FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016

224 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 vertrieb & praxis I anteilsscheingeschäft Foto: © bramgino | Fotolia D er unerfreuliche Teil des Geschäfts mit Wertpapieren ist die Tatsache, dass Fehler sehr teuer werden können. Von der falschen Stückzahl über falsche Limit-Set- zungen bis zum vollständigen „Vergessen“ von Kauf- oder Verkaufsaufträgen reicht die Bandbreite möglicher Schnitzer. Fest steht auch, dass der betroffene Anleger in jedem Fall erlittene Verluste oder entgangene Gewin- ne reklamieren und sich wahrscheinlich nach einem neuen Berater oder einer neuen Bank umsehen wird. Dass solche Fälle in der Praxis unvermeidbar sind, liegt in der Natur der Sache – nicht zuletzt deshalb, weil das Wert- papiergeschäft keineswegs vollständig im 21. Jahrhundert angekommen ist. Während Ban- ken, Versicherer und Fondsanbieter derzeit zwar fast ausschließlich über das Thema Digi- talisierung diskutieren, ist die Automatisierung des Anteilsscheingeschäfts, das alle Prozesse für die Lieferung von Fondsanteilen an die Kunden umfasst, bislang keineswegs abge- schlossen. Mit anderen Worten: Das Fax hat imWertpapiergeschäft längst nicht ausgedient. Allerdings stehen die Chancen gut, dass sich das bald ändert, wie ein Blick ins Backoffice der Fondswelt hoffen lässt. Dass die neuesten Technologien ihren Sie- geszug hier noch nicht abgeschlossen haben, hat viel mit der Komplexität der Abwicklung von Fondsorders zu tun. Hierzulande überneh- men zahlreiche Orderannahmestellen (eng- lisch Transfer Agents) das Anteilsscheinge- schäft für die von ihnen betreuten Fonds. Oft handelt es sich dabei um eine Abteilung in einer der 44 Verwahrstellen, die in der Bun- desrepublik tätig sind. Wenn eine Bank oder Fondsplattform einen Fonds für einen Kunden erwerben möchte, muss sie oftmals direkt Kontakt mit dem Transfer Agent des Fonds aufnehmen (siehe Kasten nächste Seite). Eine vollständig zentrale Abwicklung wie in den Niederlanden, wo alle Aufträge über die Bör- se laufen, existiert bei uns bislang nicht. Fondsorders werden in Deutschland dann automatisch abgewickelt, wenn der Zentral- verwahrer Clearstream dies fordert. Die in Lu- xemburg ansässige Gesellschaft entstand im Jahr 2000 aus der Fusion von Deutsche Börse Clearing und Cedel International. Die Tochter der Deutschen Börse ist Zentralverwahrer für deutsche und luxemburgische inländische Wertpapiere und nutzt die IT der Society for Worldwide Interbank Financial Telecommu- nication, die man meist nur als „SWIFT“ kennt. Diese Organisation transportiert bezie- hungsweise exekutiert über ihr sicheres Tele- kommunikationsnetz Nachrichten und Trans- aktionen für weltweit mehr als 10.000 Banken – darunter fallen auch Fondsgeschäfte. Mit dem automatischen Versandweg geht auch eine Standardisierung einher: SWIFT ver- langt, dass die Order-Dokumente den interna- tional anerkannten Datenstandard ISO 20022 verwenden. Nicht wenige Banken und Transfer Agents versenden aber immer noch E-Mails oder senden gar Fax-Nachrichten. Das klingt zwar schlimmer, als es ist, denn hier wird durchaus auch automatisiert gearbeitet – Orders werden in Dokumenten gesammelt und via Online- Speicher verschickt, auch Fax-Nachrichten lassen sich per Software bündeln – State of the Art ist das dennoch nicht. Standard gefordert Eine offizielle Statistik zum Grad der Auto- matisierung des Anteilsscheingeschäfts in Deutschland existiert nicht. Die meisten Bran- chenexperten schätzen, dass 40 bis 60 Prozent aller Aufträge voll automatisiert abgewickelt werden. Einige gehen auch von einer höheren Rate aus. „Alle Teilnehmer haben Prozesse für sich aufgesetzt. Die Frage ist eher, wie au- tomatisiert diese sind, da sich die Verwahrstel- len nicht in die Karten schauen lassen“, sagt Sven Grädedünkel, Abteilungsleiter Execution Fund Business der BHF Bank in Frankfurt. Branchenkenner sind dennoch einhellig der Ansicht, dass der aktuelle Automatisierungs- grad zu niedrig ist. Einer, der hier gern schon weiter wäre, ist Eduard Schroeder, erster Vor- sitzender der DESSUGArbeitsgruppe Invest- mentfonds, dem Branchenforum für die Stan- dardisierung des Anteilsscheingeschäfts. Er fordert, dass die gesamte Branche SWIFT und ISO 20022 als einheitliche Basis für den Da- tenaustausch nutzt. Sein Argument: Wenn auf Fax und E-Mail zurückgegriffen werde, könne es zu einem Bruch der Abwicklungskette kommen – und damit zu Fehlern. Jede händi- sche Bearbeitung sowie die fehlende Standar- disierung seien latente Fehlerquellen. „Auto- matisierung erhöht sowohl die Geschwindig- keit der Abwicklung als auch deren Transpa- renz“, sagt Schroeder. Taucht doch einmal ein Problem auf, hilft ein digitaler Fehlerbericht bei der Lösung. Bis aus dem Geld eines Kunden ein Fondsanteil geworden ist, werden oft noch Faxe verschickt. Das ist ineffizient und fehleranfällig – und bald wohl passé. Halb automatisch So sah einmal Fortschritt aus. Doch die Tage der Schreibmaschine waren gezählt, als in den 1980er-Jahren der PC die Büros eroberte. Nun erfasst die Digitalisierung immer mehr Bereiche – auch die Abwicklung von Fondsorders.

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