FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2015
316 www.fondsprofessionell.de | 4/2015 Missstand durch die Produkte vieler Anbieter verursacht wird, also in der Beschaffenheit des Finanzinstruments selbst liegt. „Es kann aber genauso sein, dass wir eine Analyse vor- nehmen, wenn die Produkte eines einzelnen Anbieters vermehrt Probleme hervorrufen“, sagt Ahlers. Selbst Vertriebspraktiken einzel- ner Berater oder Finanzvermittler können die Marktwächter kritisch prüfen. Untersuchungen laufen bereits Derzeit laufen in den Teams mehrere Son- deruntersuchungen. Zwei Analysen sind be- reits weit fortgeschritten, eine ist abgeschlos- sen. Die Schwerpunktverbraucherzentrale in Stuttgart untersucht, wie bedarfsgerecht die Beratung über Produkte für die Geldanlage und die Altersvorsorge gestaltet ist. In Ham- burg geht das Wächterteam der Frage auf den Grund, wie es um die Transparenz von Stand- mitteilungen bei Lebens- und Rentenversiche- rungen bestellt ist. Das Team in Sachsen hat Anfang November die Ergebnisse einer Stu- die zur Transparenz von Dispositionskrediten vorgestellt. „Für die Untersuchung zu den Standmittei- lungen haben wir uns auch direkt an die Ver- braucher gewandt und sie bundesweit aufge- rufen, uns Mitteilungen zu schicken“, erzählt Ahlers. Auch so kann der Finanzmarktwäch- ter vorgehen. Weitere Ergebnisse sollen bis Jahresende veröffentlicht werden. Das Resultat einer Sonderuntersuchung be- stimmt darüber, welche weiteren Schritte der Finanzmarktwächter unternimmt. „Grundsätz- lich sind unsere Analysen ergebnisoffen“, sagt Ahlers. Das heißt, seine Teams legen es nicht darauf an, unbedingt Missstände zu ent- decken. Ist dies jedoch der Fall, werden alle Personengruppen und Institutionen benach- richtigt, für die das Ergebnis von Interesse ist. Verbände werden informiert In erster Linie also die Verbraucher. „Diese informieren wir über die Presse, auf unserer Homepage und in den Beratungsstellen“, er- klärt Ahlers. Auch an die Anbieter oder Ver- mittler selbst kann der Finanzmarktwächter herantreten und sie mit dem Untersuchungs- bericht konfrontieren. „Vorgesehen ist, dass dies über die Verbände geschieht“, erklärt der Projektleiter. Es sei aber durchaus denkbar, dass sich der VZBV auch direkt an einzelne Unternehmen oder Personen wendet. Schließlich setzt der Marktwächter die Auf- sichtsbehörden, je nach Zuständigkeit also die Gewerbeaufsicht oder die Bafin, von dem auf- gedeckten Missstand in Kenntnis. „Was die Behörden dann mit unseren Informationen machen, liegt nicht in unserer Hand“, sagt Ahlers. Der Finanzmarktwächter sei ein reines Beobachtungswerkzeug. Sein Produkt seien Erkenntnisse, er habe aber nicht die Aufgabe, den Markt zu schützen. In der Tat hat der Marktwächter keine eige- ne gesetzliche Grundlage. Er basiert auf dem Koalitionsvertrag und ist als Projekt beim VZBV eingerichtet worden. Er ist somit keine selbstständige Institution, hat keine eigene Rechtspersönlichkeit und nimmt keine hoheit- lichen Aufgaben wahr. Damit darf der Wäch- ter gegen Anbieter von Finanzprodukten oder einzelne Vermittler weder aufsichts- noch strafrechtlich vorgehen, wenn er Missstände entdeckt. „Diese Rechte liegen bei der Bafin“, erklärt Norman Wirth, Fachanwalt für Versi- cherungsrecht, Finanzwirt und Partner der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte in Berlin. Zivilrechtliche Schritte möglich Das bedeutet aber noch lange nicht, dass der Finanzmarktwächter ein Hund ist, der bellt, aber nicht beißt. Im Gegenteil: Er kann Anbietern und Vermittlern zivilrechtlich or- dentlich auf die Füße treten, wenn er es für notwendig hält. Das räumt auch Ahlers ein, wenn er sagt: „Wir haben die Möglichkeiten der kollektiven Rechtsdurchsetzung.“ Konkret heißt das: Alle Teile des Finanzmarktwächters, letztendlich also alle Verbraucherzentralen so- wie der Bundesverband sind qualifizierte In- stitutionen nach Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) Paragraf 4. Damit dürfen sie Anbie- ter von Finanzprodukten und Vermittler so- wohl abmahnen als auch Mustergerichtsver- fahren führen. Und diese können damit enden, dass die Betroffenen ein Produkt nicht mehr vertreiben dürfen. Somit ist der Finanzmarktwächter alles andere als ein zahnloser Tiger. Natürlich konnten die Verbraucherzentralen auch vor der Gründung des Wächters solche rechtli- chen Schritte einleiten. Es ist also nicht so, dass Anbieter ganz neue Sanktionen zu be- fürchten hätten. Der Unterschied zur bisheri- gen Situation ist aber, dass der Marktwächter nun in alle Ecken leuchtet und ihm somit bald viel mehr Informationen zur Verfügung ste- hen, als es bisher der Fall war. Interessenkonflikte Und das ist noch nicht alles. Bevor der Finanzmarktwächter seine Arbeit aufgenom- men hat, hatten Banken und Sparkassen vor Interessenkonflikten gewarnt. Denn: Einerseits wachen die Verbraucherzentralen über einen Markt, in dem sie andererseits mit ihren Be- ratungen selbst Anbieter sind. Dazu kommt noch ein anderer Aspekt. „Wer beaufsichtigt denn eigentlich die Verbraucherzentralen, wenn sie beraten?“, fragt Wirth. Diese unter- stehen in der Tat keiner Aufsicht. Christian Ahlers erläutert indes, der Markt- wächter sei wirklich ein reiner Beobachter, er habe nicht die Aufgabe, den Markt vor Miss- brauch zu schützen. Dann lächelt er sein freundliches Lächeln, zwinkert kurz mit dem linken Auge – und geht. ANDREA MARTENS | FP steuer & recht I finanzmarktwächter Foto: © Tim Flavour Freundlich, aber sehr zurückhaltend: Christian Ahlers leitet das Projekt Finanzmarktwächter beim Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin. Er sieht den Wächter als reinen Beobachter, über Sanktionen spricht er nicht gern.
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