten aus. „Versicherungsberater können von Amts-, Landes- und Oberlandes- gerichten als Sachverständige für die Begut- achtung von Versicherungsverträgen beauf- tragt werden“, sagt Stefan Albers, Präsident des Bundesverbandes der Versicherungsbe- rater (BVVB) und Inhaber einer Kanzlei in Montabaur. Diese Sonderstellung wurde 1987 zemen- tiert. Damals urteilte das Bundesverfassungs- gericht, dass die Versicherungsberatung als zulässige Berufstätigkeit im Rahmen des Rechtsberatungsgesetzes (heute Rechtsdienst- leistungsgesetz) erhalten bleibt. 20 Jahre spä- ter wurde der Versicherungsberater im Zuge der Umsetzung der EU-Versicherungsvermitt- lerrichtlinie dann der Gewerbeordnung unter- stellt, genau wie die Versicherungsvertreter und -makler. Die beratenden Elemente und die Aufgaben als Rechtsbeistand blieben je- doch bestehen. Dieser historische Hintergrund mag auch erklären, warum viele 34e-Berater eine vergleichsweise hochwertige Ausbildung haben, obwohl im Prinzip die Qualifikation als Versicherungsfachmann ausreicht. „Viele Kollegen im BVVB haben entweder einen Fachhochschul- oder Uniabschluss oder sind Versicherungsfachwirte“, sagt Albers. Versicherungsberater blicken auf eine lange Geschichte zurück. Diese scheint nun die Anpassung an eine moderne Honorarberatung zu blockieren. Der Tradition verhaftet Versicherungsberater pflegen ihre Traditionen wahrscheinlich nicht ganz so leidenschaftlich wie mancher Bayer, doch auch sie legen größten Wert auf ihre Unabhängigkeit – selbst wenn das im Berufsalltag mitunter bremst. Dürfen Versicherungsberater Policen vermitteln? Viele Finanzberater meinen, ein nach Paragraf 34e Ge- werbeordnung (GewO) regulierter Versicherungsberater dürfe seine Kunden nur beraten, ihnen die empfohlene Produktlösung dann aber nicht besorgen. Das ist nicht richtig. Zwar betont das Verfassungsgericht in einem Urteil von 1987, dass ein Versicherungsberater nicht vermittelnd tätig werden darf, da seine Beratungstätigkeit „objektiv und neutral“ erfolgen muss. Zudem soll jegliche Interes- senbindung an eine Versicherungsgesellschaft ausge- schlossen werden. Das zielt Anwälten zufolge jedoch nur auf das Verbot der Annahme jeglicher Vergütung von Sei- ten eines Versicherers ab. Eine Nettopolice darf ein Ver- sicherungsberater seinem Kunden demnach durchaus besorgen – zumal an einer anderen Stelle des Urteils er- wähnt wird, dass die Empfehlung von konkreten Policen zum Aufgabenfeld des Versicherungsberaters gehört. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass eine „Ver- mittlung“ im juristischen Sinn nur dann vorliegt, wenn die Vergütung von einem Dritten stammt. Streng genom- men darf ein Versicherungsberater also tatsächlich keine Policen „vermitteln“. Zu einer Produktlösung verhelfen darf er dem Kunden aber – solange keine Provision fließt.

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