FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016

202 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 vertrieb & praxis I bvi-statistik Foto: © BVI K ein Bericht über den deutschen Fonds- markt kommt ohne Zahlen des Bran- chenverbandes BVI aus. Dessen Invest- mentstatistik gilt als Maß der Dinge, wenn es darum geht, die Größe oder die Vertriebsstärke der Fondsindustrie zu beziffern. Doch viele wissen nicht, wie das Zahlenwerk entsteht. Und wie präzise sind die Daten eigentlich? Die Investmentstatistik hat den Anspruch, die Vertriebsleistung der Asset Manager in Deutschland abzubilden – und unterscheidet sich damit fundamental von den Datensamm- lungen der meisten nationalen Branchenver- bände, die in der Regel nur auf die inländi- schen Fonds abstellen. Zwei Zahlen verdeut- lichen dies: Deutsche Wertpapierpublikums- fonds verwalteten Ende Februar gut 321 Mil- liarden Euro. Das insgesamt in Deutschland abgesetzte Volumen beläuft sich dem BVI zufolge jedoch auf 764 Milliarden Euro. Das liegt an der großen Bedeutung auslän- discher Fonds, etwa aus Luxemburg, in Deutschland. Die meisten davon stammen von Tochterunternehmen heimischer Anbieter, etwa Allianz Global Investors, Deka, Union Investment oder Deutsche Asset Management. Würden diese Zahlen fehlen, wäre die BVI- Statistik nur noch halb so aussagekräftig. Diese Besonderheit ermöglicht es außer- dem, das Deutschland-Geschäft einiger aus- ländischer Asset Manager zu quantifizieren. Franklin Templeton verwaltet für Kunden aus Deutschland demnach 17,3 Milliarden Euro in Publikumsfonds, Pioneer Investments 12,4 Milliarden und Fidelity 11,8 Milliarden. Inter- national tätige Anbieter veröffentlichen sonst meist nur Zahlen für das gesamte Europage- schäft – hier sorgt der BVI für eine im welt- weiten Vergleich eher seltene Transparenz. Von ganz unten aufgebaut Doch wie exakt ist das Bild, das die Zahlen zeichnen? „Bei Publikumsfonds liegt unsere Abdeckung bei über 90 Prozent der Assets für den deutschen Absatzmarkt“, sagt BVI-Statis- tikexperte Michael Pirl. „Bei Spezialfonds be- trägt die Quote sogar 98 Prozent, sodass wir insgesamt rund 95 Prozent des Marktes abbil- den.“ Dass Pirl die Marktabdeckung über- haupt berechnen kann, hat er der Bundesbank zu verdanken, die für ihre Zahlungsbilanz- statistik die Zu- und Abflüsse ausländischer Investmentfonds in Deutschland veröffent- licht. Basis dafür sind Pflichtmeldungen der depotführenden Stellen. Die Bundesbank- Daten lassen anders als jene des BVI aber kei- ne Detailauswertungen zu. Der Verband baut seine Statistik nämlich jeden Monat von ganz unten auf. Für jede ein- zelne Anteilsklasse eines Fonds melden die Anbieter einmalig detaillierte Stammdaten und monatlich das Netto-Mittelaufkommen und das Vermögen. Diese Daten werden dann Schritt für Schritt aggregiert. „Wir fragen also nicht das in Summe verwaltete Vermögen und das Mittelaufkommen bei den Fondsgesell- schaften ab, sondern erheben die Daten ein- zeln für derzeit mehr als 12.000 Wertpapier- kennnummern von Publikums- und Spezial- fonds“, sagt Pirl. 130 Fondsanbieter und Ver- mögensverwalter melden ihre Zahlen. Nicht alle sind auch BVI-Mitglied. Bleibt die Frage, wie exakt sich das Deutschland-Geschäft abstecken lässt. Am einfachsten fällt das meist noch den interna- tional tätigen Angelsachsen. „Diese Anbieter haben meist eine oder mehrere Orderannah- mestellen je Land. Auf dieser Ebene können sie gut abgrenzen, woher der Auftrag für eine Fondsorder kam“, sagt Pirl. Diese Möglich- keit haben die deutschen Häuser, die auch im Ausland tätig sind, meist nicht. Also fand der Verband für sie eine andere praktikable Lö- sung, die „Alles oder nichts“-Regel: Wird ein Produkt, auch wenn es in Luxemburg aufge- legt wurde, hauptsächlich in Deutschland ver- trieben, soll der Anbieter dem BVI die Zahlen melden. Fonds und Anteilsklassen, die mehr- heitlich in anderen Ländern Abnehmer finden, bleiben dagegen ganz außen vor – auch wenn beispielsweise ein Drittel des Anlegergeldes aus Deutschland stammt. Anders als manch- mal vermutet melden die großen deutschen Anbieter dem BVI also nicht ihre gesamte Luxemburger Fondspalette. Verwerfungen möglich Mitunter kann die „Alles oder nichts“-Re- gel aber zu Verwerfungen im Zahlenwerk füh- ren, insbesondere bei kleineren Häusern, die stark international wachsen. Ein Beispiel ist Ethenea aus Luxemburg: Für den Manager der Ethna-Fonds war Deutschland lange Zeit der mit Abstand wichtigste Markt, darum war es nur konsequent, dass fast das gesamte Volumen auch in den BVI-Zahlen auftauchte – Ende 2015 standen dort 11,4 Milliarden Euro. Doch das Unternehmen vertreibt seine Fonds inzwischen in zehn Ländern. Also war es an der Zeit, die Meldung an den BVI prä- ziser auf den deutschen Markt zuzuschneiden mit dem Ergebnis, dass Ende Januar nur noch 5,4 Milliarden Euro in der Statistik zu finden waren. Durch die Korrektur sind also sechs Milliarden Euro aus dem Zahlenwerk ver- schwunden. „Eine Änderung dieser Größen- ordnung mag zunächst überraschen“, sagt Pirl, „dennoch ist es richtig, sie vorzunehmen, weil sie im Endeffekt dabei hilft, die Qualität der Statistik zu verbessern.“ Die Datenqualität ist wichtig, nicht nur für die Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch für die eigentliche Hauptaufgabe des BVI: die Lobbyarbeit. Wenn Berlin oder Brüssel mal wieder an der Regulierung der Branche arbei- tet, ist es Gold wert, auf Knopfdruck präzise Zahlen zur Hand zu haben. BERND MIKOSCH | FP Die Statistik des BVI leistet mehr als die aus anderen Ländern – auch wenn es vorkommt, dass schlagartig sechs Milliarden Euro aus den Zahlen verschwinden. Einzig artiges Zahlenwerk Michael Pirl, BVI: „Wir erheben die Daten einzeln für derzeit mehr als 12.000 Wertpapierkennnummern.“

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