FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016

214 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 vertrieb & praxis I provisionsfreie anteilsklassen Foto: © Jeanette Dietl | Fotolia M anchmal muss man um die Ecke denken, um auf die Lösung eines Problems zu kommen. Manche den- ken aber auch um die Ecke, um ein mögliches Problem zu erkennen, das die meisten anderen gar nicht als solches wahrgenommen hätten. In Unternehmen, auch bei Fondsanbietern, fällt diese Aufgabe meist den Juristen zu. Eines dieser potenziellen Probleme, das in der Investmentindustrie derzeit diskutiert wird, hängt mit den provisionsfreien Anteilsklassen von Fonds zusammen, im Branchenjargon auch Nettoanteilsklassen oder Clean Shares genannt. Unter dem Regime der EU-Finanz- marktrichtlinie Mifid II könnte es für Asset Manager ab 2018 zum ernsthaften Risiko werden, wenn sie solche Tranchen für Retail- kunden anbieten. Denn damit könnten sie ihren etablierten Vertrieb in Nöte bringen. Das klingt zunächst weit hergeholt, doch die Gefahr ist real. „Nach den jetzigen Ent- würfen der EU-Wertpapieraufsicht ESMA muss ein Anlageberater im Rahmen des Sui- tability-Tests künftig neben der allgemeinen Geeignetheit prüfen, ob es günstigere oder weniger komplexe Produkte für den Kunden gibt, die genauso geeignet wären“, sagt Chris- tian Waigel, Partner der Münchner Kanzlei Waigel Rechtsanwälte. Hat ein auf Provisions- basis arbeitender Anlageberater bei einem Fonds also die Wahl zwischen einer Anteils- klasse mit und einer ohne Bestandsprovision, stellt ihn das vor ein Dilemma. „Wenn die Anteilsklassen ansonsten gleichwertig sind, müsste nach Mifid II und dem jetzigen Stand der ESMA-Entwürfe die Tranche ohne Bestandsprovision bevorzugt werden“, so Waigel. Das wiederum würde den Anlage- berater um seine Vergütung bringen. Um erst gar nicht in dieses Dilemma zu gelangen, könnte sich eine Bank oder ein Fi- nanzdienstleister künftig gezwungen sehen, Fonds von Asset Managern zu meiden, die allgemein zugängliche Clean Shares anbieten. Diese Aussicht wiederum versetzt die Fonds- gesellschaften in Alarmstimmung – zumindest diejenigen, die sich bereits mit dem Thema beschäftigt haben. Ein Konsens, wie eine Lö- sung aussehen könnte, hat sich in der Branche noch nicht herausgebildet, zeigt eine Umfrage von FONDS professionell unter Dutzenden Investmenthäusern. Doch immerhin haben einige schon einen Weg gefunden, der es auch künftig ermöglichen dürfte, sowohl Anteilsklassen mit als auch ohne Be- standsprovision anzubieten, ohne die eta- blierten Vertriebspartner zu vergraulen. Vielleicht entwickelt sich aus diesen Ansätzen ein Branchenstandard. Nischendasein Auch wenn die Honorarberatung in Deutschland nach wie vor ein Nischenda- sein fristet, gibt es inzwischen zahlreiche Fondsanbieter, die provisionsfreie Anteils- klassen offerieren. Gemeint sind damit nicht die Tranchen für institutionelle Inves- toren, sondern für Privatanleger, was sich an der geringen Mindestanlagesumme zeigt. Interessant sind diese Tranchen nicht nur für Honorarberater, sondern auch für Dachfondsmanager oder Vermögensver- walter, die sich die umständliche Kick- back-Verrechnung sparen wollen. Fonds- gesellschaften, die in Großbritannien oder den Niederlanden aktiv sind, benötigen die entsprechenden Anteilsklassen ohnehin, schließlich sind Provisionen in der Anlagebe- ratung dort seit einigen Jahren verboten. Noch ist die Nachfrage nach den Clean Shares zu- mindest in Deutschland gering, wie die meis- ten Anbieter berichten. Unter Mifid II wird sich das jedoch mit einiger Sicherheit ändern, schließlich dürfen in der Vermögensverwal- tung dann keine Bestandsprovisionen mehr vereinnahmt werden. FONDS professionell wollte von den An- bietern wissen, ob sie Nettoanteilsklassen haben, ob diese auch in Deutschland regis- triert sind und wie sie sicherstellen, dass die- ses Angebot nicht zum Problem für Vertriebe wird, die auf Provisionen angewiesen sind. Während manche Fondsgesellschaften bereit- willig Auskunft gaben, wollten sich andere nicht äußern – auch das ein Zeichen dafür, wie groß die Unsicherheit in der Branche in diesem Punkt offensichtlich ist. „Kein Kommentar“ Unter den Anbietern, die keine Stellung nehmen wollten, finden sich auch große Häu- ser wie Columbia Threadneedle, Goldman Fondshäuser, die provisionsfreie Anteilsklassen anbieten, könnten ihre Vertriebs- partner damit in Verlegenheit bringen. Noch ist es aber nicht so weit. Gefährlich kostengünstig Wenn ein und dasselbe Finanzprodukt zu unterschiedlichen Preisen verfügbar ist, könnte das Finanzberatern, die ihren Kunden nicht die günstigere Variante anbieten, unter dem Regime von Mifid II Probleme bereiten.

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