FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2015

312 www.fondsprofessionell.de | 4/2015 messener Ertrag erzielt wird und eine ausrei- chende Liquidität gewährleistet ist“ (§ 80 Abs. 1 SGB IV). Nach dieser Zielsetzung legt die gesetzliche Rentenversicherung schon heute ihre Nachhaltigkeitsreserve an, die Ende 2014 immerhin bei 35 Milliarden Euro oder 1,91 Monatsausgaben lag. Insofern verfügt die Rentenversicherung bereits über eine langjäh- rige Anlageerfahrung, wobei die Rendite an- gesichts des Niedrigzinsumfelds mikrosko- pisch sein dürfte – veröffentlicht wird sie nicht. „Wer eher risikofreudig ist, findet aus- reichend Alternativen bei Banken und der Versicherungswirtschaft, zu deren Angeboten das Vorsorgekonto insofern nicht in Konkur- renz tritt“, meint Seiter. Ergänzend werde auch das Modell eines Generationenfonds geprüft: „Danach müssten rentable, aber damit auch stärker risikobe- haftete Kapitalanlagen mit einer kollektiven Reserve kombiniert werden. Die kollektive Reserve würde dazu dienen, Verluste an den Aktienmärkten auszugleichen. Gleichzeitig würde sie einen Risikoausgleich zwischen den Generationen ermöglichen.“ Was sagt der Markt? Der Markt steht dem Projekt teils offen, teils skeptisch gegenüber. „Wir haben uns die Vorschläge zum Vorsorgekonto angeschaut. Die Idee an sich ist nicht schlecht“, sagt Klaus Morgenstern vom Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA) in Berlin. Er ist der Meinung, dass in allen drei Säulen der Alters- vorsorge etwas passieren müsse, damit die Bürger imAlter ein gutes Auskommen haben. Insofern begrüßt das Institut alle Ideen, die da- zu vorgebracht werden. „Aber der Vorschlag muss natürlich noch konkretisiert werden. Beispielsweise muss man schauen, wie die Kapitalanlage gemacht wird. Wenn man sich hier nur im Rahmen des Sozialgesetzbuches bewegen will, ist der Kreis der Kapitalanlagen sehr eingeschränkt, und es wird keine groß- artige Rendite drin sein.“ Dabei seien gerade für die Altersvorsorge ansehnliche Renditen wünschenswert. „Es wird ja schon bei den vorhandenen Riester-Produkten bemängelt, dass die Renditen zu niedrig sind.“ Außerdem sei zu klären, wie der Vertrieb organisiert werden soll, denn es soll ja weit- gehend auf Vertriebskosten verzichtet werden. „Die Leute fragen aber Altersvorsorgeproduk- te nicht von sich aus nach, das haben wir bei- spielsweise bei der Metallrente gesehen“, gibt Morgenstern zu bedenken. „Möglicherweise kann jedoch eine vertrauenswürdige staatliche Stelle den Vertrieb mit relativ geringem Auf- wand machen.“ Quasi-Enteignung möglich Der Gesamtverband der Deutschen Versi- cherungswirtschaft (GDV) schlägt skeptische- re Töne an. Naturgemäß sieht der GDV die kapitalgedeckte private Altersvorsorge lieber in den Händen der privaten Versicherungs- wirtschaft als bei einer staatlichen Stelle, aber er hat durchaus gewichtige Argumente: „Ein Punkt ist, wie der Staat mit Kapitalansamm- lungen in Krisenzeiten umgeht“, erklärt Tho- mas Lueg, Referent in der sozialpolitischen Abteilung des GDV. „In der Vergangenheit gab es immer wieder Beispiele, bei denen da- rauf zugegriffen wurde. In Irland und in Spa- nien beispielsweise wurde jeweils der Reser- vefonds, der für die Altersvorsorge der Bevöl- kerung gedacht war, zweckentfremdet. Oder nehmen Sie die Beamtenversorgung des Saar- landes: In der Versorgungsrücklage befinden sich nur Schuldscheine des eigenen Landes.