FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016

232 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 vertrieb & praxis I finanzbildung Foto: © Fotolia | Oksana Kuzmina F ondsgesellschaften betreiben einen ho- hen Aufwand, um fundierte Anlageent- scheidungen zu treffen. Sie investieren erhebliche Summen in ihre IT-Infrastruktur und beschäftigen Heerscharen von Analysten, um die Grundlage für eine rational nachvoll- ziehbare Asset Allocation zu schaffen. Auf Kundenseite fehlt diese Rationalität bei der Geldanlage hingegen häufig. Trotz historisch niedriger Zinsen liegen immer noch Milliar- den Euro auf dem Sparbuch, während laut Angaben des Deutschen Aktieninstituts nur 14 Prozent der Deutschen über 14 Jahre Ak- tien oder Aktienfonds besitzen. „Die wenigsten Deutschen handeln bei ihrer Geldanlage nach dem Lehrbuch“, sagt Hans Joachim Reinke, Vorstandschef von Union Investment. „Sie agieren aus dem Bauch heraus und folgen seltener sachlichen Argumenten.“ Wie die Menschen zu ihrem Bauchgefühl kommen, ließ der Fondsanbieter jüngst in einer Studie untersuchen. Grundlage sind dreistündige Interviews mit rund 30 Fa- milien aus allen gesellschaftlichen Schichten über das Thema Geldanlage. Neben den Kin- dern befragten die Forscher auch die Eltern und Großeltern. Zentrales Ergebnis der Studie: Der Umgang mit Geld wird nachhaltig von der Familie geprägt. Kinder beobachten die Verhaltensweisen der Eltern genau und ahmen diese auch unreflektiert nach. „Kinder erlernen zunächst durch die Fami- lie die Regeln, Konventionen und Wertvor- stellungen der Gesellschaft. Vor diesem Hin- tergrund ist es nicht überraschend, dass sie sich auch den Umgang mit Geld im familiä- ren Kontext zu eigen machen, und zwar selbst dann, wenn in der Familie nur wenig oder gar nicht über Geld gesprochen wird“, sagt Rolf von Lüde, Professor an der Universität Ham- burg, der die Studie wissenschaftlich begleitet hat. Der Umgang mit Geld ist das Ergebnis langjähriger kultureller und familiärer Sozia- lisation und in jeder Person tief verankert. Die Wissenschaftler sprechen von einem „familiä- ren genetischen Code der Geldanlage“. Daumenregeln gefragt Um einen einfachen Zugang zur komple- xen Materie Geldanlage zu bekommen, setzen viele Familien auf Daumenregeln. So wird beispielsweise das Motto „Was ich nicht bar bezahlen kann, kann ich mir nicht leisten“ von einer Generation an die nächste überliefert. „Bei unsicheren und riskanten Entscheidun- gen muss es keinesfalls schlecht sein, auf Daumenregeln und Heuristiken zurückzu- greifen“, so von Lüde, „im Gegenteil: Die An- wendung von Daumenregeln führt oft zu gleich guten oder sogar besseren Ergebnissen als das ausufernde Nachdenken über und Abwägen von Alternativen.“ Oft passen die überlieferten Regeln jedoch nicht mehr in die Jetztzeit, weil sie unter an- deren gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen entstanden sind. Erfah- rungen, die die Großeltern während der Welt- wirtschaftskrise von 1929 oder der Währungs- reform nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht haben, erweisen sich im heutigen Kontext eher als nachteilig. So kann eine Überzeugung wie „Aktien sind nur etwas für Zocker“ gleichbedeutend sein mit der Botschaft „Lass deine Hände von Aktien!“. Damit nicht ganze Generationen eine chronische Abneigung ge- genüber der Aktienanlage entwickeln, ist die Branche gefordert. „Der Berater sollte aufzei- gen, dass die wirtschaftlichen und wohlfahrt- staatlichen Bedingungen, aus denen die fami- liär übermittelten ‚Botschaften‘ stammen, sich verändert haben und neue Strategien des Anlageverhaltens erforderlich machen“, sagt von Lüde. Insbesondere beim derzeitigen Ab- bau staatlicher Leistungen, vor allem bei der Altersvorsorge, ist es notwendig, selbst aktiver vorzusorgen als die Generationen davor. Ruf nach der Schule Wenn Erziehung zu Hause nicht mehr ge- leistet werden kann, soll die Schule die Lücke schließen – diesen Ruf vernimmt man auch beim Thema Finanzwissen. Inzwischen haben in Deutschland alle Bundesländer Elemente finanzieller Bildung in den Unterrichtsplan integriert, wenngleich in sehr unterschiedli- cher Form und Intensität. Auch einige privat- wirtschaftlich gestartete Initiativen versuchen, das Basiswissen der Jugendlichen zu verbes- sern. Bei dem von der Allianz und McKinsey gestarteten Projekt „My Finance Coach“ ge- hen jeweils zwei Wirtschaftsvertreter im Tan- dem in eine Unterrichtsstunde und geben zu- sammen mit der Lehrkraft ihr Praxiswissen weiter. Außerdem entwickelte die Initiative eine Smartphone-App rund um den verant- wortungsbewussten Umgang mit Geld. Auch Die Familie prägt, wie ein Mensch mit Geld umgeht. Für Anlageberater ist es schwierig, gegen tradierte Überzeugungen anzukommen – aber nicht unmöglich. Hartnäckiges Finanz- Gen Wie die Mutter, so die Tochter: Kinder lernen den Umgang mit Geld von ihren Eltern, die wiederum von ihren Eltern geprägt wurden. So wird manche Überzeugung von Generation zu Generation weitergegeben.

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