FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016

228 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 vertrieb & praxis I provisionsverbot Foto: © Fotolia | Aamon M it brüchiger Stimme sagte Tracey McDermott, die Chefin der briti- schen Finanzaufsicht FCA, in einem Radiointerview: „Wir prüfen, wie Finanzbe- ratung am besten erteilt werden kann. Dabei würde ich nicht ausschließen, dass Elemente einer Provision eine Rolle spielen können. Aber wir werden das Provisionsverbot nicht kippen.“ Diese Sätze schlugen hohe Wellen. Denn McDermott schien eine Abkehr vom strikten Provisionsverbot einzuleiten. Zwar re- lativierte die Behörde hinterher die Äußerung. Dennoch bleibt die „Retail Distribution Re- view“ umstritten. Mit Großbritannien und den Niederlanden haben zwei EU-Länder Vermitt- lern untersagt, Vergütungen der Produktanbie- ter anzunehmen – und den Finanzvertrieb da- mit komplett umgekrempelt. FONDS profes- sionell zieht eine Zwischenbilanz. Der Fondsvertrieb in Großbritannien und den Niederlanden unterschied sich schon vor der Einführung des Provisionsverbots erheb- lich. Während auf der britischen Insel freie Finanzberater ein großes Gewicht einnehmen, spielen sie auf der anderen Seite des Ärmel- kanals kaum eine Rolle. In den Niederlanden laufen Schätzungen zufolge 95 Prozent des Fondsvertriebs über Banken. Den Rest teilen sich die freien Berater mit Direktvertriebska- nälen wie Online-Brokern. Zum Vergleich: Im europaweiten Schnitt entfallen rund 45 Pro- zent des in Publikumsfonds verwalteten Gel- des auf Banken und elf Prozent auf freie Be- rater, die gleichauf mit Versicherern und etwas hinter dem Private Banking und Wealth Ma- nagement mit 18 Prozent der Mittel rangieren. Dies berechnete die britische Beratungsgesell- schaft Mackay-Williams. Der Fondsverkauf in Großbritannien und den Niederlanden prä- sentiert sich also völlig gegensätzlich – einmal dominieren Berater, einmal die Banken. Dennoch haben beide Märkte eines ge- meinsam: Der Finanzvertrieb ist von massi- ven Skandalen erschüttert worden. In Groß- britannien etwa weitete sich die Fehlberatung bei Kreditkartenversicherungen seit 2008 zu einem der größten Finanzskandale des Landes aus. Auf Geldhäuser wie Barclays, Lloyds, Santander und HSBC kommen Entschädi- gungszahlungen in Milliardenhöhe zu. In Holland wiederum erschütterte bereits 2006 ein Skandal um Lebensversicherungen und fondsgebundene Policen die Finanzwelt, die sogenannte „Woekerpolisaffaire“. Die Fi- nanzaufsicht kritisierte übertrieben hohe Ge- bühren und entdeckte im Lauf der Ermittlun- gen unzählige versteckte Kosten sowie hohe Abzüge für vorzeitige Auflösungen. „Die Auf- sichtsbehörde zeigte ihre Muskeln und greift seither strikt durch“, berichtet Lucas du Croo de Jongh, Partner bei der Beratungsgesell- schaft Oliver Wyman. Der Skandal traf viele niederländische Anleger. Denn fondsgebun- dene Lebensversicherungen lockten mit hohen Steuervergünstigungen – und wurden entspre- chend häufig verkauft. Um solche Skandale künftig zu verhindern, entschied der Gesetzgeber, dass die Zahlun- gen der Produktanbieter für den Vertrieb von Finanzprodukten nicht im Sinne der Kunden sein können. Im Versicherungsbereich trat da- her Anfang Januar 2013 ein Provisionsverbot in Kraft. Darauf folgte Anfang 2014 das Seg- ment der Investmentprodukte. „Lediglich in einigen Bereichen, beispielsweise den Scha- denversicherungen, sind Provisionen für Be- ratungsleistungen noch immer erlaubt“, erläu- tert du Croo de Jongh. Die Aufsicht allerdings hat vorab mit den sechs wichtigsten Banken des Landes – ABN Amro, ING, Rabobank, Van Lanschot, SNS und Binck – eine Art „Gentleman’s Agreement“ geschlossen: Die Geldhäuser verzichteten noch vor Inkrafttreten des Gesetzes freiwillig auf Provisionen. Ohne Verstand verkauft Das Verbot veränderte die Situation für die Vermittler erheblich. „Anstelle einer Beratung rund um die Bedürfnisse des Kunden, die in- dividuell das bestmögliche Angebot aufzeigt, gab es in der Vergangenheit einen zu großen Fokus auf den Produktverkauf“, erläutert du Croo de Jongh. Die Steueranreize für Invest- ments im Policenmantel hatten die Vorteile ei- ner soliden Finanzplanung überdeckt – und diese in der Beratungspraxis verkümmern las- sen. Die ohnehin schon geringe Zahl an freien Beratern wurde durch das Provisionsverbot weiter dezimiert. Von 2008 bis 2015 sei die Zahl der Vermittler um 16 Prozent gesunken, berichtet du Croo de Jongh. „Besonders die kleinen Anbieter arbeiten nicht besonders profitabel. Die Hälfte macht einen Umsatz von weniger als 150.000 Euro im Jahr.“ Der Unternehmensberater rechnet daher mit einer erheblichen Konsolidierung am Markt. Großbritannien und die Niederlande sind auf ein reines Honorarmodell umgestiegen. Jetzt zeigen sich die Folgen – für Berater wie für Kunden. Lückenhafte Beratung Nicht jede Lücke lässt sich so leicht verschmerzen: In Großbritannien und den Niederlanden bekommen Kunden für jede Finanzberatung eine Rechnung. Dies schreckt besonders Geringverdiener ab, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

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