FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016

steuer & recht I burkhard balz | eu-parlament 324 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 Foto: © Philippe Veldeman E in Eckzimmer in der 15. und damit obersten Etage des Europäischen Parlaments. Fenster, die zwei Seiten des Raumes einnehmen, eröffnen einen fantastischen Blick über Brüssel. Burk- hard Balz hat eines der schönsten Büros im ganzen Gebäude. Das weiß Balz, Mit- glied des Europäischen Parlaments und Koordinator der EVP-Fraktion im Aus- schuss für Wirtschaft und Währung, sehr zu schätzen. Hinter seinem Scheibtisch ist eine überdimensional große Euromünze aufgestellt. Diese hat er anlässlich der Euroeinführung in Lettland bekommen, für die er Berichterstatter war. „Eigentlich muss man sich die guten Büros erdienen“, sagt Balz. Doch er hatte Glück. Sein Vor- gänger war Abgeordneter aus dem Bezirk Hannover und teilte mit Balz die Liebe zu der Stadt. Daher sagte er: „Dieses Zimmer kriegt der Burkhard.“ Und so kam es dann auch. Herr Balz, Sie wirken so entspannt. Dabei haben Sie im Moment sehr viele brisante Themen auf der Agenda, oder? Burkhard Balz: Allerdings. Eines der Top- themen ist natürlich der Brexit. Schließlich hätte ein Ausstieg der Briten aus der Europäi- schen Union für Großbritannien sowie für Europa enorme politische und wirtschaftliche Auswirkungen. Als Finanzpolitiker stelle ich mir aber auch die Frage, was im Falle eines Brexit mit dem größten europäischen Finanz- zentrum London geschehen würde. Nach al- lem, was ich so höre, liegen bei den großen Banken in der City bereits Pläne in den Schubladen. Dann ist Griechenland nach wie vor ein Thema, das uns beschäftigt. Außer- dem diskutieren wir im Parlament über das Für und Wider eines europäisches Trenn- bankengesetzes. Und wir hatten einen ersten Meinungsaustausch zum Kommissionsvor- schlag einer gemeinsamen europäischen Ein- lagensicherung. Beides sind sehr, sehr schwie- rige Themen, weil die Positionen extrem weit auseinandergehen. Viele Baustellen. Nehmen wir mal den Brexit: Was hören Sie aus der City? Zunächst einmal hoffe ich sehr, dass sich Großbritannien für einen Verbleib in der Euro- päischen Union entscheidet. Aber ich erwarte für das Referendum am 23. Juni ein sehr knappes Ergebnis. Sollte es tatsächlich zu einem Brexit kommen, werden sich die gro- ßen Banken in London überlegen, ob sie ihre Hauptquartiere nicht in die Finanzzentren der Eurozone verlegen. Dann wird es unter be- stimmten Finanzplätzen vermutlich einen ech- ten Wettbewerb um diese Adressen geben. Welche Finanzplätze werden das sein? Frankfurt wird ein Modell sein, wenn man sich in die Nähe der Europäischen Zentral- bank begeben will. Das könnte wichtig sein, immerhin haben wir die Aufsicht für die systemrelevanten Banken bei der EZB ange- siedelt. Natürlich sind aber auch die Finanz- plätze Amsterdam, Luxemburg oder Paris Optionen. Das sind die Varianten, von denen ich höre. Angenommen, die Briten würden die EU verlassen: Stünde der Euro dann ein weiteres Mal auf der Kippe? Großbritannien ist zwar nicht Teil der Eurozone, aber bei einemAustritt aus der EU würde sich möglicherweise die Frage stellen, ob die Union dann überhaupt in ihrer bisherigen Form zusammenbleiben kann. Eventuell kommen dann auch andere Länder auf die Idee, die EU zu verlassen oder wollen sich teilweise her- ausnehmen. Dass solche Überlegungen eine gemeinsame Währung enorm belas- ten, liegt wohl auf der Hand. Vergessen wir über die ganz großen wirtschaftspolitischen Themen nicht die Finanzmarktregulierung. Die Kommis- sion hat den Start von Mifid II um ein Jahr verschoben. Ansonsten bleibt der Zeitplan ja wie gehabt … Die Anwendung von Mifid II soll nun zum 3. Januar 2018 verpflichtend sein. Die Kommission hat diesen Vorschlag ge- macht, und das Parlament wird ihn mittragen. Zusätzlich wollen wir die Umsetzungsfrist für Mifid II anpassen. Und das bedeutet, die EU-Mitgliedsstaaten müssten das Regelwerk dann entsprechend später, also bis zum 3. Juli 2017, in nationales Recht umsetzen. Dies wird unsere Forderung sein. Dann bleiben der Finanzbranche also doch nur sechs Monate, um sich auf die neuen Vorschriften einzustellen. Es wurde offensichtlich, dass gerade die Kommission und die ESMAmehr Zeit benö- tigen, um die Level-II-Maßnahmen, also die Konkretisierungen zu Mifid II, zu liefern. Wir haben gegenüber der Kommission klar adressiert, dass sie diese zügig vorlegen muss, damit die neuen Termine wirklich gehalten werden können. Wir werden den Druck auf die Kommission aufrechterhalten, da Planungs- und Rechts- sicherheit für die Anwender natürlich sehr wichtig ist. Burkhard Balz ist Mitglied des Europäischen Parlaments und Koordinator der EVP-Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Der CDU-Politiker erklärt, warum die EU-Staaten mehr Zeit für die Mifid-II-Umsetzung brauchen, welche Folgen ein Brexit für Europa hätte und warum er keine reine Honorarberatung will. „Wir halten den Druck auf die » Solte es tatsächlich zu einem Brexit kommen, werden sich die großen Banken in London überlegen, ob sie ihre Hauptquartiere nicht in die Finanzzentren der Eurozone verlegen. « Burkhard Balz, CDU, EVP

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