“ Ungeklärt sei auch die Vertriebsfrage. „Die privaten Anbieter werden wegen ihres Ver- triebs als zu teuer und ineffizient kritisiert. Wer aber auf diese Kosten verzichten möchte, sollte erklären, wie das Produkt ohne Obliga- torium in die Breite getragen werden soll“, sagt Lueg. Der vielgescholtene Vertrieb erfülle genau diese sozialpolitisch wichtige Funktion, den Menschen das Thema Altersvorsorge nä- herzubringen. In der Tat zeigt die Erfahrung, dass die meisten Bürger ohne individuelle Beratung zum Vorsorgebedarf und ohne indi- viduell angepasste Lösungen nicht vorsorgen. Lueg: „Das billigste Produkt nützt nichts, wenn es nicht zum Kunden kommt.“ Dazu kommt ein anderer Punkt: Nach euro- päischemWettbewerbsrecht darf der Staat den privaten Anbietern nicht ohne Grund Konkur- renz machen. Wenn er als aktiver Anbieter in der freiwilligen kapitalgedeckten Vorsorge auftritt, die bislang über Märkte organisiert ist, tauchen automatisch ordnungspolitische und wettbewerbsrechtliche Fragen auf. Lueg befürchtet außerdem, dass sich das staatliche Vorsorgekonto als intransparent ent- puppen könnte. Er verweist auf die Rücklage der Beamten-Versorgung, bei der man sehr lang und oft vergeblich nach der genauen Zusammensetzung der Kapitalanlage suchen müsse. „Insgesamt sind bei dem Vorschlag aus Baden-Württemberg viele Fragen noch nicht geklärt“, fährt Lueg fort: „Wie sieht es zum Beispiel mit einer Insolvenzsicherung aus?“ Die Versicherungswirtschaft verfüge mit Protektor über eine branchenfinanzierte Siche- rungseinrichtung, und in der bAV gibt es den Pensions-Sicherungs-Verein, der von den Unternehmen finanziert wird. „Würde für das Vorsorgekonto letztendlich der Staat haften, hätten wir ein wettbewerbsrechtliches Pro- blem.“ Ministerium reagiert verhalten Auch die Bundesregierung gibt sich zu- rückhaltend. Ein Sprecher des Bundesmi- nisteriums für Arbeit und Soziales teilte auf Anfrage von FONDS professionell mit: „Die Idee eines kostengünstigen staatlichen Alters- vorsorgekontos wird immer wieder in die Rentendiskussion eingebracht. Allerdings gibt es nicht nur gewichtige sachliche Gründe, die dagegensprechen, sondern ein solches Vorsor- gekonto dürfte auch an rechtliche Grenzen stoßen.“ So sei fraglich, ob ein staatliches Produkt, das in Konkurrenz zu privaten Al- tersvorsorgeangeboten treten würde, mit dem europäischen Wettbewerbsrecht vereinbar sei. „Ferner könnte eine solches Vorsorgekonto zwar unter Kostengesichtspunkten grundsätz- lich günstiger für die Bürgerinnen und Bürger sein. Die Kosten allein lassen aber kein ab- schließendes Urteil über die Gesamtqualität eines Anlageproduktes zu“, so der Sprecher. „Dazu gehört auch eine Beurteilung der Er- tragschancen und Risiken des Produktes.“ Insofern ist wohl nicht damit zu rechnen, dass Berater in näherer Zukunft mit dem Konkurrenzprodukt „Vorsorgekonto“ rechnen müssen. Die Entwicklung beobachten sollten sie dennoch. ANKE DEMBOWSKI | FP fonds & versicherung I vorsorgekonto Foto: © Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg Hubert Seiter, Deutsche Rentenversicherung: „Wer eher risikofreudig ist, findet ausreichend Alternativen.“

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