FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016

316 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 fonds & versicherung I maklerpflichten Foto: © Hoda Bogdan, fotolia N iedrige Zinsen, hohe Garantieverspre- chen – diese Konstellation bereitet Lebensversicherern zunehmend Pro- bleme. Bei dem einen oder anderen Haus dürfte sich alsbald die Frage nach der lang- fristigen Finanzkraft stellen. Auch einige Poli- tiker trauen dem Garantie-Frieden nicht mehr. So stellte Gerhard Schick, der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Anfang des Jahres eine kleine Anfrage zu der Mög- lichkeit, die Garantien bei Lebensversicherun- gen nachträglich herabzusetzen. Die Bundes- regierung musste daraufhin einräumen, dass die vertraglich garantierte Leistung im Fall der Fälle deutlich herabgesetzt werden kann – auch über die fünf Prozent hinaus, die das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) eigent- lich vorsieht. Wahrscheinlich werden die wenigsten Ver- mittler ihre Kunden auf die Möglichkeit einer Garantieherabsetzung hingewiesen haben. Das könnte sich rächen – so wie bei den offenen Immobilienfonds, die während der Finanzkri- se in Liquiditätsnot kamen und keine Anteile mehr zurücknahmen. Zahlreiche Kunden ver- klagten ihre Finanzberater, weil sie darüber nicht aufgeklärt worden waren. In vielen Fäl- len erhielten die Anleger recht – der Berater musste ihnen den investierten Betrag samt entgangener Zinsen erstatten. Eine solche Gefahr sieht Hans-Georg Jens- sen, Vorstand des Verbandes Deutscher Ver- sicherungsmakler (VDVM), allerdings nicht. „Makler müssen auf realistische Gefahren hinweisen. Es gibt ja in Deutschland viel- schichtige Sicherungsmechanismen, bevor die Garantieleistungen herabgesetzt werden kön- nen. Bisher deutet sich nach meinem Dafür- halten keine realistische Gefahr dahingehend an. Zunächst käme ja noch die Übergabe der Verträge an die Sicherungseinrichtung Pro- tektor, die dann die Garantieleistungen auch erfüllen muss.“ Dennoch steht außer Frage, dass Makler die langfristige Finanzkraft eines Versicherungs- unternehmens überprüfen müssen. „Das ergibt sich aus der Fürsorgepflicht des Maklers für seinen Kunden. Er ist treuhänderähnlicher Sachwalter, also Auge und Ohr des Kunden. Dazu gibt es umfangreiche Rechtsprechung“, sagt Thomas Leithoff, Rechtsanwalt in der Berliner Kanzlei Johannsen. Einen interessanten Fall hat beispielsweise das Landgericht Itzehoe entschieden (Az. 7 O 27/09 vom 29. 10. 2009). Dabei ging es um eine Klage wegen Falschberatung, weil ein Makler einem Kunden eine Kapitallebens- versicherung verkauft hatte, die deutlich gerin- gere Überschussbeteiligungen auskehrte als gleichartige Verträge anderer Häuser. Der Makler wurde unter anderem deswegen zu Schadensersatz verurteilt, weil er einen Anbie- ter vorgeschlagen hatte, der „im Mittelfeld der Versicherer lag“. Nach Ansicht des Gerichts hätte er den „bestmöglichen“ Versicherungs- partner auswählen müssen. Leithoff empfiehlt Maklern einen mehrstu- figen Prozess für die Produktprüfung: „Zuerst ist zu analysieren, welche Häuser es für das jeweilige Produkt überhaupt am Markt gibt. Als zweites sind Gesellschaften auszusortie- ren, die keine geeigneten Partner für den Kun- den sind. Zum Schluss muss der Makler auch die Frage nach der langfristigen finanziellen Stabilität des Unternehmens beantworten.“ Vor dem Hintergrund, dass manche Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen Jahr- zehnte lang laufen, klingt das nachvollziehbar und richtig – im Sinne des Kunden. Doch für den Makler stellt sich die Frage, wie es ihm gelingen soll, Produkte eines ausfallgefährde- ten Anbieters zu meiden. Aufseher schlagen Alarm Dass es heute schon Wackelkandidaten gibt, ist eine ausgemachte Sache, aber trotz- dem werden deren Produkte verkauft – offen- bar ticken hier zahlreiche Zeitbomben. Meh- rere Stellen weisen darauf hin, ohne allerdings Ross und Reiter zu nennen. So schlug das European Systemic Risk Board (ESRB), das über die Finanzstabilität wacht, im vergange- nen Spätsommer Alarm, weil sich die deut- sche Lebensversicherungsbranche in einer sehr kritischen Lage befände. Nationale Si- cherungssysteme wie Protektor sind dem Bericht zufolge nicht in der Lage, mit einer Insolvenz eines großen oder mehrerer kleine- rer Lebensversicherer fertig zu werden. Kon- krete Unternehmen nennt das ESRB aber nicht. Auch der Stabilitätsbericht der Bundes- bank aus dem November 2015 sieht die deut- Makler müssen die Finanzkraft eines Versicherers prüfen. Diese Pflicht ist nicht neu, gewinnt im aktuellen Zinsumfeld allerdings deutlich an Relevanz. Genauer Blick gefragt Manche Details sind selbst mit der Lupe nicht zu erkennen, sondern nur unter dem Mikroskop. Um eine genaue Analyse der Geschäftsberichte von Lebensversicherern kommen Makler nicht mehr umhin.

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