FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2015

332 www.fondsprofessionell.de | 4/2015 steuer & recht I eu-pass Foto: © LAFV Liechtensteinischer Anlagefondsverband L iechtenstein ist der sechstkleinste Staat der Welt. Das Land zählt etwa 37.000 Einwohner. Gemessen daran ist die Finanzindustrie des Fürstentums gigantisch und naturgemäß auf Absatzmärkte wie Deutschland und Österreich angewiesen. Um- so bedrohlicher war daher die Nachricht, die vor einiger Zeit die Runde machte: Weil eini- ge Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) womöglich nicht mit nötigen Geset- zesänderungen hinterherkommen, drohe Fonds und Versicherungen aus Liechtenstein angeblich ein Vertriebsverbot. Es gebe keinen Grund zur Sorge, beruhigen Vertreter der Liechtensteiner Assekuranz und der Investmentbranche. Dennoch lohnt es sich, die Geschichte hinter der Nachricht zu erzählen, denn sie verdeutlicht, dass der grenzüberschreitende Vertrieb von Finanzpro- dukten keine Selbstverständlichkeit ist – und welche Macht ein einzelnes Parlament mitun- ter über die Wirtschaft eines anderen Landes haben kann. Sperrt sich Norwegen? Doch von vorn: Bisher können Fonds und Versicherungen aus Liechtenstein in jedem Land der Europäischen Union vertrieben wer- den – genau wie Produkte aus einem EU- Staat. Möglich ist das durch den EWR, der sich aus den Mitgliedsländern der Europäi- schen Union sowie drei der vier EFTA-Staa- ten, nämlich Liechtenstein, Norwegen und Island, zusammensetzt. Der vierte EFTA- Staat, die Schweiz, regelt sein Verhältnis mit der EU über bilaterale Verträge. Damit der Europäische Wirtschaftsraum funktioniert, müssen EU-Rechtsakte wie Richtlinien und Verordnungen in das EWR- Abkommen übernommen werden. Ein Bei- spiel dafür ist die EU-Fondsrichtlinie OGAW V, die in der EU am 18. März 2016 in Kraft tritt. Liechtenstein, Norwegen und Island müs- sen daher bis März kommenden Jahres ein entsprechendes „Joint Committee“-Dokument verabschieden. Es darf durchaus daran gezweifelt werden, ob dieses Dokument etwa das norwegische Parlament problemlos passiert. Schließlich er- kennen die EWR-Staaten mit diesemAbkom- men die drei europäischen Finanzaufsichtsbe- hörden (European Supervisory Authorities, ESAs) an, die in der EU schon seit einigen Jahren eine wichtige Rolle spielen: Die EIOPAwacht über Versicherer und Pensions- kassen, die ESMA über die Wertpapiermärkte und die EBA über die Banken. Sie haben ein Durchgriffsrecht gegenüber den nationalen Behörden, was für die einzelnen Staaten mit einem Souveränitätsverlust einhergeht. In Norwegen müssen daher einige „nationale verfassungsrechtliche Erfordernisse“ geklärt werden, wie es ein Sprecher der Regierung des Fürstentums Liechtenstein formuliert. Es sei jedoch falsch, von einer „Verfassungs- änderung“ zu sprechen. Demonstrative Gelassenheit „Das Verfahren zur Übernahme von EU- Rechtsakten in das EWR-Abkommen bedingt auf völkerrechtlicher Ebene in manchen Fällen die Erfüllung gewisser nationaler ver- fassungsrechtlicher Erfordernisse“, so der Sprecher. „In der Regel bedeutet dies die Befassung der nationalen Parlamente der EWR/EFTA-Staaten und die Einholung ihrer Zustimmung zur Übernahme bestimmter EU- Rechtsakte.“ Oder anders formuliert: Norwe- gens Parlament müsste einen Souveränitäts- verlust der eigenen Aufsichtsbehörden hinneh- men, um Liechtenstein das Geschäft nicht zu vermiesen. Die Skandinavier leben vom Öl, nicht vom Verkauf von Finanzprodukten, da- rum dürfte sich das Interesse der Abgeordne- ten an diesem Schritt in Grenzen halten. Alles geregelt Die zeitweise Aufregung in Liechtenstein hat sich inzwischen jedoch gelegt. „Es herrscht Konsens zwischen der EU und den drei EWR/EFTA-Staaten, entsprechende Be- schlüsse zur Übernahme der EU-Rechtsakte in das EWR-Abkommen zu fassen“, sagt David Gamper, Geschäftsführer des Liechten- steinischen Anlagefondsverbandes. „Politisch ist alles geregelt, nun muss es nur noch juris- tisch umgesetzt werden. Auch zeitlich sind die Abläufe aufeinander abgestimmt.“ Gamper gibt sich demonstrativ gelassen: „Wir machen uns keine Sorgen, dass wir auf Schwierigkeiten beim Vertrieb unserer Pro- dukte stoßen“, sagt er. Er überlegt kurz, was wäre, wenn Norwegens Parlament seine Zu- stimmung doch verweigert: „Wenn ein Pro- blem auftauchen würde, gehen wir davon aus, dass das allenfalls neue Produkte betreffen würde und nicht Fonds, die bereits eine Ver- triebsgenehmigung haben.“ Hoffnung schwingt mit Auch Caroline Voigt, Präsidentin des Liech- tensteinischen Versicherungsverbandes, ist nicht beunruhigt: „Falls das Übernahmeverfahren später abgeschlossen werden sollte, hat das keine Auswirkungen auf den EU-Pass.“ Dies sei in der Vergangenheit bei anderen Rechts- akten schon vorgekommen und habe zu kei- nen Problemen geführt. „Auch innerhalb der EU setzen Mitgliedsstaaten Rechtsakte nicht immer rechtzeitig um“, sagt sie. Und der Re- gierungssprecher lässt wissen: „Es ist folglich mit keinen Problemen für den Finanzplatz Liechtenstein zu rechnen.“ In diesen Worten schwingt viel Überzeugung mit. Aber auch eine Portion Hoffnung. ANKE DEMBOWSKI | FP Kurze Zeit sah es so aus, als stünde der Vertrieb von Liechtensteiner Fonds und Versicherungen in Deutschland vor dem Aus. Doch die Branche bleibt gelassen. Entwarnung in Vaduz David Gamper, Liechtensteinischer Anlagefondsverband: „Wir machen uns keine Sorgen, dass wir auf Schwierig- keiten beim Vertrieb unserer Produkte stoßen.“

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