FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016

E r wickelte alle Geschäfte am Telefon ab, traf Kunden nie persönlich. Es ging um Millionenbeträge, Zeit und Geld be- stimmten seinen Beruf. „Und ich war echt ein Macho“, erinnert sich Robert Davis. 1980 war der gebürtige Brite nach Deutschland gekommen, damals 21 Jahre alt. Er geht zu Merrill Lynch, arbeitet dort bald als Börsenhändler. Als 1990 die Deutsche Ter- minbörse startet, hat Davis schon zweimal die Bank gewechselt. Nun spezialisiert er sich auf Termingeschäfte, wird später Eurex-Experte. Er tradet, redet, liebt den Trubel – bis er 1998 sein Gehör verliert. „Es war klar, dass ich den Beruf wech- seln musste“, erzählt Davis. So kam er auf die Idee, Finanzberatung für eine ganz spezielle Zielgruppe anzubieten: für Menschen, die wie er gar nicht hören oder nur schlecht. „Ich habe das meinemArbeitgeber vorgeschlagen“, be- richtet der Ex-Trader. Der war einverstanden, und Davis wagte den Neustart. Am Anfang war es hart für ihn, doch er sagt ganz klar: „Ich würde es wieder machen.“ Glücklicherweise ist der Hintergrund nicht immer so dramatisch wie im Fall von Robert Davis. Zuweilen ge- schieht es aus einer Unzufriedenheit mit der Branche heraus. Manch- mal liefert eine persönliche Vorlie- be den Anlass. Die Gründe, aus denen sich Finanzprofis auf die Bera- tung einer besonderen Klien- tel spezialisieren, sind so viel- fältig wie ihre Zielgruppen. Aber die meisten von ihnen sind mit der besonderen Ausrichtung ihres Geschäfts sehr zufrieden – und damit in der Regel auch erfolgreich. Robert Davis erschloss sich seine neue Nische Stück für Stück. „Natürlich musste ich die Gebärdensprache lernen, aber das war längst nicht alles“, berichtet er. Als Börsen- makler hatte er mit Kunden zu tun gehabt, die auf den Finanzmärkten zu Hause waren und die er nie zu Gesicht zu bekam. „Jetzt saßen mir Menschen gegenüber, die sich in Finanz- dingen überhaupt nicht auskannten“, sagt er. „Da gab es manche, die besaßen eine Kfz- Versicherung, aber gar kein Auto“, erinnert er sich. Das machte ihn oft fassungslos. Doch mit der Zeit erkannte er, warum seine gehörlosen Kunden in Sachen Finanzen so gar nicht ver- siert waren. „Bei jeder Beratung muss eine Gebärdendolmetscher dabei sein“, gibt Davis zu beden- ken. Damit dauere das Gespräch doppelt so lang wie mit einem Hörenden. Aus Angst, die Geduld des Beraters zu sehr zu strapazie- ren, sagen gehörlose Kunden oft, ihnen sei alles klar, ob- wohl es gar nicht stimmt. „Oder der Finanzberater selbst fragt nicht alle wichtigen Punkte ab, weil es ihm zu lang dauert“, sagt Davis. Zudem fehlen in der Gebärdenspra- che viele Finanzbe- griffe. Gebärden für „Abgeltungsteuer“ oder „Riester-Ren- te“ hat Davis selbst entwickelt. So wurde der coole Ex-Trader im- mer mehr zum Ver- trauensmann für seine Klientel. „Ich habe sie nicht nur über das gesamte Anlagespek- trum beraten“, sagt er. „Sie haben mich ge- nauso kontaktiert, wenn Vom coolen Börsen- makler zum vertrauens- vollen Anlageberater: Als der Brite Robert Davis sein Gehör verlor, wagte er einen Neustart und erschloss sich Menschen mit Hör- schäden als neue Kundengruppe. 190 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 vertrieb & praxis I finanzberatung für spezielle zielgruppen Fotos: © Fotolia | matimix; privat Wenn sich Finanzberater auf ganz bestimmte Zielgruppen spezialisieren, müssen sie diese kennen wie ihre Westentasche. Dann kann es Spaß machen und sich lohnen. Perfektes Zusammenspiel Mannschaftssport Fußball: Tore schießt die Elf, deren Spieler perfekt aufeinander eingespielt sind. So ist es auch bei Beratern und speziellen Kundengruppen. Nur wer sich gut kennt, kommt gemeinsam ans Ziel.

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