FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016

E s gab eine Zeit, da war Percy Grüterich Produktverkäufer. Er arbeitete für Würth Finanzdienstleistung, ein Toch- terunternehmen des Schraubenkönigs, das Finanzberatung für Handwerker anbot. „Der Verkaufsdruck wurde immer größer“, sagt der Makler rückblickend. „Die Vorgabe war: So wie ein Würth-Vertreter bei jedem Kunden- termin Schrauben verkaufen kann, so können wir auch Versicherungen vertreiben. Einige Kollegen haben damals sogar körperlich gelitten. Da wusste ich, dass es Zeit wird, mich nach Alternativen umzusehen.“ Vor zehn Jahren machte er sich selbst- ständig. Zunächst arbeitete er noch unter dem Dach der Plansecur, seit 2010 ist er als Ein- zelkämpfer unterwegs, unterstützt von zwei Mitarbeiterinnen. „Ich verkaufe und bewerbe kaum noch Produkte, sondern mein Fachwis- sen. Ich biete Beratung an“, sagt Grüterich. „Ich mache aus Prinzip auch keine Werbung mehr für Produktanbieter, sondern nur noch für mich selbst.“ So oder so ähnlich argumentieren viele Finanzberater. Doch Grüterich hat es ge- schafft, sich mit überschaubaren Mitteln eine Marke aufzubauen – und seine Kunden mit Dienstleistungen an sich zu binden, die über die reine Beratung zu Investments oder Ver- sicherungen weit hinausgehen. Servicemodell statt Provision Das Geschäftsmodell klingt zunächst nicht sonderlich ausgefallen. Grüterich ist Versiche- rungsmakler und Finanzanlagenvermittler in Mellrichstadt, einer Gemeinde mit rund 5.000 Einwohnern in Unterfranken. Die Erlaubnis nach Paragraf 34d und 34f Gewerbeord- nung gestattet es ihm, sowohl auf Pro- visions- als auch auf Honorarbasis zu arbeiten. „Ich lebe in einer ländlichen Region. Wenn ich nur gegen Honorar ar- beiten würde, hätte ich bald viel schlecht bezahlte Freizeit“, sagt er und muss lachen. „Dennoch versuche ich, meine Kunden nach und nach in die Nettowelt zu überführen, was auch funktioniert.“ Ziel ist, dass sich mehr und mehr Kunden für sein „Servicemodell“ entscheiden. Für die Betreuung der Versicherungen bezahlen sie dann eine monatliche Pauschale, für das In- vestmentdepot stellt er jährlich ein Prozent des Fondsvermögens in Rechnung. Dafür setzt er, so weit möglich, auf provisionsfreie Produkte. „Finanzielle Fitness“ Doch Grüterichs Angebot geht darüber hinaus. Zweimal im Jahr veranstaltet er einen Fitnesstag, an dem ein Lauftrainer und eine Ernährungsberaterin referieren. „Für Kunden im Servicemodell sind diese Veranstaltungen kostenlos, die anderen zahlen 20 Euro“, sagt er. „An diesen Tagen spielt das Thema Geld übrigens keine Rolle, es geht nur um die Gesundheit.“ Dennoch passt das Angebot zu Grüterich. Seit vielen Jahren schon wirbt er mit dem Slogan „Finanzielle Fitness“, inzwi- schen heißt sein Unternehmen so. „Mir ist der Dreiklang aus gesundem Körper, gesundem Geist und gesunden Finanzen wichtig“, sagt er. „Geld ist nur ein Medium, aber fi- nanzielle Sorgen färben schnell auf andere Le- bensbereiche ab.“ Grüterich selbst läuft viel, zwei- bis dreimal im Jahr nimmt er an einem Triathlon teil. Er kann sei- nen Slogan also glaubhaft vertreten. „Fall X“-Paket Ein weiteres Angebot für Mandanten im Servicemodell ist das „Fall X“-Paket. Ge- meinsam mit dem Kunden erarbeitet Grüte- rich einen Notfallplan für den Fall, dass der Klient plötzlich seine Handlungsfähigkeit ver- liert. „Das geht weit über die üblichen Doku- mente wie Patientenverfügung oder Vorsorge- vollmacht hinaus“, sagt er. „Wir erfassen bei- spielsweise auch wichtige Ansprechpartner wie Steuerberater und Rechtsanwalt und er- stellen eine Vermögensübersicht. Der Kunde sollte auch Passwörter notieren und kann auf- schreiben, wo der Fahrzeugbrief liegt oder wo er sein Gold im Garten vergraben hat.“ Ordner und USB-Stick mit allen wichtigen Informationen werden an einem sicheren Ort verwahrt. Die Zugangsdaten finden sich in einem versiegelten Umschlag, den eine Vertrauensperson aufbewahrt – und erst öffnen darf, wenn der „Fall X“ eingetreten ist. Vor zwei Jahren ließ Grüterich das „Fall X“-Paket professionell layou- ten. Seither bietet er es auch anderen Maklern und Vermittlern an, die die Unterlagen und die Software mit ihrem eigenen Logo versehen kön- nen. Zehn Finanzberater nutzen das Paket derzeit. „Das ‚Fall X‘- Paket ist gut geeignet, um sich am Markt abzuheben“, sagt Grüterich. „Die Sparkasse vor Ort bietet das nicht.“ Grüterich ist über- zeugt: Neben einer professionellen Bera- tung sind es solche Dienstleistungen, die die Kundenbindung stärken – und die Be- reitschaft wachsen las- sen, den Berater für seine Arbeit zu honorieren, statt ihn als Produktverkäufer wahrzunehmen. BERND MIKOSCH | FP Percy Grüterich schafft es, im- mer mehr seiner Kunden von den Vorzügen eines Honorarmodells zu überzeugen – auch auf dem Land. 198 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 vertrieb & praxis I geschäftsmodell Foto: © Finanzielle Fitness Finanzberater können es auch als Einzelkämpfer schaffen, sich eine Marke aufzu- bauen und die Kundenbindung zu stärken, zeigt das Beispiel von Percy Grüterich. Mit Service punkten

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