FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016

200 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 vertrieb & praxis I provisionsverbot großbritannien Foto: © Volker Schuhmaier | Fotolia, FCA M it brüchiger Stimme schien die Inte- rims-Chefin der britischen Finanz- aufsicht FCA, Tracey McDermott, in einem Radiointerview einzuknicken. Von den bohrenden Nachfragen des BBC-Mode- rators sichtlich aus dem Konzept gebracht, schloss die Oberaufseherin in dem Interview nicht aus, dass Vermittlungsvergütungen künf- tig wieder ein Element der Finanzberatung sein könnten. Dies wäre einer Abkehr vom strikten Provisionsverbot in Großbritannien gleichgekommen. Seit 2013 ist auf der Insel Finanzberatung wegen der sogenannten „Retail Distribution Review“ (RDR) praktisch nur noch gegen Honorar möglich. Zudem kündigte McDermott eine Überprüfung des äußerst umstrittenen Provisionsverbots an. Sie schränkte in der Radiosendung zugleich aber ein: „Wir wollen nicht zurück in eine Welt, in der wir die Probleme hätten, die es vor RDR gegeben hat.“ Nun hat die Finanzaufsicht ein 85 Seiten starkes Papier vorgelegt, das die Auswirkun- gen des neuen Gesetzes auf die Finanzbera- tung im Vereinigten Königreich untersucht hat. Darin zeigt die Behörde auf, wie RDR die Produkt- und Beratungswelt umkrempelte und die unerwünschten Nebeneffekte von Provisionen beseitigte. Die Aufseher gestehen aber auch Nachteile ein, die RDR hervorge- bracht hat: Geringverdiener sind von einer professionellen Finanzberatung praktisch ab- geschnitten. Denn eine Finanzplanung lohnt sich sowohl für Kunden- wie auch Anbieter- seite nur bei größeren Anlagesummen. Trotz dieses schwerwiegenden Defizits taucht aber ein Aspekt in der Studie „Financial Advice Market Review“ (FAMR) nicht auf: die Wie- dereinführung von Vertriebsvergütungen. Qualität verbessert Das strenge Provisionsverbot in Großbri- tannien entspringt zum einen der Finanzkrise nach der Pleite der US-Investmentbank Leh- man Brothers. Der Einsturz an den Finanz- und Immobilienmärkten brachte auch briti- sche Hypothekenhäuser wie Northern Rock oder Bradford & Bingley zu Fall und ließ Endanleger um Haus und Ersparnisse bangen. Darüber hinaus erschütterten in den Jahren da- nach Skandale die Branche, etwa um fälsch- lich an Endkunden verkaufte Versicherungen für Kreditkarten. Millionen von Kunden wa- ren solche Darlehensabsicherungen angedreht worden. Betroffene Großbanken wie Lloyds, HSBC und Royal Bank of Scotland (RBS) haben Milliardensummen für Entschädigungs- zahlungen zurückgestellt. Unter dem Eindruck dieser Skandale entwarfen die britischen Regulierer ein Gesetz, das solche krassen Fehlberatungen vermeiden sollte: RDR. Vergütungen durch die Anbieter von Finanzprodukten sind seither weitgehend ausge- schlossen. Zudem setzten die Be- hörden Standards, um die Qualität der Beratung zu steigern. Hier sehen sich die Aufseher auf dem richtigen Weg. „RDR hat die Mindestanforderungen, um Fi- nanzberatung erteilen zu dürfen, angehoben. Dadurch hat sich die Qualität dieser Beratung erheblich verbessert“, heißt es in der Studie. Empfehlungen für Produkte, die mit der höchsten Provision für den Vermittler locken, gebe es nicht mehr. Die Finanzberatung sei ob- jektiver geworden und richte sich eher an den Bedürfnissen der Anleger aus. Für die Aus- wertung hatte die FCAMarktteilnehmer auf- gerufen, Stellungnahmen zur Entwicklung der Finanzberatung abzugeben. Der Behörde zu- folge habe der Großteil der eingereichten Kommentare die Meinung vertreten, dass RDR die Beratung verbessert habe. Allerdings seien auch Missstände genannt worden. Der eklatanteste ist das bereits er- wähnte Missverhältnis zwischen dem Preis, den Berater ihren Kunden für ihre Dienstleis- tung in Rechnung stellen müssen, und dem, den die Anleger zu zahlen bereit sind. Gerade bei Sparern mit kleinem Geldbeutel klafft hier eine große Differenz. Hinzu kommt: „Da für Berater eine höhere Qualität und mehr Pro- fessionalität gefordert sind, müssen die An- bieter mehr Geld in Schulungen und Entwick- lung stecken. Daher sind die Kosten für die Finanzberatung gestiegen“, erläutert Angelos Gousios vomAnalysehaus Cerulli Associates. Dementsprechend müssen Berater die Ein- trittshürden für ihre Kunden höher setzen. Einer Umfrage des Branchendienstes Blue & Green zufolge hat sich die Zahl der Bera- tungsfirmen, die ein Anlagevolumen von min- destens 100.000 Pfund fordern, mehr als ver- doppelt. Demnach setzten 2013 nur 13 Pro- Seit dem Provisionsverbot haben viele Briten keinen Zugang zu professioneller Anlageberatung. Die Aufsicht legt nun Lösungsideen vor – die vage ausfallen. Beratungslücke überbrücken Brücken bauen: Die britische Finanzaufsicht FCA sucht nach Wegen, wie Kleinsparer wieder professionelle Finanzberatung erhalten. Das Verbot von Vertriebsvergütungen hatte die Betreuung kleiner Vermögen unwirtschaftlich erscheinen lassen.

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