FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2015

Bis Mitte der 1950er-Jahre wächst in Politik, Öffentlichkeit und Wirtschaft das Interesse an einem gesetzlich gere- gelten Investmentwesen. Kapitalanlage- gesellschaften erscheinen als geeignetes Instrument, um die Nachfrage an den Wertpapiermärkten zu beleben. Die Un- ternehmen drängen aufgrund ihres stei- genden Kapitalbedarfs auf eine gesetz- liche Regelung. In einem ersten Schritt verabschiedet der Bundestag im Dezem- ber 1952 das Kapitalmarktförderungsgesetz. Im Jahr darauf kommen durch das starke Wirtschaftswachstum die Aktienmärkte in Fahrt. Die Bundesregierung macht sich zu- nehmend für ein Investmentgesetz stark, um die zurückgebliebene Vermögensbildung der Bürger zu fördern – damals schon. Endlich ein Rechtsrahmen Ab März 1953 nimmt der CDU-Abgeord- nete August Neuburger das Heft in die Hand und bringt den Entwurf eines Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften in den Bundestag ein. Dieser sieht vor, die von den Gesellschaf- ten verwalteten Gelder von der Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögenssteuer zu befreien. Die Investmenthäuser sollen auf das Prinzip der Risikomischung verpflichtet werden und das eingezahlte Kapital getrennt von ihrem eigenen Vermögen treuhänderisch verwalten. Vier Jahre gehen noch ins Land, bevor am 16. April 1957 das lang erwartete Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften endlich verab- schiedet wird. Es gilt als „Magna Charta“ des Investmentsparens in der jungen Bundes- republik. Als ab 1955 die Chance auf ein Invest- mentgesetz immer größer wird, erkennt ein Geldinstitut nach dem anderen, dass es an der Zeit ist, eine Fondsgesellschaft zu gründen, und springt auf den Zug auf. Innerhalb von nur zwei Jahren entstehen der Deutsche Investment Trust (Dit), Union Investment, die Deutsche Gesellschaft für Wertpapiersparen (DWS) und die Deutsche Kapitalanlagegesell- schaft (Deka). Bis August 1956 bildet sich so die bis heute bestehende Unternehmensstruk- tur der deutschen Fondsbranche. Es ist im Frühjahr 1956, als Ernst Matthiensen, Aufsichts- ratsvorsitzender des Dit, einen Spaziergang durch Frankfurt macht. Auf einem Lieferwagen erblickt er die Aufschrift „Concentra“. Für ihn ist dies die Erleuchtung: Concen- tra, die Konzentration der Kräfte, der Mittel, der Aktienanlage. Der Name des ersten Aktienfonds des Dit, der am 26. März 1956 aufgelegt wird, ist geboren. Die zweite Hälfte des Jahrzehnts ist in Europa und der Welt von bedeutenden Ereig- nissen und Entwicklungen geprägt. In Ungarn kommt es 1956 zur Revolution. Im März 1957 werden in Rom die Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Europäische Atomunion unter- zeichnet, im Oktober schießt die Sowjet- union den ersten Sputnik ins All. Im Deutschland der Wirtschaftswunderjahre wird 1958 die D-Mark konvertibel. Die Jugend begeistert sich für Elvis Presley und Rock ’n’ Roll, Familien genießen den Urlaub in Italien. „Sich endlich wie- der etwas gönnen“ lautet die eine Devi- se, „Vermögen aufbauen“ die andere. So kommt die Fondsbranche in Fahrt. Der Dit sorgt Ende 1958 mit einer neuen Investmentidee für Aufsehen. Der Aktien- fonds Thesaurus schüttet als Erster in Deutsch- land Erträge nicht aus, sondern reinvestiert sie. Die Krux an der Sache: Nicht ausgeschüttete Erträge sind zu dieser Zeit steuerlich nicht erfassbar. Das sorgt für heftige Reaktionen in der Branche, die dem Dit vorwirft, er würde Kapitalerträge bewusst der Besteuerung ent- ziehen. Nun herrscht Unklarheit, bis der Bun- destag am 14. August 1960 auf Initiative von August Neuburger die „Lex Thesaurus“ ver- abschiedet. Seither sind thesaurierende Fonds ausschüttenden steuerlich gleichgestellt. Bis in die Mitte des neuen Jahrzehnts hin- ein lässt die Branche echten Pioniergeist er- kennen und liefert sich geradezu ein Wettren- nen. Der Dit bringt wenige Monate nach dem 64 markt & strategie I 65 jahre fonds in deutschland Januar 1966 Erster Rentenfonds in Deutschland: Der deut- sche Rentenfonds des Dit wird aufgelegt. Nur einen Tag nach dem Dit-Fonds kommt der Inrenta der DWS. Foto: © Faksimiles: FONDS professionell Juli 1969 Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile. Fondsgebundene Lebensversicherungen werden genehmigt. 1970 Durch den IOS-Skandal verlieren viele Anleger das Vertrauen in Invest- mentfonds. Juni 1963 Mit dem Adiverba legt die Adig den ersten Spezialitätenfonds auf. Bereits seit vier Jahren gibt es auch internationale Aktienfonds. Nov. 1958 Der Dit legt den Thesaurus, den ersten thesaurierenden Fonds, auf. Die Lex The- saurus hebt 1960 die Steuerbefreiung für nicht ausgeschüttete Erträge auf. Elvis Presley begeistert die Jugend. Die Mondlan- dung sorgt weltweit für Aufsehen. Betriebsausflug: Anfang der 1960er-Jahre gehörten kaum 30 Mitarbeiter zur Belegschaft von Union Investment. Heute sind es weit über 2.000.

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