FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016

86 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 markt & strategie I rohstoffe Foto: © Bloomberg | Jeyhun Abdulla I m Langfrist-Chart nimmt sich der Anstieg nicht dramatisch aus, ein kleiner Zacken nach oben. Tatsächlich verteuerte sich die Rohölsorte Brent zwischen Mitte Januar und Anfang März aber um mehr als 40 Prozent. Auch Eisen, Kupfer und die Edelmetalle Gold, Platin und Palladium stiegen kräftig im Preis. Vor dieser Trendwende sah die Sache ganz anders aus. Die Peak-Oil-Diskus- sion, die noch vor nicht allzu langer Zeit Ölpreise jenseits der 100-Dollar- Marke zur Selbstverständlichkeit mach- te, war einer generellen Angst gewi- chen, dass Rohstoffpreise bis auf Wei- teres tief bleiben werden, weil die glo- bale Wachstumsschwäche die Nachfra- geseite belastet. Dabei hatten die hohen Preise im letzten Zyklus massive Kapa- zitätsausweitungen ausgelöst. Ein Bohr- turm nach dem anderen wuchs in den vergangenen Jahren in US-Bundesstaa- ten wie North Dakota, Pennsylvania oder Texas in den Himmel. Die Förde- rung von Schiefergas und -öl versprach billige Energie. Fracking ließ die USA vom Importeur zum Selbstversorger aufsteigen. Von der Euphorie ist nicht mehr viel geblieben. Der Einbruch des Ölpreises ließ die Träume zerplatzen. Genauso kehrte bei Industriemetallen wie Kupfer oder Eisen- erz Ernüchterung ein. Vom „Superzyklus“ spricht heute niemand mehr. Doch trübe Stimmung ist in der Regel ein Indikator dafür, dass die Trendwende bevorsteht. Waren die jüngsten Kursanstiege also lang- fristige Einstiegssignale? Nein, sind sich etwa beim schwarzen Gold die Experten nahezu einig. „Öl muss erst noch ausbluten“, sagt Joachim Berlenbach, Gründer der auf Roh- stoffaktien spezialisierten Boutique Earth Resource Investment Group (ERIG). „Die Rohstoffmärkte haben 2015 ihr fünftes Jahr in Folge mit Verlusten abgeschlossen. Das ist hauptsächlich, aber nicht ausschließlich dem freien Fall der Rohölpreise geschuldet“, er- gänzt Harald Preißler, Chefvolkswirt des Fondshauses Bantleon. „Der Hauptgrund für diese Implosion ist das Überangebot, das dem Verdrängungswettbewerb zwischen kon- ventionellen und neuen Förderern entspringt“, erläutert Preißler. Preiskampf ist entflammt Die traditionellen Ölförderer aus den Staa- ten des Erdölkartells OPEC versuchen, die neuen Fracking-Firmen aus Nordamerika über den Preis aus dem Markt zu drängen. Das aus den Schieferschichten herausgepresste Erdöl ist teurer als das aus den Quellen rund um den arabischen Golf sprudelnde Rohöl. Während etwa Saudi-Arabien ein Fass für nur eine Handvoll Dollar fördert, fallen beim Fracking deutlich höhere Kosten an. „Die Spanne, um Öl nachhaltig produzieren zu können, liegt derzeit bei rund 50 bis 60 Dollar je Fass“, er- läutert Berlenbach. „Das Bild wird sich wohl erst dann wandeln, wenn sich das Feld der neuen Anbieter lichtet und sich die Fördermengen in Richtung des Ver- brauchsniveaus zurückbilden“, meint Preißler. Einzelne Hinweise dafür gebe es bereits. „So ist in den USA die Zahl der aktiven Bohrlöcher nach dem Baker-Hughes-Index um zwei Drittel gesunken“, erläutert der Volkswirt. „Dies hatte aber kaum Einfluss auf die geförderten Mengen. Dort zeigt der Trend nach wie vor leicht aufwärts.“ Rohstoffexperte Berlenbach erklärt dieses Phänomen mit der verbesserten Fördertechnik. „Die horizontalen Seg- mente der Fracking-Bohrungen werden länger und die Anzahl der Bohrungen je Plattform größer“, so der Geologe. Jüngste Rohstoffpreisanstiege könnten Schnäppchenjäger locken. Doch Experten warnen: Die Flaute bei Öl, Kupfer und Co. ist noch nicht ausgestanden. Eine Rohstoff falle? Pferdekopfpumpe bei der Ölförderung: Die klassischen Erdölnationen wollen die neuen Förderfirmen mit einem erbitterten Preiskampf in die Knie zwingen. Neigung zur Übertreibung Preisentwicklung von WTI-Rohöl je Fass in Dollar und Verlauf der US-Industrieproduktion in Punkten Seit dem Aufkommen des Rohstoff-Hypes an den Finanzmärkten hat die Schwankungsanfälligkeit des Ölpreises zugenommen. Quelle: Fed, IMF 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2015 2010 2000 1990 ’86 Ölpreis WTI (US-Dollar) US-Industrieproduktion (in Punkten)

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