FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2015

314 www.fondsprofessionell.de | 4/2015 steuer & recht I finanzmarktwächter Foto: © Dreamstime; Verbraucherzentralen D unkle Haare, gebräunter Teint, weißes Hemd und ein offenes Lächeln: Als Christian Ahlers den Besprechungs- raum des Bundesverbandes der Verbrau- cherzentralen (VZBV) in Berlin be- tritt, scheint er gerade aus dem Urlaub zu kommen. Zu dem respekteinflößenden Be- griff „Finanzmarktwäch- ter“ will er mit seiner jugendlichen Erschei- nung und seiner zu- gewandten Art gar nicht passen. Ahlers ist auch nicht der Fi- nanzmarktwächter in Person, aber er gibt dem Projekt, das un- ter diesem Namen läuft, ein Gesicht. Gefördert vom Bundes- justizministerium sollen die Verbraucherzentralen mit dem- Finanzmarktwächter den deutschen Markt für Finanzprodukte auf Missstän- de hin untersuchen und so für mehr Ver- braucherschutz sorgen. Einfach gesagt. Christian Ahlers erklärt es etwas anders: „Zentrale Idee der Marktbeobachtung ist es, im Rahmen eines Frühwarnsystems mit Sensorfunktion nah an den Verbrauchern zu sein.“ Wer es etwas genauer wissen möch- te, muss schon nachfragen. Anders, als der er- ste Eindruck vermuten lässt, ist der Leiter des Projekts Finanzmarktwächter im Gespräch dann doch nicht so offen, zeigt sich eher ziemlich zurückhaltend. Dabei hat er nichts zu verbergen. Die Arbeit läuft auf Hochtou- ren, erste Ergebnisse sind im November be- reits veröffentlicht worden. Vollbetrieb ab 2018 Der Finanzmarktwächter ging Anfang Fe- bruar 2015 an den Start. Das Projekt ist auf Initiative des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ins Leben gerufen worden, das den Aufbau bis 2017 auch finan- ziell fördert. Ab 2018 soll der Finanzmarkt- wächter im Vollbetrieb laufen. Aufgabe des Projekts ist es, strukturelle Missstände in Be- reichen des deutschen Finanzmarktes auf- zudecken, mit denen Verbraucher direkt in Kontakt kommen. Dafür konzentrieren sich fünf sogenannte Schwerpunkt- Verbrau- c h e r - zen- tralen auf jeweils einen Teilmarkt. In diesen Bereichen tragen sie Informationen und Daten zusammen, die ihnen bundesweit von allen Verbraucherzentralen zugeliefert werden. Häufen sich etwa Beschwerden über be- stimmte Produkte oder fallen zunehmend Pro- bleme mit einzelnen Vertriebspraktiken auf, so leitet die zuständige Schwerpunktverbrau- cherzentrale eine Sonderuntersuchung ein. So- fern die Analyse zu dem Ergebnis kommt, dass die untersuchten Missstände eine Struk- tur erkennen lassen, gibt der Marktwächter die Resultate an die Bundesanstalt für Finanz- dienstleistungsaufsicht (Bafin) und die Gewer- beaufsicht weiter. Die Bafin kann dann zu rechtlichen Mitteln greifen, zum Beispiel ein Produkt vom Markt nehmen, einem Anbieter die Geschäftstätig- keit untersagen oder sogar die Staatsanwalt- schaft einschalten. Dem Finanzmarktwächter selbst stehen aufsichts- und strafrechtliche Sanktionen nicht offen. Zivilrechtlich hat er jedoch durchaus die Möglichkeit, gegen An- bieter und Vermittler von Finanzprodukten vorzugehen. Ein zahnloser Tiger ist der neue Wächter daher gewiss nicht. Und er ist auch nicht unumstritten. Christian Ahlers will erst einmal nicht auf das Thema Sanktionen eingehen. Wichtiger ist ihm, genau zu erläutern, wie der Finanz- marktwächter arbeitet. „Natürlich haben die Verbraucherzentralen auch bisher punktuell die Bafin infor- miert, wenn sich Beschwerden über bestimmte Finanzprodukte gehäuft ha- ben oder Probleme mit Vertriebspraktiken aufgefallen sind“, sagt er. Auch Privatperso- nen konnten sich an die Bafin wenden und haben diese Möglichkeit weiterhin. Probleme frühzeitig erkennen „Was bislang aber fehlte, war eine struktu- rierte, ständige Beobachtung des Marktes aus Verbrauchersicht“, erklärt Ahlers. Diese Auf- gabe übernimmt nun der Finanzmarktwächter mit denVerbraucherzentralen. Auf diese Weise soll er Probleme frühzeitig orten und Schaden von den Anlegern abwenden. „Das meine ich mit ‚Frühwarnsystem‘ und ‚Sensor-Funkti- on‘“, sagt Ahlers. „Wir wollen unser Ohr am Markt haben und feststellen, wo Verbraucher der Schuh bei Finanzprodukten drückt.“ Um dieses Frühwarnsystem auf die Beine zu stellen, sind in fünf Bundesländern Schwerpunktverbraucherzentralen entstanden, die jeweils ein bestimmtes Segment des Fi- nanzmarktes beobachten (siehe Kasten Seite 315). So ist etwa die Verbraucherzentrale Hes- sen für den grauen Kapitalmarkt zuständig. In Baden-Württemberg werden Produkte und Seit Kurzem schaut der Finanzmarktwächter Anbietern und Vermittlern auf die Finger. Auch wenn er sich nur als Beobachter sieht: Ein zahnloser Tiger ist er nicht. Alles unter Kontrolle Stopp, rechts ran- fahren, Papiere zei- gen: Wie die Polizei den Verkehr überwacht, so haben die Verbraucherzentralen des „Finanzmarktwächters“ die Anbie- ter und Vermittler von Finanzprodukten scharf im Blick. Strafen dürfen sie nicht, aber maßregeln.

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