FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016

296 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 bank & fonds I robotics in der finanzbranche Foto: © Mopic | Fotolia O bwohl Robo-Advice – Kunden geben in eine App einige Daten ein und er- halten umgehend individuell passende Anlagevorschläge – in aller Munde ist, sieht es eher danach aus, dass die Digitalisierung der Finanzbranche in ganz anderen Bereichen rasch Tritt fassen wird. Denn während der Durchschnittsanleger vielfach daran scheitern wird, auch nur einfachste Anlageziele zu for- mulieren, nützen Profis jeden technologischen Fortschritt, der auch nur geringfügige Verbes- serungen verspricht, umgehend. Zu spüren war das unter anderem auf der diesjährigen Frühjahrskonferenz des luxemburgischen Fondsverbandes Alfi Anfang März, bei der ein ganzer Tag dem Thema Fintech gewidmet war. „In erster Linie geht es um Big Data, Mobilität und Gamification“, erklärt Lyron Wahrmann, Head of Citi Markets Innovation Lab, einem Thinktank und Entwicklungslabor der Citigroup. Beispielsweise habe die Citi- bank ein Handels-Tool entwickelt, das zu- nächst für iPads entwickelt wurde, dann für Handys, und mittlerweile auch für Smart Wat- ches verfügbar ist. „Dies ist in erster Linie ein Service für Hedgefondsmanager. Die lieben diese Art der Mobilität“, erklärt Wahrmann. Seine Vision ist, dass Menschen künftig auf der Rückbank ihres fahrerlosen Autos sitzen und über ihre mobilen Endgeräte Wertpapiere kaufen und verkaufen. Doch beim Thema Digitalisierung geht es natürlich nicht nur um Mobilität, sondern auch um Kosteneinsparungen und den Aus- tausch in sozialen Netzwerken. Mitunter las- sen sich diese Ziele auch verbinden. Als Bei- spiel nennt Wahrmann „Symphony“, eine Art Whatsapp der Finanzbranche. Darüber kön- nen Börsenteilnehmer miteinander chatten, in Echtzeit Marktdaten abfragen und letztendlich auch traden. Das System soll noch in diesem Jahr weltweit nutzbar sein. Womöglich ent- wickelt sich der Dienst zu einer echten Kon- kurrenz für die teuren Bloomberg-Terminals, die heute ein wesentliches Werkzeug vieler Broker, Börsenhändler und Asset Manager sind. An Symphony beteiligt sind unter ande- rem Goldman Sachs, J.P. Morgan Chase, UBS, Natixis und die Société Générale. Kürz- lich ist auch Google mit mehr als 100 Millio- nen US-Dollar eingestiegen. Dies zeigt, dass branchenfremde Technolo- giekonzerne wie Google, Samsung, Apple oder auch Alibaba aus China die Entwicklun- gen in der Fintech-Welt genau verfolgen – und ihren Anteil daran beanspruchen. Der Ali- baba-Tochter Tianhong Asset Management gelang es beispielsweise, innerhalb von nur drei Jahren nach Gründung in die Top 50 der weltweit größten Vermögensverwalter vorzu- stoßen (siehe hierzu auch die Grafikübersicht auf Seite 206). Symphony ist als Chat-Dienst gestartet. „Die Menschen werden bald viel weniger miteinander reden, sondern fast nur noch chatten“, mutmaßt Wahrmann. Über die Chats könne man drei Dinge tun: sich über be- stimmte Dinge informieren, die künftigen Reaktionen von Kunden vorhersagen und am Ende sogar das Kundenverhalten ändern. Bei- spielsweise könnte man abhängig vom bishe- rigen Handelsverhalten eines Klienten die Preisgestaltung individuell anpassen, so wie Amazon heute schon die Preise für unter- schiedliche Märkte und mitunter auch kun- denindividuell anpasst. „Clean Data“ gesucht Die Société Générale arbeitet gerade an der Generierung von „Clean Data“. Dies sind Da- ten, die man aus einem großen Big-Data-Pool extrahiert, die aber um verschiedene uner- wünschte Einflüsse bereinigt sind. „Beispiels- weise betrachten viele Marktteilnehmer die Zu- und Abflüsse in ETFs. Viele dieser Flows geschehen allerdings durch Asset Manager. Für unsere Analysen ist es besser, nur die direkt von Investoren durchgeführten ETF- Flows zu betrachten“, sagt Olivier Renault, Luxemburg-Chef von Société Générale Secu- rities Services. „Überhaupt beschäftigen wir viele Daten-Wissenschaftler, um Clean Data zu erhalten“, so Renault. Furio Pietribiasi, Geschäftsführer von Mediolanum Asset Management in Dublin, stimmt zu, dass Clean Data immer wichtiger werde. „Im übertragenen Sinne wissen wir bisher zwar, wann die Menschen sterben, aber nicht, wenn sie krank werden.“ Sein Unter- nehmen habe eine große Umstrukturierung vorgenommen und die Daten dabei in den Mittelpunkt gerückt. Er weist aber auch auf Ob Privatanleger in den Digitalisierungszug der Finanzbranche einsteigen werden, muss sich erst zeigen – was Profis betrifft, gibt es daran hingegen keine Zweifel. Fintechs für die Großen Kräftemessen: In vielen Bereichen ist der Computer überlegen. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen deshalb Angst davor haben, durch einen Roboter ersetzt zu werden. Dabei birgt die Digitalisierung auch Chancen.

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