FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016

bank & fonds I thomas stegmüller | compentus Foto: © Christoph Hemmerich E in schlichtes Bürogebäude in Stutt- garts Speckgürtel. Hier, zwischen Technologiefirmen, Labors und Tochterfirmen des Bosch-Konzerns, ist die Heimat der Unternehmensberatung Compentus. Ein Stück die Straße runter belegen die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young ein ganzes Gebäude. Compen- tus hingegen teilt sich das Erdgeschoss mit einer Schule für Ergotherapie. Die Mitarbeiter sind ohnehin meist unterwegs bei Kunden, irgendwo zwischen Flens- burg und Graz. So unscheinbar das Büro auch wirkt, im genossenschaftlichen Finanzsektor hat sich die Gesellschaft erhebliche Bedeutung erarbeitet. Das rund 40-köpfige Team berät vor allem Volks- und Raiffeisenbanken in fast allen Fragen: von Strategie und Personalentwicklung bis hin zu Regulierung und Fusionen. Co-Geschäfts- führer und Gründer Thomas Stegmüller ist gut gelaunt. In einer Umfrage des Wirtschafts- magazins „Brand eins“ landete seine Gesell- schaft unter den besten Unternehmensbera- tungen für Banken – das dritte Jahr in Folge. Herr Stegmüller, Banken und Fonds- häuser stöhnen unter der Last der Regu- lierung. Wie geht es den Volks- und Raiffeisenbanken damit, die Sie beraten? Thomas Stegmüller: Wenn zwei Themen ge- rade brennen, dann sind es die Niedrigzins- phase und die Regulierung. In den 1990er- Jahren war die Lage noch recht übersichtlich. Die Regeln waren in wenige Gesetze gefasst. Mittlerweile ist die Zahl der Vorschriften aber geradezu explodiert. Neben klassische Regeln wie dem Kreditwesen- oder Wertpapierhan- delsgesetz trat eine schier unüberschaubare Menge an Gesetzen, Regeln und Verordnun- gen auf verschiedenen Ebenen. Kaum jemand kann da noch die Orientierung behalten. Da dürfte die Verschiebung der Finanz- marktrichtlinie Mifid II den Häusern doch ganz gelegen kommen? Durch die Verschiebung ist zwar der Dampf rausgenommen. Meiner Beobachtung nach war Mifid II bei Banken aber ohnehin noch gar nicht voll ins Bewusstsein gedrungen. Sie kämpften zuletzt noch mit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Danach steht zunächst die Neufassung der Mindestanfor- derungen an das Risikomanagement an, die MaRisk-Novelle. Die Umsetzung von Mifid II ist dahinter zurückgetreten. Daran merkt man schon, wie sehr das Thema Regulierung brennt. Es ist unüberschaubar und aktionis- tisch geworden. Ein Thema kommt auf, da ist das andere noch nicht einmal fertig abgear- beitet. Es bleibt kaum Zeit, um einmal durch- zuatmen. Wie behalten die Häuser den Überblick? Ich beobachte verschiedene Handlungsmuster: Die größeren Banken versuchen intern die Regulierungsfragen bei Spezialisten zu bün- deln. Diese betreffen ja ganz unterschiedliche Felder wie das Kreditgeschäft, den Wert- papierbereich oder auch die interne Organisa- tion und die elektronische Datenverarbeitung. Die Regulierung ist einerseits atomisiert und andererseits omnipräsent. Wie gehen kleinere Institute damit um? Hier kommt rasch die Frage auf, ob das Haus das betreffende Geschäft überhaupt noch weiter betreiben kann. Der Vorstand fragt sich: Können wir Immobilienfinanzierung noch anbieten? Oder ziehen wir besser Spezialisten der zentralen Verbundpartner heran, also der Bausparkasse Schwäbisch Hall? Können wir das Wertpapiergeschäft weiter betreiben? Der eine oder andere Vorstand schickt dann schon mal ein Schreiben an den zentralen Fondsanbieter Union Investment mit dem Inhalt: Wir müssen das Geschäftsfeld einstellen, wenn wir keine Unterstützung erhalten, weil wir das mit unseren Bordmitteln nicht mehr hinbekommen. Das heißt, Genossenschaftsbanken wer- den nicht mehr alle Dienste anbieten? Dieses Szenario droht nicht in der Fläche. Bei kleinen Häusern ist das aber vorstellbar, wenngleich es noch nicht Realität geworden ist. Wie bei einem Schweizer Käse würde eine Deutschlandkarte mit Löchern entstehen. Die Verbundorganisationen sind sehr daran inter- essiert, das Breitengeschäft zu erhalten. Daher unternehmen sie viele Anstrengungen, damit alle Finanzdienstleistungen in der Fläche wei- ter angeboten werden. Das ist doch auch im Eigeninteresse der Verbände und Zentralinstitute. Ja. Wenn die Zahl der Banken in einem Geschäftsfeld abnimmt, schwinden natürlich auch die Volumina und die Erträge bei den zentralen Verbundorganisationen. Daher ziehen diese alle Register, um das Geschäft in der Breite zu erhalten. Wie sehen diese Aktionen genau aus? Eine erste Variante ist Outsourcing. Dabei übernehmen etwa Spezialisten von Union Investment, Schwäbisch Hall oder der R+V- Versicherung das jeweilige Geschäft direkt in der Bank. Die zweite Variante sind Erleichte- rungsklauseln der Genossenschaftsverbände. Sie formulieren, was ein Mitgliedsinstitut darf und was nicht. Dabei geht es etwa um die Niedrigzinsen, Regulierung und Digitalisierung beschäftigen die Finanzbranche. Thomas Stegmüller , Gründer der Unternehmensberatung Compentus , erklärt, wie die Volks- und Raiffeisenbanken versuchen, dieser Probleme Herr zu werden – und welche Umbrüche auf die Mitarbeiter in den Filialen zukommen. „In Investmentfragen müssen » Bei vielen Häusern kommt die Frage auf, ob sie einzelne Geschäfts- felder weiter betreiben können. Wie bei einem Schweizer Käse würde eine Landkarte mit Löchern entstehen. « Thomas Stegmüller, Compentus 254 www.fondsprofessionell.de | 2/2016

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