FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016

270 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 lebenspolicen-spezial I roundtable Hans Heuser (FONDS professionell): Wenn wir hier über die Zukunft der Lebensver- sicherung in Deutschland sprechen wollen, dann kommen wir an einem Thema nicht vorbei, das die Branche aktuell wohl am heftigsten beschäftigt, die extrem niedri- gen Zinsen in Europa und weltweit. Wie beurteilen Sie die möglichen Auswirkun- gen aus Sicht von Praxis und Vertrieb? Christian Jaffke (Jung, DMS & Cie.): Eines lässt sich mit Sicherheit festhalten: Die nied- rigen Zinsen machen den Vertrieb eines Ver- sicherungsprodukts, das in aller Regel aktiv verkauft werden muss, sicher nicht einfacher, im Gegenteil. Extrem bedauerlich an der mo- mentanen Situation ist aus meiner Sicht, dass vielfach – ob in Talkshows oder auch in den Medien – den Versicherern der Schwarze Peter zugeschoben wird für eine Situation, die diese ja schließlich gar nicht ursächlich herbeigeführt haben. Da wird vieles ganz einfach über einen Kamm geschoren nach dem Motto: „Ihr Versicherer habt ein Pro- dukt- beziehungsweise ein Renditeproblem.“ Dass der derzeit eben extrem niedrige Zins die eigentliche Ursache für solche Probleme ist, wird überhaupt nicht thematisiert, ge- schweige denn irgendwie aufgearbeitet. Gleichzeitig wird über ein System wie die Riester-Rente hergezogen, das ursprünglich einmal der Staat ins Leben gerufen hat mit dem Ziel, damit ein bedeutendes Problem unserer Zeit, nämlich die wachsende Alters- armut anzugehen und zu lösen. Und jetzt schiebt man den Versicherern die Schuld dafür zu, dass ein solches System nicht mehr genug Rendite abwirft. So werden die Versi- cherer im Grunde in die Haftung genommen für Entwicklungen, die sie gar nicht verur- sacht haben. Bernhard Rapp (Canada Life): Das führt dann häufig zu einer aus meiner Sicht oft schon etwas seltsam anmutenden Kritik, ver- bunden mit teilweise kuriosen Berechnun- gen, wie sie mir vor Kurzem wieder begegnet sind. Da hatte jemand ausgerechnet, wie lan- ge man heutzutage in deutsche Bundesanlei- hen investieren müsste, um sein angelegtes Kapital zu verdoppeln. Zu Beginn dieses Jahrtausends waren das noch etwa elf bis 15 Jahre, heute wären es sage und schreibe 253 Jahre. Aber auch wenn man die Schuld an einer solchen Misere sicher eher bei Mario Draghi als bei den Versicherern suchen müss- te: Das wird nicht helfen. Denn am Ende wird es unsere große Aufgabe als Versicherer sein, den Menschen in unserem Land – denn betroffen von der Situation ist doch im Prin- Im Würgegriff Die Diskussionsteilnehmer (v. l. n. r.): Marcus Stephan (BCA), Bernhard Rapp (Canada Life), Ulrich Neumann (Gothaer Versicherung), Dietmar Bläsing (Volkswohl Bund), Carlos Reiss (Hoesch & Partner), Christian Jaffke (Jung, DMS & Cie.), Andreas Bürse-Hanning (Aures Finanz), Christian Nuschele (Standard Life) Fotos: © Cornelis Gollhardt Über die Zukunft der Lebensversicherung vor dem Hintergrund von aktueller Zinssituation und Regulierung hat die Redaktion mit einer Runde ausgewiesener Experten diskutiert. » Die höhere Transparenz in der Versicherung ist nicht so sehr durch die Zinssituation entstan- den, sondern dadurch, dass wir als Versicherer durch die Vorga- ben des LVRG in eine im Grunde genommen vollkommen neue Situation geraten sind. « Dietmar Bläsing, Volkswohl Bund

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=